Ein Musiker von europäischem Format
Salieri-Symposion
Zu Lebzeiten Mozarts war Antonio Salieri der berühmtere Zeitgenosse. Anlässlich des Mozartjahres veranstaltet die Musik-Uni Wien nun ein Salieri-Symposion. oe1.ORF.at hat mit dem renommierten Salieri-Forscher Rudolph Angermüller ein Gespräch geführt.
8. April 2017, 21:58
Der Legende nach galt Hofkapellmeister Antonio Salieri (1750-1825) lange Zeit als Mörder Mozarts und minderbegabter Neider des Salzburger Musikgenies. In der Folge wurde seine Musik häufig als uninspiriert abgetan und nie einer genaueren Überprüfung unterzogen.
Im Rahmen des Internationalen Symposion "Antonio Salieri - Zeitgenosse Mozarts, Hofkapellmeister und Musikpädagoge", das die Wiener Musik-Universität als Beitrag zum Mozartjahr am 7. und 8. November veranstaltet, soll das Bild des berühmten Zeitgenossen Mozarts als Komponist und Pädagoge beleuchtet werden.
Den Eröffnungsvortrag "Salieri, ein europäischer Musiker" hielt der international renommierte Experte Rudolph Angermüller, viele Jahre Generalsekretär der Internationalen Stiftung Mozarteum, heute Mitglied der Akademie für Mozart-Forschung der Institution, der sich seit über 40 Jahren mit dem Schaffen des italienischen Komponisten beschäftigt. Er hat zahlreiche Standardwerke über Salieri, so unter anderem "Antonio Salieri - Dokumente seines Lebens", und Mozart veröffentlicht.
Anlässlich dieser zweitägigen Veranstaltung hat oe1.ORF.at den Musikwissenschaftler und Romanisten über die Bedeutung Antonio Salieris befragt.
Matthias Osiecki: Herr Professor Angermüller, ist das Mozartjahr eine gute Gelegenheit, Antonio Salieris Bild - befreit von Legendenbildung - nun zurecht zu rücken?
Rudolph Angermüller: Es gibt sehr viele Legenden, die sich nicht ausrotten lassen. So wurde die Legende vom Mozart-Mörder in jüngerer Vergangenheit durch Milos Formans "Amadeus"-Film wieder aufgekocht. Das Gerücht entstand allerdings viel früher. In die Welt gesetzt hat es Puschkin mit seinem Einakter "Mozart und Salieri", den Nikolai Rimski-Korsakow als Oper vertonte. Nun kennt jeder Russe Puschkin - also musste das, was er geschrieben hatte, wahr sein. Puschkin wollte aber etwas ganz anderes darstellen, nämlich den Neid. Und sein Stück heißt ja im Autograf auch "Der Neid".
Da Sie auch zu Mozart forschen, haben sie umfassendes Wissen über das Leben beider Komponisten. Warum hat sich das Gerücht vom "Mozart-Mörder" Salieri so lange gehalten?
Das hat auch einen politischen Hintergrund. Denn im Revolutionsjahr 1848 waren die Italiener in Wien nicht sehr beliebt. So kennen wir den abfälligen Begriff "Katzlmacher", der sich bis heute erhalten hat. Damals passte es gut, dass der böse Italiener Salieri den guten Österreicher vergiftet hat. Obwohl Mozart ja kein Österreicher, sondern nach damaligem Staatsbegriff ein Salzburger war. Denn zu dieser Zeit war Salzburg ein Fürsterzbistum, also ein eigenständiges Gebiet und kam erst durch den Wiener Kongress 1816 zu Österreich.
Welche Bedeutung hat Antonio Salieri aus heutiger Sicht?
Hätte es damals Mozart und Haydn nicht gegeben - dann wäre Salieri heute sicher die Nummer 1. Nur kommt in der Bedeutung eben Mozart vor Salieri - was natürlich gerechtfertigt ist. Aber Salieri ist kein Komponist zweiter Klasse. Er war Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts einer der modernsten Komponisten - nicht nur in Wien, sondern in ganz Europa. Bereits zu Lebzeiten Salieris wurden seine Opern erfolgreich in ganz Europa gespielt und kamen sogar bis nach Südamerika. Das war bei Mozart nicht der Fall.
Warum hat sich letztlich das Werk Mozarts durchgesetzt?
Die Musik Mozarts wurde schon immer gespielt, aber damals vor allem meist im süddeutschen Raum. Nach England oder Italien kam sie erst sehr spät, geschweige denn nach Amerika. Der "Don Giovanni" wurde erst 1826 durch da Ponte in New York aufgeführt. Das Interesse an den Werken Salieris verflachte und jenes am Schaffen Mozarts blühte im 19. Jahrhundert auf. Aber zu seinen Lebzeiten war Salieri gemessen an der Zahl der Aufführungen - und da vor allem in Wien - die Nummer 1: so wurden Salieris Opern zwischen 1781 und 1791 insgesamt 163 Mal, Mozarts Bühnenwerke nur 63 Mal aufgeführt.
Natürlich ist Mozarts Musik viel besser, man denke nur an die "Hochzeit des Figaro", den "Don Giovanni" oder "Die Zauberflöte", die ja seit ihrer Wiener Uraufführung 1791 ein Renner ist - diese Qualität hat Salieri nicht, das muss man schon sagen. Die Italiener fassen das in einen sehr schönen Vergleich: "Salieri e un' maestro, Mozart e un' genio".
Bei diesem Symposion wird auch die Bedeutung Salieris als Musikpädagoge beleuchtet.
Salieri war ja auch an der Gründung des Konservatoriums beteiligt, hat viel zur Gründung der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien beigetragen und war natürlich für das Wiener Musikleben von großer Bedeutung. Und er hat über 70 Schüler gehabt - darunter so bedeutende wie etwa Schubert, Beethoven oder Liszt - und übrigens auch Mozarts Sohn. Da kommen wir nochmals zur Legende zurück: es wäre ja ein Treppenwitz der Geschichte, hätte Konstanze Mozart ihren Sohn zum Mörder ihres Mannes als Schüler geschickt.
Im Dezember 2004 zeigte die Mailänder Scala anlässlich ihrer Wiedereröffnung nach der Renovierung Salieris große Opera seria "L'Europa riconosciuta", 1778 zur Einweihung des Hauses dort uraufgeführt, wieder dieses Werk. Sehen Sie eine Renaissance der Salieri-Opern?
Durchaus. So wurde im vergangenen Juni in Köln "La Cifra", 1789 in Wien uraufgeführt, gezeigt - und das war nicht das erste Werk, das nun aufgeführt wurde. In Salieris Geburtsort Legnago wurde 2004 "Il Ricco d'un giorno" gezeigt. Es gibt durchaus großes Interesse an Salieri. Auch bereits eine Menge CDs mit seinen Werken, so zum Beispiel drei Einspielungen seines "Falstaff". Kürzlich wurden unbekannte Lieder in Ungarn eingespielt. Ich werde auch immer wieder nach Werken gefragt. So würde ich zum Beispiel die Oper "La Fiera di Venezia", aus der Mozart ein Thema für Klaviervariationen benutzt hat, empfehlen, weil sie sehr bühnenwirksam ist.
Wie ist der aktuelle Stand der Salieri-Forschung?
Bei diesem Symposion wurde von Biggi Parodi, einer italienischen Wissenschaftlerin der jüngeren Generation, nun der "Catalogo tematico delle composizioni teatrali di Antonio Salieri", ein thematischer Katalog der dramatischen Werke Salieris, vorgestellt. Diese fast 1.000 Seiten umfassende Arbeit listet die Opern Salieris mit allen Quellen, Libretti usw. auf.
Woran arbeiten Sie derzeit?
Ich schreibe gerade über Wenzel Müller und das Leopoldstädter Theater, wo auch viel Salieri gespielt wurde. Das Buch wird 2007 fertig sein.
Mehr dazu in Ö1 Inforadio
Buch-Tipps
"Antonio Salieri - Dokumente seines Lebens", Gesammelt und erläutert von Prof. Dr. Rudolph Angermüller, Band I-III, LXXVI, Verlag Karl Heinrich Bock, ISBN: 3870664959
Rudolph Angermüller, "Mozart 1485/86 bis 2003. Daten zu Leben, Werk und Rezeptionsgeschichte der Mozarts", Musikverlag Hans Schneider, Tutzing
Veranstaltungs-Tipps
Internationales Symposion "Antonio Salieri - Zeitgenosse Mozarts, Hofkapellmeister & Musikpädagoge", Eröffnung Dienstag, 7. November 2006, 17:00 Uhr, Mittwoch, 8. November 2006, 10:00 Uhr und 15:00 Uhr, Institut Antonio Salieri, 1030 Wien, Rennweg 8
Antonio Salieri, große Messe in C-Dur, Freitag, 10. November 2006, Minoritenkirche, Beginn 19:30 Uhr, Senioren, Studierende und Schüler erhalten ermäßigte Karten für das Konzert.
Tag der offenen Tür am Institut Antonio Salieri, Finale des Kompositionswettbewerbs "Salieri - heute" im Rahmen der Veranstaltung "Antonio Salieri im Mozartjahr", Samstag, 11. November 2006, 10:30 bis 18:00 Uhr, 1030 Wien, Rennweg 8. Informationen unter: 01/711 55-4701
Tageskarte: 6 Euro, Senioren: 3 Euro.
Der Eintritt ist für Schüler und Studierende ist frei.
Links
Uni für Musik und darstellende Kunst - Institut Antonio Salieri
Calling Mozart - Musikalischer Wettstreit
Wikipedia - Antonio Salieri
Wikipedia - Sir Neville Marriner
Wikipedia - Minoritenkirche
Mozart 2006
Wiener Mozartjahr 2006
Mozart 2006 Salzburg