Wie erlangt man Restitution?

"Wieder gut gemacht werden kann nichts"

Läuft in Österreich in Sachen Kunstrestitution alles so, wie es Experten wünschen? Alfred Noll fallen einige Negativ-Beispiele ein. Hannah Lessing, Generalsekretärin des Nationalfonds für NS-Opfer, verweist auf die Erfolge der Online-Kunstdatenbank.

So kommen Opfer und Erben zu ihrem Recht

"Wenn man ins Museum für angewandte Kunst schaut, dann findet man dort viele Dinge, die dort nicht hin gehören." Fragt man den Wiener Rechtsanwalt Alfred Noll, ob in Sachen Kunstrestitution alles so läuft, wie es sollte, fallen dem Restitutionsexperten auch solche Negativ-Beispiel ein.

Im "Ö1 Klassik-Treffpunkt" diskutierten Hannah Lessing, die Generalsekretärin des Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus, und Alfred Noll mit Otto Brusatti über dieses Thema. "Wiedergutmachung ist für mich ein grässliches Wort für mich, weil wieder gut gemacht werden kann nichts", betonte Lessing in einleitenden Worten.

Otto Brusatti: Herr Noll, um was geht's in der Restitutionsfrage wirklich? Es fällt uns die legendäre Adele ein, es fällt uns vielleicht noch das eine oder andere Stück ein. Aber sonst?

Alfred Noll: Die Nationalsozialisten, insbesondere in Österreich über Seyß-Inquart, waren manische Kunstsammler. Sie haben tatsächlich etwas Pathologisches gehabt in diesem Wahn, alles Künstlerische auszusammeln, weil sie wahrscheinlich ihre Brutalität und ihren Zynismus und ihre Menschenverachtung in gewisser Weise auf diese Art zu kompensieren suchten. Das Schöne, das Gute, das war tatsächlich eine Sucht. Die Nationalsozialisten haben Kunstsammlungen systematisch geraubt und gestohlen wie kein anderes verbrecherisches Regime vorher. Sie haben dabei - als Fußnote sei dazugesagt: zum Glück - sehr systematisch gearbeitet und sie haben das relativ gut dokumentiert. Das macht den großen Unterschied zu anderen Vermögensgegenständen aus, die ebenfalls geraubt worden sind und nicht besser oder schlechter sind, nur einfach nach 60 Jahren kaum mehr dokumentierbar und auffindbar sind.

Das ist einer der Gründe, warum Kunstrestitution halt "geht", während in Hinblick auf andere Vermögensgegenstände des alltäglichen Lebens eine Naturalrestitution, das heißt die Rückführung des Gutes an die Berechtigten, kaum mehr geht, weil man sie nicht mehr findet. Das ist aber keine Sache, die darin begründet liegt, dass Kunst besser, wertvoller oder restitutionswürdiger wäre als andere Gegenstände. Es ist das Resultat von 60 Jahren Abstand und des Umstandes, dass man das halt dokumentiert hat.

Warten noch viele Dinge im künstlerischen Bereich der der Behandlung, oder ist man soweit, dass man ungefähr weiß, um was es geht?
Noll: Betreffend das Bundeseigentum weiß man, worum's geht, würde ich meinen. Betreffend dem Landes- und Gemeindeeigentum weiß man nur in wenigen Fällen, worum es geht, im Hinblick auf den Privatbereich weiß man gar nichts.

Was versteckt sich dahinter - bildende Kunst, Autografe?
Noll: Es sind alle Gegenstände, die landläufig unter dem Künstlerischen laufen, Bilder, Gemälde, Plastiken aber auch Gegenstände der so genannten angewandten Kunst. Wenn man ins Museum für angewandte Kunst schaut, dann findet man dort viele Dinge, die dort nicht hin gehören. Aber natürlich auch Autografen, Partituren und ähnliche Dinge.

Können Sie dem zustimmen, Frau Lessing?
Hannah Lessing: Ja. Im Entschädigungsfonds haben wir genau damit zu tun, dass wir diese Hausratsgeschichten entschädigen, Teppiche, et cetera, die nicht mehr nachvollziehbar waren. Wobei diese Teppiche teilweise wertvoller waren als Gemälde. Und in der Kunstrestitution haben wir jetzt eine Kunstdatenbank ins Netz gestellt, wo 10.000 Kunstgegenstände aufgelistet sind, die noch der Restitution harren. Das sind Gegenstände, die man zurückgeben möchte, wo man festgestellt hat, dass sie dubioser Provenienz sind.

Das heißt noch lange nicht, dass sie alle restitutionsfähig sind. Aber von den 10.000, die wir jetzt haben, sind 1900 schon eindeutig identifiziert. Wir versuchen über diese Datenbank Personen zu finden, die sagen: Das ist bei meiner Oma gehangen.

Wenn man über Restitution spricht, dann möchte man glauben, es sei in den Köpfen der interessierten Öffentlichkeit verankert. Herrscht Konsens in Österreich in dieser Frage?
Noll: Also auf der Ebene regierungsamtlicher Bekundungen sind wir Weltmeister. Im Bereich der Realisierung dessen, was allüberall bekundet wird, ist das Bildnis der Ambivalenz vorherrschend. Das Kunstrestitutionsgesetz von 1998 war ein wichtiger Schritt. Das wird jetzt wie ein Fähnchen der eigenen Betroffenheit und des eigenen moralisch-Seins und gut-Seins vor sich her getragen. Man vergisst aber dann dazu zu sagen, dass man das ja nicht freiwillig gemacht hat. Ich erinnere an die Beschlagnahme der "Wally" in New York. Es war erheblicher internationaler Druck, der Österreich erst dazu gebracht hat, ein Gesetz zu machen, das freilich wiederum den Betroffenen, den Erben, keine Rechte einräumt, sondern es vom Gutdünken und der Gnade der Republik abhängig macht, ob etwas restituiert wird. Damit ist nicht alles, aber eine ganze Menge gesagt, glaube ich.

Lessing: Ich habe das Glück, dass ich 1995 Chefin einer Organisation geworden bin, die auf Grund einer freiwilligen Entscheidung entstanden ist. Da gab es keine Sammelklagen, da gab es keinen Druck auf Grund beschlagnahmter Bilder. Das heißt wir haben damals einen Umgang mit den Betroffenen entwickeln können, der ein wirklich anderer war. Bei uns ist es nicht nur Bekundung, wir tun auch. Es ist auch so, dass im Kunstrestitutionsgesetz die Antragsteller kein Parteiengehör haben, et cetera; in allen Fonds, die ich verwalte, ist das aber so. Akteneinsicht gibt es, die Leute haben auch Parteienstellung und auch in der Schiedsinstanz, bei der Naturalrestitution für Häuser, ist das möglich. Das sind natürlich Gesetze, die nach dem Kunstrestitutionsgesetz entstanden sind, wo man halt heute rückblickend sagen kann: Ein epochales Gesetzt - aber auch epochale Gesetze könnten verbessert werden. Es gibt auch einen Initiativeantrag, der eingebracht worden ist, aber noch nicht behandelt worden ist. Man kann auch Gesetze nachbessern.

Noll: Wenn man über die Frage der Qualität des Kunstrestitutionsgesetzes redet, dann ist diese Bloch-Bauer- und Klimt-Sache ein gutes Beispiel, um die Schwächen dieses Gesetzes darzustellen. Wie erinnerlich, wurde die Rückgabe von fünf Klimt-Bildern ja nicht durch den Beirat entschieden - der hat die Rückgabe ja abgelehnt, sondern es ist ausschließlich dem Druck amerikanischer Gerichte geschuldet, dass hier ein Schiedsgericht eingesetzt wurde, das im Kunstrestitutionsgesetz gar nicht vorgesehen ist. Das zeigt schon, wie unzureichend diese gesetzliche Vorkehrung ist. Es wird spannend sein, jetzt mit anderen Mandanten ebenfalls ein Schiedsgericht zu fordern, wo der Beirat eine abschlägige Entscheidung getroffen hat.

Buch-Tipp
Gabriele Anderl und Alexandra Caruso (Hg.), "NS-Kunstraub in Österreich und die Folgen", Studienverlag, ISBN 3706519569

Links
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