Wohlstand dank Schattenwirtschaft

Ein Herz für Schwarzarbeiter

Durch Schwarzarbeit entgehen dem Finanzamt jährlich Milliarden. Viele Menschen haben dennoch Verständnis dafür. Zu diesen gehört auch Friedrich Schneider, prominenter Experte für Schwarzarbeit. Die Gründe legt er in seinem neuen Buch dar.

So einen Freund möchte man haben. Rolf S. ist ein richtig netter Typ. Außerdem kann er mit der Kreissäge ebenso gut umgehen wie mit dem Kochtopf, er kann Badezimmer fliesen, Lämmer schlachten, ein Segelboot überführen, Partys organisieren und VW-Busse in Wohnmobile verwandeln. Alles Dinge, die er tut, weil er sie gern tut, für sich, für seine Freunde und manchmal auch noch für deren Freunde.

Rolf S. ist ein exemplarischer Fall eines Schwarzarbeiters. Er wurde vor gut 20 Jahren im Alter von nur 39 Jahren aufgrund einer chronischen psychosomatischen Erkrankung in Frühpension geschickt. Nach einer erfolgreich absolvierten Therapie besann sich der ehemalige Sozialarbeiter auf seine handwerklichen und organisatorischen Talente und erledigte Arbeiten, die seine Bekannten entweder selbst nicht beherrschten oder die sie sich schlichtweg nicht leisten konnten.

Natürlich würde der Allrounder auch wieder legal arbeiten, doch das hätte für alle Beteiligten nur Nachteile. Seine Kunden müssten doppelt so viel bezahlen und ihm bliebe trotzdem weniger. Außerdem wäre aufgrund der - wie Rolf S. es nennt - "Regelungswut" gar nicht möglich, seine vielfältigen Dienste ordnungsgemäß anzumelden und als Gewerbe auszuüben. Für Friedrich Schneider, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Linz und prominentester Experte für Schwarzarbeit, sind dies klare Fehlleistungen der politisch Verantwortlichen.

Feindbild der Politik

Für Politiker ist es einfach, die Schwarzarbeit als Sündenbock für leere Kassen heranzuziehen. In Sonntagsreden und offiziellen Parteipapieren wird sie gern als Wurzel allen Übels bezeichnet. Ohne sie gäbe es Haushaltsüberschüsse, das Handwerk hätte wieder goldenen Boden und die Sozialkassen ausreichend Beiträge.

Diese Sicht der Dinge lässt allerdings völlig außer Acht, dass gut zwei Drittel der Mehrwertsteuer ausfielen, die Schwarzarbeiter entrichten, wenn sie die erforderlichen Vorprodukte und Rohmaterialien einkaufen oder wenn sie ihren illegal erhaltenen Lohn in der legalen Wirtschaft wieder ausgeben.

Offizielle Arbeit zu teuer

Eine gute Nachricht wäre die schrumpfende Schattenwirtschaft nur, wenn ihre Aktivitäten im gleichen Umfang in die reguläre Wirtschaft überwechselten, was etwa mit den in Deutschland eingeführten Minijobs zumindest teilweise gelungen ist. Doch wenn die Wirtschaftstätigkeit einfach nur entfällt, dann bedeute dies nicht weniger als die Senkung des Wohlstandes für uns alle.

Natürlich wäre es besser, wenn es keine Schwarzarbeit und keine Schattenwirtschaft gäbe. Aber das ist eine Illusion. Schwarzarbeit gibt es nämlich nicht deshalb, weil Millionen Menschen habgierig und charakterlos wären. Schwarzarbeit gibt es, weil die offizielle Arbeit für den Kunden zu teuer ist und der Nettolohn für den Arbeitnehmer zu niedrig.

Beseitigung der Ursachen gefordert

Friedrich Schneider hat aber nicht nur ein "Herz für Schwarzarbeiter", er hat auch konkrete Lösungsvorschläge. In einem 7-Punkte-Programm entwickelte er Strategien zur dauerhaften Senkung der Schwarzarbeit. Das Problem lasse sich weder mit Appellen oder Kontrollen bekämpfen, sondern ausschließlich mit der Beseitigung der Gründe, warum Menschen überhaupt schwarzarbeiten.

Grundsätzlich gilt für Schneider und Badekow: Die Schwarzarbeit ist zu beseitigen und nicht zu verfolgen. Wenn Unternehmen ökonomisch rational denken und ihre Produktion in Billiglohnländer verlagern, so wird das mit großem Bedauern hingenommen. Wenn aber Arbeitnehmer dem ökonomischen Reiz der niedrigeren Kosten und des höheren Profits folgen, werden sie für ihr Handeln gegeißelt.

Konstruktive Kommentare

Mit anschaulichen Beispielen, übersichtlichen Statistiken und kritischen, aber stets konstruktiven Kommentaren beschreibt Friedrich Schneider die Mechanismen des Alltagsphänomens, das zur größten Bewegung zivilen Ungehorsams wurde. Politiker aller Couleurs, die die Schlagworte Wachstum und Beschäftigung nicht nur in Wahlversprechen einfließen lassen, sei dieser in Buchform erschienene Beitrag zur Debatte ebenso dringend empfohlen wie Bürgern, die den Nachbarn anzeigen, weil der eine Putzfrau beschäftigt.

Die Schattenwirtschaft ist umso größer, je mehr die Politik versagt. Umgekehrt heißt das: Die Politik hat es auch in der Hand, die Schattenwirtschaft zu drosseln.

Hör-Tipps
Von Tag zu Tag, "Ausmaß, Entwicklung und wirtschaftliche Auswirkungen der Schattenwirtschaft", Mittwoch, 8. November 2006, 14:05 Uhr

Kontext, jeden Freitag, 9:05 Uhr

Download-Tipp
Ö1 Club-DownloadabonenntInnen können die Sendungen "Von Tag zu Tag" und "Kontext" jeweils nach der Ausstrahlung 30 Tage lang im Download-Bereich herunterladen.

Buch-Tipp
Friedrich Schneider & Helmut Badekow, "Ein Herz für Schwarzarbeiter. Warum die Schattenwirtschaft unseren Wohlstand steigert", Econ Verlag 2006, ISBN 3430200083