Eine der ältesten Formen der Unterhaltung

Die Kunst der freundlichen Täuschung

Schwebende Menschen, mysteriös die Farbe wechselnde Spielkarten oder sich verwandelnde Gegenstände versetzen seit Jahrhunderten die Massen in Staunen. Kultur- und Medienwissenschaftler haben nun die Geschichte der Lust am Getäuscht werden ergründet.

Die "Kunst der freundlichen Täuschung", wie die Zauberkunst gerne genannt wird, gehört zu den ältesten Formen der Unterhaltung. In den Kulturwissenschaften hat sie jedoch bislang nur wenig Berücksichtigung gefunden. Zauberei galt nicht gerade als respektabler Forschungsgegenstand, und auch die Quellenlage ist schwierig. Denn Zaubertricks leben vom Augenblick der Inszenierung, und Zauberkünstler geben ihre Geheimnisse meist nur mündlich weiter.

Ein Team von Kultur- und Medienwissenschaftlern rund um Brigitte Felderer und Ernst Strouhal hat nun gezeigt, dass sich bei einiger Suche ein reiches Bild- und Textinventar findet, das Auskunft über die historische Faszination an der Zauberkunst gibt. Das Archiv, das sie durchforstet haben, reicht von Werbezetteln von Zauberkünstlern bis hin zu Kampfschriften gegen die Zauberkunst - die sich nicht selten als versteckte Anleitungen zur Zauberei lesen lassen.

Zauberei im Zeitalter der Vernunft

Interessiert hat die Wissenschaftler vor allem die Epoche zwischen 1750 und 1850 - eine Zeit also, in der sich die Wahrnehmung der Zauberkunst durch den Siegeszug der Aufklärung und der modernen Naturwissenschaften radikal verändert.

"Für die Aufklärer war die Entlarvung der Zauberkunst eine wichtige Etappe auf dem Weg zur Vernunft", erklärt Brigitte Felderer: "Je mehr man über die Technik der Illusion wusste - und damit Vorstellungen von schwarzer Magie verabschieden konnte - desto klarer war auch, dass man sich nunmehr vernünftig durch die Welt bewegt."

Wissenschaft und Zauberkunst gingen jedoch noch länger gemeinsame Wege. "Die Präsentationsformen der Zauberkünstler, der Schausteller und der vazierenden Experimentatoren sind denen der frühen Wissenschaftler des 18. Jahrhunderts sehr ähnlich", erklärt der Kulturwissenschaftler Ernst Strouhal. "Man macht Experimente zum 'Vergnügen der Sinne'. Erst danach trennen sich die Wege: Auf der einen Seite bildet sich ein seriöser wissenschaftlicher Diskurs heraus. Auf der anderen Seite entsteht eine professionelle Zauberkunst, in der der Zauberer einen Magier spielt." Dass er wirklich zaubern kann, glaubt zu diesem Zeitpunkt niemand mehr. Man lässt sich bewusst täuschen und findet daran Vergnügen.

Impulse für die Entwicklung des Kinos

Das im 19. Jahrhundert mit immer ausgefeilteren Techniken arbeitende Zaubertheater inspiriert nicht zuletzt auch die Entwicklung neuer Medien - vor allem jene des Films. "Die ersten, die mit bewegten Bildern gearbeitet haben, waren Zauberkünstler. Der Wiener Zauberkünstler Ludwig Döbler etwa zählt zu den Pionieren des Kinos, weil er sehr früh mit Nebelbildern gearbeitet hat - angekündigt als 'scheinbare Zauberei'", sagt Felderer.

Der Reiz der Zauberkunst im 20. Jahrhundert

Das Aufkommen neuer Medien bedeutete jedoch keineswegs das Ende der Zauberkunst. "Viele Effekte, die Medienkünstler heute verwenden, sind denen der Zauberkünstler des 18. und 19. Jahrhunderts sehr ähnlich", meint Strouhal. "Auch sie waren Hightech-Künstler."

Zugleich, so Strohal, bleibe etwas an der Zauberkunst, was sie bis heute faszinierend macht: Die persönliche Anwesenheit des Vorführers, der mit dem Publikum direkt interagiere. Das, wie auch der Reiz der Einfachheit, der von alten, aber nach wie vor wirksamen Zaubertricks ausgeht, dürfte der Zauberkunst auch weiterhin ihr Publikum sichern.

Download-Tipp
Ö1 Club-DownloadabonnentInnen können die Sendung "Dimensionen-Magazin" vom Freitag, 3. November 2006, 19:05 Uhr zum Thema Zauberei nach der Ausstrahlung 30 Tage lang im Download-Bereich herunterladen.

Buch-Tipp
Brigitte Felderer, Ernst Strouhal (Hg.), "Rare Künste. Zur Kultur- und Mediengeschichte der Zauberkunst", Springer ISBN 103211333851

Veranstaltungs-Tipp
Symposion zur Geschichte und Theorie der Zauberkunst, Präsentation des Buches "Rare Künste. Zur Kultur- und Mediengeschichte der Zauberkunst" und der Arbeiten und Konzepte der Studierenden der Universität für angewandte Kunst aus dem Seminar "Designs of Illusion", Donnerstag, 9. November 2006, 18:00 Uhr, Schönlaterngassse 5, 1010 Wien

Links
Wienbibliothek - Ausstellung "Rare Künste"
Universität für Angewandte Kunst - Kunst- und Kultursoziologie