Wirtschaftliche Folgen des Irak-Konflikts

Die wahren Kosten des Krieges

Im März 2003 begannen die USA den Krieg gegen den Irak. Über die Kosten dieses Krieges hat man sich damals zu wenige Gedanken gemacht, meint der US-Ökonom und Nobelpreisträger Joseph Stiglitz. Nun hat er ein Buch darüber herausgebracht.

Der Entschluss, überhaupt in den Krieg zu ziehen, beruhte auf falschen Prämissen, meint Joseph Stiglitz. Unter anderem wurde vor mehr als fünf Jahren vonseiten der US Regierung behauptet, es gäbe eine Verbindung zwischen Saddam Hussein und den Anschlägen vom 11. September.

Falsche Geheimdienstinformationen führten zu der Behauptung, der Irak besitze Massenvernichtungswaffen, obgleich Inspektoren der Internationalen Atomenergieorganisation zum gegenteiligen Ergebnis gekommen waren. Viele behaupteten, der Krieg wäre rasch vorüber und die Demokratie würde im Irak eine Blütezeit erleben. Und schließlich wurde die Ansicht vertreten, der Krieg werde nur wenig kosten und sich selbst finanzieren.

"Kleinkarierte Ökonomen"

Vor zwei Jahren schon präsentierte Joseph Stiglitz einen wissenschaftlichen Artikel über die Kosten des Kriegs im Irak. US-Präsident George Bush reagierte darauf mit der Bemerkung, dass man nicht auf der Basis von Rechnungen kleinkarierter Ökonomen in den Krieg ziehen kann.

"Wenn man angegriffen wird, wie in Pearl Harbor, wartet man natürlich nicht kleinkarierte Kalkulationen ab, aber das Irak-Projekt war lange vorbereitet und wenn eine Entscheidung zum Krieg getroffen wird, sollte man die Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs kennen und eine grobe Kalkulation der Kosten vor sich haben", entgegnet dem Stiglitz.

Schlechter als zu Husseins Zeiten

Der Irakkrieg sei ein schrecklicher Fehler, heißt es in "Die wahren Kosten des Krieges", denn es sind fast 4.000 Soldaten gefallen, über 58.000 wurden verwundet und 100.000 US-Soldaten sind mit schweren psychischen Störungen aus dem Krieg heimgekehrt.

So erbärmlich das Regime von Saddam Hussein auch gewesen sein mag, hat sich der Lebensalltag für die Iraker heute jedoch weiter verschlechtert. Viele Straßen, Schulen, Krankenhäuser, Wohnhäuser und Museen des Landes wurden zerstört, und die Strom- und Wasserversorgung ist heute schlechter als vor dem Krieg. Ethnisch und religiös bedingte Gewalt grassiert.

Das 60-fache der anfänglichen Schätzung

Von offizieller Seite veröffentlichte Schätzungen über die Kosten der Kriege im Irak und in Afghanistan betrugen zu Beginn des Krieges 50 Milliarden Dollar, später dann 500 Milliarden Dollar. Jospeh Stiglitz behauptet, es seien 3 Billionen Dollar, das 60-fache der anfänglichen Angaben der US-Regierung also. "Die Rechnungen der US-Regierung berücksichtigen lediglich die nächsten zehn Jahre", stellt Stiglitz fest. "Den größten Teil der Kosten machen aber die Zahlungen für arbeitsunfähige Soldaten und die medizinische Versorgung der Heimkehrenden aus."

Die ausgewiesenen Kosten belaufen sich auf 12 Milliarden Dollar monatlich. Die Schätzungen von Joseph Stiglitz und seiner Co-Autorin Linda Bilmes ergeben das Doppelte. Zu den monatlichen Kosten zählen Benzin, Fahrzeug-Reparaturen, Munition, Bomben und Löhne der Soldaten und des privaten Sicherheitspersonals. Die Auslagerung von Soldaten habe die Kosten massiv in die Höhe getrieben, so Joseph Stiglitz: "Die Löhne der Söldner sind um ein Vielfaches höher als jene der US-Truppensoldaten."

Kampf der Kulturen gefördert

Die Kosten der Kriege hat der ehemalige Chefökonom der Weltbank für die USA und Großbritannien kalkuliert. Die Kosten für Afghanistan und den Irak versucht Stiglitz auf Basis vorhandener Studien in ihrer Dimension zu erfassen.

Es gibt einen weiteren Kostenfaktor, der letztlich der Wichtigste sein könnte. Der Irakkrieg hat zu einem "Kampf der Kulturen" beigetragen, dem verbreiteten Gefühl, es gebe einen neuen Kreuzzug gegen den Islam. Viele im Nahen Osten glauben, die Amerikaner verfolgten im Rahmen eines 'neuen Kreuzzugs' die Strategie, Differenzen zwischen den Sunniten und den Schiiten zu schüren. Unabhängig davon, auf welche Faktoren sich solche Vermutungen stützen, hat der Irakkrieg zweifellos Feindseligkeiten verstärkt, die noch Jahre für Konflikte sorgen dürften.

Steuern gesenkt statt erhöht
Aber auch rein ökonomisch seien die Konsequenzen auf globaler Ebene gravierend. Eine offenkundige Folge sei der Anstieg des Ölpreises. Der Preis ist von 25 Dollar pro Barrel vor dem Beginn des Krieges tatsächlich auf 135 Dollar pro Barrel gestiegen. Für den Anstieg des Ölpreises aber ausschließlich den Irak-Krieg verantwortlich zu machen, ist unter Ökonomen umstritten. Der Ölpreisanstieg sei aber ohnehin nur eine der makroökonomischen Auswirkungen des Krieges, meint Joseph Stiglitz. Man hätte das Geld besser in den USA investieren sollen und so die Wirtschaft stimulieren können. Die Immobilienkrise sei daher auch eine Folge des Irakkriegs, so Joseph Stiglitz.

Der Irak-Krieg sei anders als alle anderen Kriege, ist der Wirtschaftsnobelpreisträger überzeugt, denn es gab vor dem Einmarsch keine Diskussionen über die Finanzierung.
"Normalerweise ziehen jungen Männer und Frauen in den Krieg und alle anderen teilen das Leid im ökonomischen Sinn - indem sie höhere Steuern zahlen", so Stiglitz. "Die Bush-Administration hat aber zu Kriegsbeginn die Steuern gesenkt. Dies ist der erste Krieg seit dem amerikanischen Unabhängigkeitskrieg von 1775, der mit einem Budgetdefizit begann und daher mit geliehenem Geld finanziert wird. Und China ist natürlich einer der wichtigsten Financiers unseres Budgetdefizits." Man könne, so Stiglitz, also behaupten, dass China den Irak-Krieg finanziert.

Ausführliche Erklärungen zu Hintergründen

Nach Lektüre des Buchs von Joseph Stiglitz und Linda Bilmes weiß man über den Irakkrieg und seine Hintergründe ausführlich Bescheid. "Die wahren Kosten des Krieges" ist voller Details und trotzdem angenehm zu lesen. Besonders durchdacht und anregend ist das Kapitel über den Abzug aus dem Irak, in dem infrage gestellt wird, ob es sinnvoll ist, so lange im Irak zu bleiben, bis der "Auftrag ausgeführt" ist. Die USA hätten Angst davor, ihr Standing als mächtige Nation zu verlieren, würden sie zu früh abziehen.

Joseph Stiglitz und Linda Bilmes beziehen klar Position, argumentieren schlüssig und für jeden verständlich. Und sie geben 18 Reformvorschläge für eine bessere Zukunft ab. Vor dem Anhang ist der Brief von George W. Bush an den Vorsitzenden des Repräsentantenhauses abgedruckt, in dem er verspricht, das außerordentliche Budget nicht langfristig zu belasten. Auch der lohnt, gelesen zu werden.

Hör-Tipp
Kontext, jeden Freitag, 9:05 Uhr

Buch-Tipp
Joseph Stiglitz, "Die wahren Kosten des Krieges. Wirtschaftliche und politische Folgen des Irak-Konflikts", aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Thorsten Schmidt, Pantheon Verlag

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