Weiße Studenten im Township der Schwarzen
Ein Kindergarten für das Township
Architekturstudenten der Kunstuni Linz bauen im Township Orange Farm im Süden von Johannesburg in einer Art Niemandsland einen Kindergarten. Mit eigenen Händen und mit ziemlichem Engagement. Die Bedingungen könnten viel härter nicht sein.
8. April 2017, 21:58
Johannesburg liegt auf Platz eins der Rangliste der gefährlichsten Städte der Welt. Hier passieren mehr Morde als tödliche Verkehrsunfälle. Trotzdem hat es sich eine Gruppe von Architekturstudenten der Kunstuniversität Linz nicht nehmen lassen, hier im Township Orange Farm einen Kindergarten zu bauen.
Schmuckes kleines Gebäude
Eine Stunde fährt man von der Jugendherberge bis zur Baustelle. Das Land ist flach, leer, kaum Bäume. Die wenigen Menschen am Straßenrand sind ausschließlich schwarz. Bald tauchen die ersten Wellblechhütten auf. Berge von Mist dazwischen. Die Shags von Orange Farm. Auch hier: ein Zaun aus Maschendraht.
Dahinter allerdings keine Hütte, kein Shag. Hier steht ein wirklich rassiges, nicht zu kleines Gebäude. Mit seiner Rechtwinkeligkeit, mit einem schönen Fachwerkdach und kleinen frechen Gucklöchern wirkt es zwischen all den armseligen Hütten rundherum, als ob ein UFO gelandet sei.
Und - zugegeben: Auch die Studenten, die an allen Ecken und Enden des Hauses verputzen, schrauben, nageln, fallen krass aus dem Bild. Weiße, die sich im zu 100 Prozent von Schwarzen bewohnten Township die Hände dreckig machen.
Teilweise mit Sponsoring finanziert
Einen Großteil der 45.000 Euro Baubudget haben die Studenten selbst via Sponsoring aufgestellt, knapp ein Drittel davon stammt von der österreichischen NGO Sarch. Die steht für "social sustainable architecture", wurde von Christoph Chorherr gegründet und hat in den vergangenen Jahren in Orange Farm bereits mehrer Studentenprojekte initiiert und mitfinanziert.
Um die 100.000 EUR wären notwendig gewesen, um das Gesamtprojekt umzusetzen. Von den geplanten vier Gruppenräumen wurde derweil nur einer fertig gestellt, doch die Kern-Infrastruktur wie Küche, Toiletteanlagen, Spielplatz und überdachter Vorraum, die steht.
Begegnung mit Menschen
Der beste Teil der Arbeit - und darüber sind sich alle einig - ist die Erfahrung mit den Menschen im Township. Bongani, zum Beispiel, ist Elektriker und einer der wichtigsten Helfer auf der Baustelle. Er wird von den Studenten für seine Arbeit natürlich bezahlt, schiebt aber immer wieder freiwillig lange Überstunden: "In unserem Land fehlt es an so vielem. Wir kennen unseren Job, wir wissen, wie man die Dinge anpackt, aber die Studenten haben uns neue Lösungen gezeigt, oder wie's einfacher geht."
Bongani ist Mitte 30, wie viele hier ist er streng gläubig, den gesamten Sonntag verbringt er mit seiner Familie in der Kirche. Die Studenten, so meint er, seien ihm Brüder und Schwestern geworden: "In unserem Land - zwölf Jahre nach der Apartheid - haben die Weißen immer noch Angst, in die Townships zu kommen. Darum sind die meisten Leute hier so überrascht, wenn sie Weiße sehen. Jeder grüßt sie, jeder heißt sie willkommen."
Kindergärtnerin Tamby
Die Kindergärtnerin heißt Tamby. Sie ist um die 30 Jahre alt und hat den Kindergarten vor vier Jahren in einer recht wackligen, finsteren Wellblechhütte gegründet. Die Eltern müssen für die Unterbringung der Kinder selbst aufkommen: "Sie zahlen, aber wenig, gerade 80 Rand", sagt sie. "Dafür muss ich Frühstück und Mittagessen für die Kinder bereit stellen, und zum Beispiel Taschentücher, Spielzeug und Unterrichtsmaterialien kaufen." Tamby wohnt neben der Baustelle. Das Grundstück, auf dem der Kindergarten entsteht, gehört ihr.
In der Zwischenzeit ist wieder einmal irgendein Baumaterial ausgegangen, man fährt in den lokalen Baumarkt, wo man als Stammkundschaft ebenfalls schon Freundschaften geschlossen hat. Doch so freundlich und, ja, warmherzig viele Begegnungen sind: Die Gefahr, doch unfreundlichere Bekanntschaften zu machen, die bleibt. Während Gregor und Dani Farbe kaufen, wird ihr Auto am Parkplatz aufgebrochen, und in der Zeitung ist zu lesen, dass in der Innenstadt von Johannesburg bei einem Raubüberfall sieben Leute starben. Doch mit der latenten Gefahr, sagt Isi, lernst du mit der Zeit umzugehen.
Gutes auf Gegenseitigkeit
Am Ende des langen, anstrengenden Abenteuers steht die Frage unbeantwortet, wer hier wem Gutes getan hat - und was letztlich schwerer wiegt: Das schönes Haus für die Kinder oder die zwischenmenschlichen Berg- und Talfahrten der Studenten und der Menschen in Orange Farm.
Die jungen Leute selbst sehen ihr Engagement durchaus kritisch. Obwohl sie natürlich auf das Geleistete zu Recht stolz sind. Doch das Gefühl, hier für eine Einzelperson, nämlich die Kindergärtnerin Tamby, einen Kraftakt gestemmt zu haben, bleibt unbefriedigend. Denn ob sie nun die Preise für die Kinder anheben wird, bleibt eine unbeantwortete Frage.
Hör-Tipp
Diagonal, Samstag, 4. November, 2006, 17:05 Uhr
Link
Architekturzentrum Wien - Bottom up