Der teuerste Fisch der Welt
Raubzug
Bruce Knecht schildert in seinem Buch "Raubzug" zum einen die wochenlang andauernde Verfolgungsjagd nach Piratenfischern in den Polarmeeren und zum anderen die Erfolgsgeschichte des mittlerweile vom Aussterben bedrohten Schwarzen Seehechts.
8. April 2017, 21:58
Südlicher Indischer Ozean, 7. August 2003, ein paar Minuten nach Sonnenaufgang. Scott Webb, einer der beiden Fischereiinspektoren der "Southern Supporter", entdeckte im Dunst unter tief liegenden Wolken einen kleinen roten Fleck. Was er erblickte, sah wie ein Langleinenfischer japanischer Bauart aus.
Ein Schiff in den Gewässern um Heard Island kann nur eines bedeuten: illegaler Fischfang. In diesen Gebieten ist eine der weltweit größten Populationen des Schwarzen Seehechts anzutreffen. Der Zollbeamte und Patrouillenleiter Stephen Duffy gibt Befehl, erst einmal abzuwarten. Da aber das Schiff mit dem Namen "Viarsa" die ganze Nacht kaum vorangekommen ist, hegt er den Verdacht, dass die Fischer eine Langleine eingeholt hätten. Was die Crew der "Southern Supporter" jetzt braucht, sind Beweise. Ist der Fang erst einmal in der Bordfabrik verarbeitet und eingefroren, ist es schier unmöglich, die Herkunft der Fische nachzuweisen.
Star der Schickeria-Küche
Der amerikanische Autor Bruce Knecht schildert in seinem Buch "Raubzug" zum einen die wochenlang andauernde Verfolgungsjagd nach Piratenfischern in den Polarmeeren und zum anderen die Erfolgsgeschichte des mittlerweile vom Aussterben bedrohten Schwarzen Seehechts.
Geniale Vermarktungsstrategien machten diesen zuerst wenig beachteten Tiefseefisch zum "weißen Gold" der Antarktis. Innerhalb weniger Jahre avancierte der Schwarze Seehecht zu einem der begehrtesten und teuersten Fische der gehobenen Schickeria-Küche.
Piratenschiff als schwimmende Fabrik
Die Raubfischer aus Uruguay liefern sich ein gnadenloses Katz- und Mausspiel mit den australischen Zollbeamten. Tausende Kilometer durch die gefährliche Welt der Eisberge riskiert die Crew der "Southern Supporter" alles, um im Kielwasser der "Viarsa" zu bleiben. Aber diese gibt nicht auf.
Die "Viarsa" gleicht weniger einem Fischerboot als einer schwimmenden Fabrik. Neben modernster Sonar-Technik, mit der die Fischbestände schnell und präzise geortet werden können, verfügen diese Schiffe über Verarbeitungs- und Verpackungsanlagen, sowie über große Kühlsysteme. Die effektivste Fangmethode ist jene des Langleinenfischens. Eine volle Langleine hat bis zu 200 Nebenleinen mit jeweils 76 Haken; das entspricht einer Gesamtlänge von 26.000 Metern.
Politisches Netzwerk
Am 27. August 2003, nach wochenlanger gnadenloser Jagd, konnte das australische Zollfahndungsteam unter der Leitung von Stephen Duffy die "Viarsa" entern und das Kommando über sie erlangen. An Bord der "Viarsa" fand man 96 Tonnen Sardinen, die als Köder für den Schwarzen Seehecht dienen.
Elf Monate später begann ein Gerichtsverfahren in Perth, bei dem Ricardo Cabrera, Kapitän der "Viarsa", und Antonio Perez, ein berüchtigter Piratenfischer, den Gerichtssaal als freie Männer verließen. Das bis in politische Kreise gut strukturierte Netzwerk des illegalen Fischfangs wurde den Verfolgern wohl zum größten Gegner.
Drastischer Schwunder der Fischbestände
Neben dem Schwarzen Seehecht stehen immer mehr Fischbestände kurz vor dem Zusammenbruch. Die Welternährungsorganisation FAO schätzt, dass mittlerweile 75 Prozent der kommerziell genutzten Fischarten überfischt sind oder am Rande der Überfischung stehen. Vor allem in den Meeren der Nordhalbkugel wird die Situation immer prekärer. Durch immer effizientere Fangtechniken schwindet der Fischbestand in diesen Meeren drastisch; er hat keine Chance, sich zu erholen.
Es ist also kein Wunder, dass der lukrative Fischfang sich ins Südpolarmeer, rund um die Antarktis verlagert hat. Internationale Umweltorganisationen warnen vor drohenden Umweltkatastrophen. Wenn von politischer Seite nicht bald Gesetzesänderungen kommen, werde die Überfischung der Weltmeere einen Wandel der gesamten Meeresumwelt verursachen.
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Kontext, jeden Freitag, 9:05 Uhr
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Buch-Tipp
G. Bruce Knecht, "Raubzug. Der teuerste Fisch der Welt und die Jagd nach seinen Jägern", aus dem Amerikanischen übersetzt von Harald Stadler, Marebuchverlag, ISBN 3936384290