Ein interreligiöser Überblick über Zwischenwesen

Von Engeln, Schutzgeistern und Lichtgestalten

Engel sind Zwischenwesen, die einerseits Zutritt zur Sphäre des Göttlichen haben, aber andererseits auch zur Menschenwelt. Obwohl man sie eigentlich nicht sehen kann, treten sie doch immer wieder in Erscheinung, und zwar in allen Religionen.

Was sind Engel?

Engel sind Zwischenwesen, und obwohl man sie nicht sehen kann, sind sie überall präsent - neben jüdischen, christlichen und islamischen auch in volkstümlichen Überlieferungen. Meistens sind sie dort zu finden, wo Interessenskonflikte vorherrschen.

Auch im Buddhismus und Hinduismus sind sie als Wesen zu finden, die für Menschenaugen nur im Ausnahmefall sichtbar sind, aber sich helfend - manchmal auch störend - in das Treiben der Menschen einmischen.

Hilfsgötter

Engel gehören in der hebräischen Bibel zur Aura Gottes. Die historisch-kritische Bibelexegese hat gezeigt, dass diese Engel auf mesopotamische Götter zurückgehen, die als "Hilfsgötter“ den großen Göttergestalten zugeordnet wurden.

Einer der vielen Götter, die von den Völkern des alten Orients verehrt werden, ist Jahwe - doch für das Volk Israel kristallisiert sich Jahwe immer mehr als der eine und einzige Gott heraus. Jahwe wurde als Jahwe Zebaoth, als Feldherr und König der himmlischen Heerscharen angesehen - ein Titel, den Gott bis heute in den Texten der Liturgie behalten hat. Gleichzeitig gab es aber auch heftige Kritik am Glauben an die Engel, und in vielen Büchern der hebräischen Bibel ist keine Rede von Engeln.

Gute und böse Wesen

Neben den hilfreichen Engeln kennt die hebräische Bibel auch bösartige Gestalten, die gestürzten Engel, deren Anführer Luzifer ist. Diese Zweiteilung findet sich auch im Buddhismus. Hier vertritt Mara die Stelle des Bösen. Mara steht für den leidvollen Zusammenhang von Tod und Wiedergeburt, in dem alle Wesen gefangen sind - sowohl die Menschen, als auch die Tiere, die Götter, die hungrigen Geister und die Bewohner der Hölle.

Der Kreislauf des Sterbens und Wiedergeboren-Werdens spielt sich in den so genannten "Sechs Welten" ab, von denen eine von "hungrigen Geistern“ und eine andere von "streitbaren Dämonen“ bewohnt wird. Ein rechter Lebenswandel, die Praxis der Achtsamkeit und andere Meditationspraktiken helfen den Menschen und letzten Endes auch den Dämonen und Geistern, aus dem Rad des Werdens zu erwachen. Doch das ist ein hohes Ziel, nach dem nicht alle Buddhisten streben. Denn auch in buddhistischen Ländern geht es den Menschen zuerst einmal ums Überleben und dann auch ums gute Leben. Da können gute Geister helfen und böse schaden.

Schutzgeister und Schutzengel

Es gibt aber auch buddhistische Schutzgeister, die einen höheren Status haben und die in den Tempeln durch Statuen repräsentiert werden. Sie leben im Tushita-Himmel, einer Art Paradies, wo sie auf die Ankunft des nächsten Buddhas warten. Unter ihnen spielt Indra, ursprünglich ein Gott der Hindus, eine wichtige Rolle.

Daneben gibt es auch nationale Schutzgeister: In Myanmar, dem ehemaligen Burma, hat z. B. jede der 36 alten Provinzen einen Schutzgeist; und in Bangkok residiert im Tempel des königlichen Palastes der Smaragdbuddha, eine Buddhastatue aus dem 13. Jahrhundert, die nationale Schutzgottheit Thailands, die je nach Jahreszeit verschieden bekleidet wird, und zu der die Menschen mit allen möglichen Anliegen kommen.

Ähnliche Ideen haben sich im antiken Judentum entwickelt: Jedes Volk hat einen eigenen Engel, und daraus entstand später die Idee, dass jeder einzelne Mensch einen Engel hat, der auf ihn aufpasst und sozusagen sein persönlicher Repräsentant bei Gott ist - der Schutzengel.

Die Hierarchie zwischen Himmel und Erde

Auch im Neuen Testament, das ohne den Hintergrund der hebräischen Bibel nicht zu verstehen ist, spielen die Engel eine wichtige Rolle: Jesus etwa wird mit einem der Namen des Engels des Volkes Israel belegt, denn der Titel "Menschensohn" bezeichnet in der jüdischen Apokalyptik den Engel, der Israel am Ende der Welt vor Gottes Thron vertritt. Engel verkünden auch den Hirten auf dem Feld die Geburt Jesu, sie verkünden die Auferstehung Jesu. Sie treten auf, um das Reich Gottes und den Sieg des Lebens über den Tod zu bezeugen.

Die Flügelwesen, denen man in mittelalterlichen Kirchen und alten Bildern begegnet, stehen für eine Weltsicht, in der es eine klare Hierarchie zwischen dem Himmel und der Erde gibt. Beide - Himmel und Erde - sind Geschöpfe Gottes, doch Menschen wissen nur über die Erde gut Bescheid - und deswegen schließen Menschen vom Irdischen auf das Himmlische.

Islamische Lichtgestalten

Im Islam gehört der Glaube an die Engel zum Fundament. Die Offenbarung des Koran an den Propheten Mohammed geschieht durch die Vermittlung des Engels Dschibril; das ist die arabische Aussprache für Gabriel. Er ist nach islamischer Vorstellung kein freundlich lächelndes Wesen, sondern eine mächtige Lichtgestalt - so groß, dass er mit einem seiner sechs Flügel die Sonne verdeckt, und der Prophet vor Schreck in Ohnmacht fällt.

Jeden Menschen begleiten nach muslimischer Vorstellung zwei Engel, einer rechts, der die guten Taten aufschreibt, und einer links, der die schlechten Taten notiert. Der gefallene Engel Iblis ist die Verkörperung des dämonisch Bösen. Daneben gibt es auch noch die Dschinn - Geister, die manchmal gutmütig, manchmal auch bösartig sein können. Der Ort der Engel ist der Himmel, von wo aus sie in Gottes Auftrag gelegentlich zur Erde kommen. Einige Engel allerdings befinden sich in der Hölle, da sie die Aufgabe haben, die Höllentore zu bewachen.

Engel aller Ränge

Ähnlich wie im Christentum haben auch die islamischen Theologen viel über die Engel diskutiert, vor allem über ihre Sündenfreiheit. Die Menschen stehen nach islamischer Auffassung über den Engeln. Menschen haben wie die Tiere Leidenschaften und wie die Engel Vernunft. Ein Mensch, der am Weg Gottes bleibt, steht daher über den Engeln, weil er seine Triebe zähmen muss.

Auf Erzengel Gabriel soll übrigens das islamische Bilderverbot zurückgehen - denn Engel betreten nach einem Hadith, einer außerkoranischen Überlieferung kein Haus, in dem Bilder und Hunde sind. Der Erzengel Michail ist zuständig für ein Teilung der Zeit in Nacht und Tag. Andere Engel sind für das Gericht über die Toten zuständig. Engel aller Ränge haben vielfältige Aufgaben: Sie preisen Gott, beschützen die Gläubigen im Kampf, und wer ein Amulett mit einem Engelsnamen trägt, wird von ihnen beschützt.

Die verkehrte Welt der Dschinn

Neben den Engeln gibt es dämonische Geistwesen, die Dschinn, die zum Teil auch im Koran erwähnt sind und auf vorislamische Zeiten zurückgehen. In Syrien z. B., wo der Ethnologe Gebhard Fartacek von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften geforscht hat, glauben nicht nur die Muslime, sondern auch die Christen an die Dschinn. Die Welt der Dschinn ist sozusagen eine "verkehrte Welt“. Dschinn haben einen senkrechten Mund, die Frauen sind behaart wie Menschen-Männer, die Männer dagegen unbehaart wie Menschen-Frauen usw.

Die Dschinn sind Wächter des Gewohnheitsrechts und der Tradition. Sie strafen jene, die die kulturellen Schätze Syriens plündern wollen, aber auch jene, die nach neoliberalem Muster nur an sich selbst denken, statt an die Gemeinschaft. Sie sind eine wichtige Instanz im Zeitalter der Globalisierung. Denn in den Gesprächen über die Dschinn wird die gegenwärtige Weltsituation debattiert.

Download-Tipp
Ö1 Club-DownloadabonnentInnen können die Sendung "Imago" vom Mittwoch, 1. November 2006, 0:08 Uhr zum Thema Engeln nach Ende der Ausstrahlung 30 Tage lang im Download-Bereich herunterladen.

Link
Wikipedia - Engel