Literatur nach Ceaucescu

Rumänische Grotesken

Schweigen, Weinen oder Lachen sind drei Möglichkeiten, mit einer schmerzenden Vergangenheit fertig zu werden. In Rumänien hat man sich offensichtlich für das Lachen entschieden, um die Zeit des Großen Diktators und die Folgen zu bewältigen.

Rumäniens vergangenes Jahrhundert war grausam - was nicht heißt, dass die Jahrhunderte davor besser gewesen wären. Besonders die kommunistische Zeit sitzt den Menschen noch in den Knochen. Die beständige Furcht, das dauernde Auf-der-Hut-sein, der nie endende Kampf ums Weiterleben hat Spuren hinterlassen. Man hat sich Schutzmechanismen zurechtgelegt, die man nun, in der relativ freien Zeit, in der postkommunistischen Gesellschaft, nicht mehr los wird.

Aber während der "normale Bürger", die "normale Bürgerin" Rumäniens schön langsam zur Besinnung kommt, aufatmet, realisiert, dass der Zwang verschwunden ist, hat sich schon längst etwas Neues breit gemacht, ein neuer Unterdrücker, der mit neuen Mitteln kriegt, was er will: nämlich mit Geld. Was kann man also tun, wenn man nicht in Depressionen verfallen will? Richtig: lachen.

Das Lachen überwiegt

Dan Lungu lehrt die Rumänen wieder das Lachen. Und es ist nicht das Lachen der Schadenfreude, eher das Lachen über sich selbst. Lachen im Sinn von "Du meine Güte, waren wir blöd!" oder: "Was, das haben wir mit uns machen lassen?" überwiegt. In seinem Roman "Das Hühnerparadies" führt er seine Leser in eine Vorstadtstraße, zu den Rentnern und Hausfrauen, für die Klatsch und Tratsch der einzige Zeitvertreib ist.

Während die Frauen ihre Vermutungen über die Wirklichkeit in den jeweiligen Küchen und Vorgärten austauschen, finden sich die Männer in einer heruntergekommenen Bar zusammen, die "Der zerknautschte Traktor" heißt. Dort geht's darum, ob es jetzt besser ist als früher, oder ob man nicht doch Ceausescu nicht verjagen hätte sollen - was dann so regelmäßig zu Prügeleien führte, dass dieser Name, der mit C. beginnt, in der Bar zum zerknautschten Traktor tabu ist.

Nachdenken über das, was passiert ist

Dan Lungu lehrt auch das Lachen über das Jetzt. Über die selbstbewusste Nena, die eigentlich Silvia heißt und auf dem Trip nach oben ist, natürlich auf dem Umweg über männliche Bekanntschaften, und nichts dabei findet, ihre seit der Kindheit armlose Freundin um Geld anzuschnorren. Über den klassen Typen, der nichts anderes zu tun hat, als über seine Vergangenheit nachzudenken. Und über die Clique, die nach dem Gymnasium auseinanderging. Oder über den Juppy, der (zu Recht) meint, für Geld alles haben zu können.

Ein Spiegel der Gesellschaft? Ausgerechnet von einem, der sich von "der Gesellschaft" absetzte, sich abgrenzte von den literarischen Ex-Kadern in der Hauptstadt, und in der Provinz, nämlich in der Universitätsstadt Iasi an der Grenze zu Moldawien, Gleichgesinnte um sich scharte.

"Club 8" nennen sich die literarischen Rebellen, die sich vor elf Jahren gefunden haben, um Nachdenken über das, was passiert ist, wieder salonfähig zu machen - abseits vom Bukarester Mediensumpf. Und mit einer bemerkenswerten Lust an der Sprache. An der Sprache der Provinzler, der Jungen, der Juppys, der Tratschweiber, und auch an der der Pseudo-Intellektuellen.

Nichts als Gerüchte?

Was Dan Lungu über sein Land denkt? "Ich glaube, dass sich die Öffentlichkeit in Rumänien im Zustand der Rekonstruktion befindet", erzählte er in einem Interview. "Wir hatten keine Öffentlichkeit bis zum Fall des Kommunismus. Es war eine kontrollierte Öffentlichkeit, es war die Öffentlichkeit des Egos von Ceausescu. Und dann, mit gerade mal zwei Stunden Fernsehen am Tag, liegt es auf der Hand, dass es viele Geschichten gibt. Damit du dich informieren kannst, damit du mit dem anderen kommunizieren kannst, bist du auf das Gerücht angewiesen." Was an eine alte Römerweisheit erinnert. Die meinten nämlich: Non semper errat fama, grob übersetzt: Manchmal stimmen Gerüchte.

Service

Dan Lungu, "Das Hühnerparadies. Ein falscher Roman aus Gerüchten und Geheimnissen", Residenz Verlag

Dan Lungu, "Klasse Typen", Drava Verlag

Deutschlandfunk - "Hühnerparadies"
NZZ online - Literaturrebellen im Banat
perlentaucher.de - Streifzug durch die junge rumänische Literatur

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