Wo bleibt das Recht des Kindes auf Unterhalt?
Im Stich gelassen
Alleinerziehende tragen nicht nur die Verantwortung, sondern oft auch die Kosten alleine. Eine Plattform zur Sicherung des Kindesunterhalts kämpft gegen die gesetzliche Schieflage an, die meist Mütterr in finanzielle Probleme bringt.
8. April 2017, 21:58
Heidemarie Mahler zur Situation von Einfamilien
Laut einer Umfrage der österreichischen Plattform für Alleinerziehende erhalten bis zu 17 Prozent der Alleinerziehenden keine finanzielle Unterstützung für ihre Kinder - weder vom Kindesvater noch vom Staat. Die Armutsfalle ist vorprogrammiert.
Seit einem Jahr kämpft diese Plattform bereits gegen die gesetzliche Schieflage an, die meist Mütter in finanzielle Probleme bringt. Bisher vergeblich!
Eine Mutter erzählt
Ursula N. lebt an der Armutsgrenze. Ihre Geschichte ist die von vielen Frauen. Sozialisiert in den 1970er Jahren als "Heimchen am Herd, wie sie selber sagt, hat sie sich der Erziehung ihrer drei Kinder gewidmet und ihren beruflichen Werdegang vernachlässigt. Sie ist Künstlerin, und war sehr aktiv, bevor sie ihre Kinder bekam. Ihr Mann verdiente sehr gut; von ihm fühlte sie sich zur Hausfrauenrolle ermutigt. Das fällt ihr heute auf den Kopf. Denn nachdem sich die Ehe nach über zehn Jahren verschlechtert hatte, reichte Ursula N. die Scheidung ein - mit Bauchweh im Hinblick auf die mangelnde finanzielle Absicherung: "Ich kann mich mit meinen Bildern über Wasser halten, aber ich kann keine zwei bis drei Kinder ernähren, wusste sie schon damals. Die älteste Tochter aus einer früheren Beziehung ist bereits aus dem Haus, braucht jedoch ebenfalls noch die Unterstützung der Mutter.
Die Befürchtungen von Ursula N. bewahrheiteten sich, denn ihr Mann stellte die im Scheidungsurteil festgelegten Zahlungen bald ein. Er meldete Privatkonkurs an und zog in die Schweiz. Zu diesem Zeitpunkt wandte sich Ursula N. an das Jugendamt, wo ein böses Erwachen folgte. Denn es stellte sich heraus, dass es der Behörde schwer fällt, Alimente bei Vätern, die sich ins Ausland abgesetzt haben, einzutreiben. Sie beantragte beim Jugendamt Überbrückungshilfe - einen so genannten staatlichen Unterhaltsvorschuss. Das Verfahren dauerte rund ein halbes Jahr. In der Zwischenzeit erhielt sie gar nichts: "Soll ich meine Söhne in der Zwischenzeit in die Tiefkühltruhe legen? Das interessiert niemanden, dass man zum Bettler wird, wenn der Vater Schwierigkeiten macht und die Mühlen der Behörde langsam mahlen, zeigt sich Ursula N. verbittert.
Die Einfamilie und ihre armseligen Rechte
Wenn der Vater nach einer Trennung nicht zahlungswillig oder -fähig ist, können sich die Alleinerziehenden an das Jugendamt wenden, um dort einen staatlichen Unterhaltsvorschuss zu beantragen. Dieser wird in der Regel auch gewährt. Die Höhe dieser Unterstützung ist vom Einkommen des Vaters abhängig und zielt auf dessen Leistungsfähigkeit ab, und hier liegt bereits der Haken. Denn - so die Leiterin der Abteilung Rechtsfürsorge im Jugendamt Wien, Heidemarie Mahler: "Der Staat gewährt den Vorschuss nur, wenn gesichert ist, dass das vorgestreckte Geld beim Vater hernach wieder einzutreiben ist. Somit fallen viele Kinder von Alleinerziehenden um ihre Ansprüche um."
Kinder von Vätern, die Hepatitis C haben und somit als arbeitsunfähig gelten, erhalten beispielsweise überhaupt keinen Vorschuss. Auch Kinder von chronisch erkrankten Vätern erhalten keinen Vorschuss. Kinder von Vätern, die sich ins Ausland absetzen, erhalten nur sehr bedingt einen Vorschuss. Kinder von Vätern, die Privatkonkurs anmelden, erhalten auch meist nichts - oder schlichtweg: Kinder von Vätern, die normal verdienen, aber zahlreiche gerichtliche Einsprüche mithilfe ihres Anwalts erheben, fallen ebenso durch den Rost, wie im folgenden Beispiel ersichtlich.
Der Scheidungsfall Elisabeth K.
Als Elisabeth K. die Scheidung einreichte, reagierte ihr Exmann mit Serieneinsprüchen bei Gericht. Als Arzt mit Kassenvertrag und Notfallsmediziner verfügt er über ein geregeltes Einkommen. Durch die zahlreichen Einsprüche mithilfe seines Anwaltes konnte er sich jedoch bisher erfolgreich dagegen wehren, die volle Höhe des Kindesunterhaltes zu leisten.
"Wenn ein Mann nicht zahlungswillig ist, hat es eine Frau sehr schwer, dem Kind zu seinem Recht zu verhelfen, weiß auch die Wiener Rechtsanwältin Christine Kolbitsch. Sie kritisiert, dass Frauen durch die Karenzgeldregelung dazu verleitet werden, länger zu Hause zu bleiben. Andererseits jedoch besteht keine gesetzliche Sicherheit, die diese Frauen mit ihren Kindern nach einer Trennung finanziell absichert.
Armut ist vererbbar
Wegen der beschämenden Situation von Alleinerziehenden und der schiefen Gesetzeslage hat sich vor einem Jahr die Plattform "Recht des Kindes auf Unterhalt" gegründet. Sie fordert eine Gesetzesreform zur Kindesunterhaltssicherung. Laut einer Umfrage dieser Plattform erhalten fast die Hälfte aller Kinder keinen regelmäßigen Unterhalt vom getrennt lebenden Elternteil oder auch vom Staat. Nach Erreichen der Volljährigkeit erlischt die staatliche Unterstützung völlig. Jugendliche in Ausbildung müssen den Unterhalt hernach selbst einklagen. Ein Zustand, der für einen Wohlfahrts- und Rechtsstaat nicht hinzunehmen ist.
Laut letztem Sozialbericht lebt ein Drittel der österreichischen Alleinerziehenden in akuter Armut oder ist armutsgefährdet. "Armut ist vererbbar, erklärt Ingrid Piringer von der Plattform für Alleinerziehende. Aus armutsgefährdeten Kindern werden oft armutsgefährdete Erwachsene, die später dem Staat auf der Tasche liegen. Es sei sehr kurzsichtig von der Politik, Alleinerziehende in ihren finanziellen Ansprüchen so wenig abzusichern: "Aber die Politik denkt ja leider nur in Wahlperioden.
Hör-Tipp
Journal-Panorama, Mittwoch, 25. Oktober 2006, 18:25 Uhr
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Link
öpa - Österreichische Plattform für Alleinerziehende