Kunden von Zwangsprostituierten droht Gefängnisstrafe

Strafen für Deutschlands Freier

Die deutsche Bundesregierung will Freier von Zwangsprostituierten künftig zur Rechenschaft ziehen und plant eine Verschärfung des Strafrechts. Vor allem der Sextourismus und die Elendsprostitution im deutsch-tschechischen Grenzgebiet soll damit bekämpft werden.

Ute Granold zur Situation der Opfer-Zeuginnen

Vor fünf Jahren ist in Deutschland - unter der rot-grünen Regierung - eines der liberalsten Prostitutionsgesetze weltweit in Kraft getreten. Danach ist Prostitution nicht mehr sittenwidrig, sondern ein ganz normaler Beruf, wie jeder andere auch. Auch das Betreiben von Bordellen ist nicht mehr strafbar. Das gilt aber nur für den Fall, dass die Frauen freiwillig und ohne Zwang ihre Freier bedienen.

Wesentlich größer - so schätzen Experten - ist aber das Geschäft mit Zwangsprostituierten - also Frauen, die verschleppt und mit Gewalt dazu gezwungen werden, als Sexsklavinnen zu arbeiten. Jene Freier, die wissentlich solche Frauen besuchen, sind bisher in Deutschland ungeschoren davon gekommen. Das soll sich jetzt ändern. Die deutsche Regierung plant ein Gesetz, das die Kunden von Zwangsprostituierten mit Gefängnis bedroht.

Der Anstoß zur geplanten Gesetzesänderung

Die Initiative zur geplanten Änderung des Prostitutionsgesetzes ging von der CDU-Politikerin Ute Granold aus. Ihre Recherchen im Rotlichtmilieu haben sie schon vor drei Jahren dorthin gebracht, wo man den brutalen Handel mit Frauen besonders gut beobachten kann - an die deutsch-tschechische Grenze. Die Situation, die sie dort vorfand, sei schockierend gewesen, sagt sie: "Wir dachten, wir wären mitten in Las Vegas. Da gibt es 40 Bordelle mit ungefähr 800 Prostituierten, darunter eine Reihe von ganz jungen Frauen."

Granold erinnert sich noch ganz genau an ihre Gespräche mit tschechischen Hilfsorganisationen und mit den Ermittlern auf beiden Seiten der Grenze: "Die Frauen werden dort teilweise wie Tiere eingefangen, eingearbeitet und als 'Frischfleisch' - so heißt das dort - quer durch Europa verkauft. Sie werden bedroht, erpresst, krank und teilweise auch umgebracht."

Das Anti-Freier-Gesetz und ihre Gegner

Frauen in diesem Milieu können nur dann geschützt werden, glaubt Ute Granold, wenn man auch ihre Freier zur Verantwortung zieht. Deshalb kämpft sie seither für ein Gesetz, mit dem in Zukunft nicht nur die Schlepper und die Zuhälter, sondern auch die Freier von Zwangsprostituierten bestraft werden können - und zwar mit bis zu fünf Jahren Gefängnis. Das Gesetz soll auch für Deutsche gelten, die als Sextouristen über die Grenze fahren.

Inzwischen hat die Christdemokratin auch die sozialdemokratische Justizministerin Brigitte Zypries auf ihrer Seite, die Unterstützung signalisierte: "Wir haben schon eine Menge anderer Dinge probiert; der durchschlagende Erfolg ist jedoch ausgeblieben. Mit der neu geplanten Gesetzesänderung wollen wir nicht Freier kriminalisieren, wir wollen nur erreichen, dass Freiern klar gemacht wird, dass, wenn sie mit Zwangsprostituierten Verkehr haben, sich quasi mitschuldig machen".

Wie soll jedoch ein Freier erkennen, dass er eine Zwangsprostituierte vor sich hat und wie lässt sich das vor Gericht beweisen? So argumentieren die Gegner dieses Gesetzesentwurfes. Der liberale Abgeordnete Jörg van Essen wird deshalb mit seiner Fraktion gegen das neue Gesetz stimmen. Man müsse die Banden bekämpfen, nicht die Freier, meint er. Auch die Grünen sind äußerst skeptisch, und zwar mit dem Argument, man habe 2002 erfolgreich die Prostitution entkriminalisiert. Da könne man nicht jetzt beginnen die Freier zu kriminalisieren.

Frauenhandel nimmt europaweit zu

Die Gesetzesänderung ist von der Großen Koalition dennoch so gut wie beschlossene Sache. Der überhand nehmende Frauenhandel bestärkt die deutsche Bundesregierung in ihrem Entschluss. Wie viele Opfer von Frauenhandel es in Deutschland gibt, kann allerdings niemand seriös sagen. Es gibt keine verlässlichen Daten. Das Bundeskriminalamt hat im vergangenen Jahr 642 Fälle erfasst. Doch das - sagen alle Experten - sei nur die Spitze des Eisbergs.

Nach Schätzungen der Vereinten Nationen werden allein in Europa jedes Jahr 500.000 Mädchen und Frauen verschleppt und zur Prostitution gezwungen. Das bringt zehn Milliarden Euro Umsatz. Frauenhandel ist heute das am schnellsten wachsende und risikoärmste Geschäft der organisierten Kriminalität.

Die Opfer schweigen

Aus Angst vor etwaigen Konsequenzen schweigen die Opfer zumeist. Auch die deutschen Behörden kommen sich oft gegenseitig ins Gehege. Die Ermittler wollen die Frauen während der Prozesse gerne in Deutschland behalten. Die allermeisten Zwangsprostituierten sind aber illegal im Land. Deshalb droht ihnen gleichzeitig die Abschiebung durch die Ausländerbehörden. Wer diese Zeuginnen will - egal ob sie gegen ihre Zuhälter oder künftig auch gegen ihre Freier aussagen sollen -, muss sie daher besser beschützen.

Bisher hat nur das Land Rheinland-Pfalz in seinem Budget einen Posten für die psychische und medizinische Betreuung dieser so genannten Opfer-Zeuginnen reserviert - übrigens auch auf Initiative von Ute Granold, die dort ihren Wahlkreis hat. Die Situation wird sich aber bald überall ändern, wenn das neue Gesetz in Kraft tritt, wird von Seiten der Regierung versichert.

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