Geisterheiler, Schamanen und weise Frauen

Urwald-Esoterik oder ernste Wissenschaft?

Viele Menschen suchen als Ergänzung der naturwissenschaftlich-medizinischen Therapien Unterstützung bei alternativen Heilverfahren. Therapieformen aus anderen Kulturkreisen erhalten dabei einen immer größeren Stellenwert.

Eine Performance beim Weltkongress für Ethnomedizin

Die meisten Wissenschaftler auf dem Weltkongress für Ethnomedizin an der Ludwig-Maximilians-Universität haben andere Kulturen nicht nur objektiv analysiert, sondern vorübergehend daran teilgenommen. Und so vielleicht einen umfassenderen Einblick bekommen, als rein beobachtende Forscher, so auch der Botaniker und Kräuterkundler Wolf-Dieter Storl.

Schamane oder freier Wissenschaftler?

Die Karriere von Wolf-Dieter Storl steht stellvertretend für viele seiner Kollegen. Eigentlich hat er Botanik studiert, die wissenschaftliche Karriere vorangetrieben, an verschiedenen Universitäten gelehrt und gearbeitet. Irgendwie, so sagt er, war ihm die akademische Atmosphäre aber zu kalt, zu eng und teilweise auch zu engstirnig. Er begann, sich mit Pflanzenheilkunde zu befassen. Zahlreiche Reisen führten ihn zu den unterschiedlichsten Kulturen: nach Indien, Afrika, Asien aber auch zu Bergbauern in die Schweiz.

Bei seinen Reisen ging er immer über die teilnehmende Beobachtung der klassischen Ethnologie hinaus und versuchte die jeweilige Kultur von innen heraus zu fühlen, ein Teil von ihr zu werden.

Wiederentdeckung der Kräuterheilkunde

Das Interesse an den Wirkstoffen von Pflanzen führte ihn immer wieder zu neuen Kräuterkundigen anderer Kulturen. Zwar denken viele Menschen immer an Naturvölker in Asien, Afrika oder Südamerika, wenn sie über alternative Heilmethoden sprechen. Aber auch bei uns in Europa gibt es solche Lehren. Eine davon ist die Kräuterheilkunde. Dass sie auch heute noch neue Erkenntnisse bringen kann, zeigte Mitte der 1980 Jahre die Entdeckung der Wirksamkeit von Mutterkraut gegen Migräne.

Die Wiederbelebung des Kräuterwissens wäre laut Storl eigentlich ganz einfach: man müsste die Kräuterkunde nur in den Lehrplan der Schulen aufnehmen. "Da wäre dem Gesundheitssystem mit den überbordenden Kosten schon sehr viel geholfen, wenn die Menschen wieder über die Wirkung der Pflanzen, die im Garten oder rund ums Haus wachsen, bescheid wüssten."

Urwald-Esoterik oder interessante Phänomene?

Die Geschichte von Jeremy Narby beginnt Mitte der 1980er Jahre. Der damals noch sehr junge Anthropologe untersucht im peruanischen Regenwald die Lebensgewohnheiten der Ashaninca-Indianer. Er stellt fest: die Ureinwohner haben ein erstaunlich großes und detailliertes Wissen über Pflanzen und ihre Wirkstoffe: Etwa welche Pflanzenextrakte die Wundheilung beschleunigen. Nachdem er einige Wirkungen selbst getestet hat, stellt Narby sich eine Frage, die ihn ab diesem Zeitpunkt nicht mehr loslässt: Woher wissen die Indianer da, was sie wissen?

Die Antwort kam ihm zunächst wie ein Witz vor. Die Ashaninca-Indianer behaupteten ihr Wissen aus Visionen zu beziehen, die sie unter dem Einfluss von halluzinogenen Pflanzen hatten.

Phänomene die rational nicht erklärbar sind

Narby entschloss sich, den Standpunkt des westlichen Wissenschaftlers vorübergehend zu verlassen und in einem Selbsttest herauszufinden, wovon die Indianer sprechen. Er trank die halluzinogene Essenz der Iowasca-Pflanze. "Man trinkt den Extrakt der Pflanze und sieht Bilder. Diese Bilder lehren dich Dinge über dein Leben", sagt Narby.

Der Zwiespalt, in dem sich der Anthropologe von da ab befindet steht sinnbildlich für das gesamte westliche Wissenschaftsmodell - wie weit darf man sich mit Phänomenen beschäftigen, die rational nicht nachvollziehbar sind?

Wirkt es oder wirkt es nicht?

Am Beispiel der Ashaninca-Indianer zeigt sich: Weitere Betrachtungen sind zumindest interessant. Denn auch wenn man nicht glaubt, dass sie ihr Wissen aus Halluzinationen schöpfen muss man anerkennen: sie haben das Wissen.

Auch westliche Pharmafirmen arbeiten mit diesem Pflanzenwissen. Sie stellen weniger die Frage, woher das Wissen kommt, sondern nur: Wirkt eine Pflanze oder nicht? Die Wirkungen sind dann aber auch mit westlichen wissenschaftlichen Methoden mess- und nachvollziehbar.

Hör-Tipp
Dimensionen, Montag, 16. Oktober 2006, 19:05 Uhr

Download-Tipp
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Link
Institut für Ethnomedizin - Weltkonferenz der Ethnotherapien