Margrit Sprecher, Journalistin

Reporterin aus Leidenschaft

Von Kind an wusste die Schweizerin Margrit Sprecher, dass sie Journalistin werden wollte. Ihr Weg führte sie zur "Weltwoche". Vor allem Sozialreportagen waren und sind ihr ein Anliegen. "Da müssen Sie sich mit allen fünf Sinnen dem Thema widmen."

Auch wenn man sich vor Superlativen hüten sollte kann man sagen: Margrit Sprecher ist die renommierteste Schweizer Journalistin. Mit ihren Reportagen beschreibt sie mehr als zutreffend Menschen, ihre Schicksale und damit auch die Gesellschaft.

Margrit Sprecher lernt das journalistische Handwerk von der "Pieke" auf. 15 Jahre ist sie in der Redaktion der Frauenzeitschrift "Elle" tätig. Sie schreibt und schreibt und schreibt - über alle möglichen und unmöglichen Themen, immer mit dem Ziel, einmal bei der angesehenen Zürcher "Weltwoche" zu landen. Letztendlich hat sie das auch erreicht.

Der andere Blick

In ihren Gerichtsreprotagen ist es Margrit Sprecher immer auch um einen anderen Blick gegangen. Die feine Beobachterin gab sich nie mit dem Augenfälligen zufrieden, sondern schaute immer noch genauer hin. Nie nimmt sie sich zu wichtig, immer geht es um die anderen, die zu Porträtierenden, zu Beschreibenden. Über ihr Lieblingsgebiet, die Sozialreportage, schreibt Margrit Sprecher:

Auf Fortune ist der Reporter vor allem deshalb angewiesen, weil sozialkritische Reportagen mühsam zu organisieren sind. Und nur selten mit Unterkünften in Fünfsternehotels, Linienflügen oder abendlichen Barbesuchen gekoppelt.

Gegenwärtig sieht sie dieses Genre in Schwierigkeiten: "Eine gute Sozialreportage braucht Zeit. Ganz wichtig ist, dass sie alle fünf Sinne ausfahren, denn Sie müssen die Leser mitnehmen vom arsten Absatz bis zum letzten. Für Sozialreportagen braucht man mindestens doppelt so lange wie für andere Reportagen."

Engagiert auch in Büchern

Margrit Sprecher hat Bücher geschrieben. In "Sich aus der Flut des Gewöhnlichen herausheben. Die Kunst der Großen Reportage" hat sie sich gemeinsam mit Kai Hermann mit der "Sozialreportage" beschäftigt, in dem Buch "Menschen vor Gericht. Gerichtsreportagen" werden Personen nicht nach dem bekannten Gut-Böse-Schema beschrieben, es wird wiederum der "Blick dahinter" aktiviert, der etwas andere Blick auf den Menschen und sein Schicksal.

"Leben und Sterben im Todestrakt" ist ein leidenschaftliches Plädoyer gegen die Todesstrafe und in ihrem Buch "Ungebetene Besuche" werden Gerhard Schröder, Claudia Schiffer u. a. von Margrit Sprecher "anders" beschrieben als man es aus alltäglicher Berichterstattung kennt.

Nur Tatsachen zählen

Margrit Sprecher ist eine vielfach "preisgekrönte Journalistin": 1985 erhielt sie den Zürcher Journalistenpreis, im gleichen Jahr den Internationalen Publizistikpreis Klagenfurt. 1992 folgt der Egon-Erwin-Kisch-Preis und 2003 erhält sie für ihr Gesamtwerk den Preis des Zürcher Journalistenvereins.

"Gerade weil die Reportage die sehr persönliche Sicht erlaubt und deren Farbigkeit lebt, muss diese Sicht durch Tatsachen gestützt werden. Nur der schmale Steg zwischen Tatsache und Tatsache ist zum Tanze freigegeben", sagte Egon Erwin Kisch. Margrit Sprecher zitiert den rasenden Reporter gerne. Nie erhebt sie einen moralischen Zeigefinger, denn der Leser soll sich selbst ein Bild machen. Und sie hofft, dass man schreibend vielleicht doch die Welt verändern, vielleicht auch verbessern kann.

Seit ihrer Pensionierung schreibt Margit Sprecher unermüdlich weiter, für die "Neue Zürcher Zeitung", "Das Magazin" und "Geo". Sie ist Mitherausgeberin des Magazins "Schweizer Journalist", arbeitet in der Journalistenausbildung und ist in Jurykommissionen für journalistische Preise vertreten, aber am liebsten tut sie nach wie vor das, was sie immer getan hat: schreiben.

Hör-Tipp
Menschenbilder, Sonntag, 15. Oktober 2006, 14:05 Uhr

Download-Tipp
Ö1 Club-DownloadabonenntInnen können die Sendung nach der Ausstrahlung 30 Tage lang im Download-Bereich herunterladen.

Buch-Tipps
Kai Hermann, Margrit Sprecher, "Sich aus den Fluten des Gewöhnlichen herausheben. Die Kunst der Großen Reportage", Picus verlag 2001, ISBN 3854527535

Margrit Sprecher, "Leben und Sterben im Todestrakt", Haffmanns Verlag 2002, ISBN 3251400088

Links
Verein Qualität im Journalismus - Artikel von Margrit Sprecher
Die Weltwoche