"Verführerin" Birgit Minichmayr
Medea und Dirne
Birgit Minichmayr ist in diesem Monat wieder am Wiener Burgtheater zu sehen, und zwar in den Wiederaufnahmen von Grillparzers "Das goldene Vließ", in dem sie die Medea spielt. Ab 14. Oktober tritt sie in Schnitzlers "Reigen" auf.
8. April 2017, 21:58
Gibt es die "Marke" Birigt Minichmayr?
Birgit Minichmayr tritt nach längerer Zeit wieder am Wiener Burgtheater auf. In der Wiederaufnahme von Grillparzers "Das goldene Vließ" ist sie als Medea zu sehen. In Schnitzlers "Reigen" verkörpert sie ab 14. Oktober 2006 die Dirne. Die Dirne war übrigens die erste Rolle, die sie am Burgtheater spielte, und Medea die letzte vor ihrem Wechsel an die Berliner Volksbühne.
Burgtheater ist "keine Endstation"
Viele Schauspieler sehen im Burgtheater ihr "Endziel", Birgit Minichmayer hingegen war direkt vom Reinhardt-Seminar an das Burgtheater engagiert worden und wurde dort sehr schnell zum Liebling des Publikums. Nach fünf Jahren suchte sie jedoch neue Herausforderungen und ging nach Berlin. "Ich wollte keine Endstation aus dem Burgtheater machen", meint sie dazu im Gespräch mit Maria Rennhofer.
Erst durch diesen Weggang habe sie allerdings Wien richtig schätzen gelernt, erzählt sie: "Anders als in Berlin nimmt man hier in Wien Anteil am Theater. Generell wird hier Kultur anders wahrgenommen und das schätze ich sehr. Auch die Haltung hier ist eine sehr offene, eine neugierige, eine sehr eigenständige."
Entscheidungen aus dem Bauch
Minichmayr ist es gelungen, von Anfang an einen bestimmten Typ zu verkörpern, der nicht dem Klischee der hübschen, jungen, anpassungsfähigen Schauspielerin entspricht, sondern eher herb ist, laut und rau, wie in Zeitungsartikeln zu lesen war. Entspricht dieses Bild der Wirklichkeit? "Ich habe kein Bedürfnis, mein Bild in der Öffentlichkeit ständig zurechtzurücken", meint sie dazu lapidar. "Vielleicht soll meine ganz persönliche Wahrheit eh keiner wissen."
Ihre Rollen wählt Minichmayr aus dem Bauch heraus: "Ich habe mich immer sehr stark von Intuition leiten lassen, von Leidenschaft und Interesse; Leidenschaft und Interesse an der Geschichte und an den Regisseuren", egal ob es um ein Theaterstück geht oder um einen Film.
Erlebnisfähigkeit und Hingabe
In ihrer letzten Filmarbeit, "Das Parfüm", verkörperte sie Grenouilles Mutter, die am Fischmarkt mitten in Bergen stinkender Fische ihr Kind gebärt. Eine extreme Situation, in die man sich nicht so leicht hineindenken kann. Oder doch? "Ich habe ja auch noch keine Kinder umgebracht, wie die Medea, ich habe auch noch kein Kind geboren. Da hilft einfach eine Erlebnisfähigkeit und Hingabe", so die Schauspielerin. "Das Publikum spielt ja mit, das weiß ja auch, dass ich das nicht echt getan habe, und trotzdem lassen sich die Zuschauer verführen und sind berührt oder empört oder was auch immer. Das ist dieses Spiel mit dem Spiel. Je besser und je geschickter man ist als Verführer, desto mehr gehen einem die Leute 'auf den Leim'."
Schauspielerei, egal ob für Theater oder Film, erfordert immer auch ein Überwinden der eigenen Schamgrenzen. Man muss Dinge aus sich herausholen, die man normalerweise nicht der Öffentlichkeit zeigt. Solange es um Gefühle geht, hat Birgit Minichmayr kein Problem mit dieser Art von Exhibitionismus, bei Nacktszenen ist sie schon vorsichtiger: "Das ist das einzige, wo ich nicht so das Selbstbewusstsein habe", gesteht sie ein.
Über seine Grenzen gehen
Dass sie überhaupt Schauspielerin geworden ist, daran ist Käthe Gold schuld, beziehungsweise der Deutschunterricht mit Hilfe von Käthe Gold: "Wir haben 'Faust' gelesen und das Hörbuch dazu gehört mit Käthe Gold als Gretchen", erinnert sie sich. "Das hat mich so beeindruckt und fasziniert, dass ich gedacht habe, das möchte ich können."
Dass sie das nötige Talent dazu hat, bewies Minichmayr ein paar Jahre später. Über wie viel Talent - und mittlerweile auch Können - sie verfügt, beweisen auch der Nestroy-Preis als beste Nachwuchskünstlerin im Jahr 2000 und der Ulrich-Wildgruber-Preis 2002.
Monika Bleibtreu, die bei der Verleihung des Wildgruber-Preises die Laudatio gehalten hat, hat Minichmayr als "eine Suchende, eine Fragende und sich selbst Gefährdende" bezeichnet. Sie selbst sieht das "Sich gefährden" keineswegs negativ, denn "das heißt ja auch, über seine Grenzen zu gehen. Das braucht man auch manchmal, um sich sehr öffnen, sich hingeben zu können. Das heißt aber nicht, dass man schutzlos ausgeliefert ist."
Mehr zu "Das Parfum" in Ö1 Presseschau
Hör-Tipp
Im Künstlerzimmer, Sonntag, 15. Oktober 2006, 11:38 Uhr
Download-Tipp
Ö1 Club-DownloadabonenntInnen können die Sendung nach der Ausstrahlung 30 Tage lang im Download-Bereich herunterladen.
Veranstaltungs-Tipps
Franz Grillparzer, "Medea", Vorstellungen am 16., 17., 21., 22. und 29. Oktober 2006, Burgtheater,
Ö1 Club-Mitglieder erhalten ermäßigten Eintritt (10 Prozent).
Arthur Schnitzler, "Der Reigen", ab 14. Oktober 2006, Burgtheater,
Ö1 Club-Mitglieder erhalten ermäßigten Eintritt (10 Prozent)
Link
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