Die gescheiterte Revolution
Ö1 Schwerpunkt Ungarn 1956
Vor 50 Jahren, am 23. Oktober 1956, startete das ungarische Volk den verzweifelten Versuch, sein Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen. Ö1 widmet sich nun in seinem Schwerpunkt vom 16. bis 28. Oktober in rund 20 Sendungen dem ungarischen Aufstand.
8. April 2017, 21:58
Seit einigen Jahren verfolgt Ö1 erfolgreich die Strategie, seinem Publikum Staaten in der näheren und ferneren Nachbarschaft in Form von Schwerpunktwochen näher zu bringen. Dabei werden weniger aktuelle politische Ereignisse in den Vordergrund gerückt, sondern über Kunst und Kultur, Musik und Literatur, Wissenschaft, Gesellschaft und Religion berichtet. Von 2001 bis 2004 standen im Rahmen des Ö1 Projekts "Nebenan. Erkundungen in Österreichs Nachbarschaft" die zehn neuen EU-Mitgliedstaaten im Mittelpunkt, 2005 folgte die Türkei und 2006 befassen sich die Ö1 Redaktionen anlässlich des 50. Jahrestages der Revolution 1956 von 16. bis 28. Oktober mit unserem Nachbarland Ungarn.
Das, was sich vor 50 Jahren, am 23. Oktober 1956 in Ungarn nach kurzem, anfangs erfolgreichem Kampf gegen das brutale kommunistische Rákosi-Regime und die sowjetischen Besatzer entladen hat, war der verzweifelte Versuch eines Volkes, sein Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen. 1989, im Jahr der Wende, drückte es der ehemalige ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán stellvertretend für seine Generation so aus: "In Wahrheit hat die Ungarische Sozialistische Arbeiterpartei damals, 1956, uns die Zukunft geraubt."
Forderung eines "Neuen Kurses" nach Stalins Tod
Im März 1953 - nach Stalins Tod - wurde der Reformer Imre Nagy von der sowjetischen Führung zum ungarischen Ministerpräsidenten ernannt. Unter seiner Führung erkannten zahlreiche junge linksgerichtete Intellektuelle die Fehlentwicklungen des bisherigen Regimes. Sie forderten die Umsetzung des so genannten "Neuen Kurses", um das verlorene Vertrauen gegenüber der Kommunistischen Partei wieder herzustellen. Die nächsten drei Jahre waren durch die in der Sowjetunion tobenden und auch in Ungarn zu spürenden Machtkämpfe geprägt und führten zur Enthebung Imre Nagys von sämtlichen politischen Funktionen.
An den Universitäten formulierten Studenten demokratische Forderungen wie freie Wahlen, Wiedereinführung des Mehrparteiensystems, Meinungs- und Pressefreiheit, Versammlungs- und Organisationsfreiheit und den Abzug der sowjetischen Truppen. Der Glaube der kommunistischen Machthaber, ein wenig Mehr an Freiheit und Wohlstand würden die Massen wieder beruhigen, hatte sich als Trugschluss erwiesen.
Der 23. Oktober 1956
Eine Demonstration zu Gunsten der polnischen Demokratisierungsbestrebungen am 23. Oktober 1956 in Budapest endete in einem Aufstand, der von allen Teilen der Bevölkerung unterstützt wurde. Die heftigsten und erfolgreichsten Kämpfe gegen die sowjetischen Besatzer tobten in Budapest und wurden vor allem von jungen Studenten und Arbeitern geführt. Im Gegensatz zum berüchtigten Geheimdienst AVH schloss sich der überwiegende Teil des Militärs und der Polizei den revolutionären Forderungen an und verweigerte den Schießbefehl.
Nach der Wiedereinsetzung von Imre Nagy als Ministerpräsident und der Ablöse der alten kommunistischen Führung durch Mitglieder sämtlicher demokratischer Parteien gelang es der neuen ungarischen Regierung, den Sowjets das Versprechen abzuringen, ihre Truppen abzuziehen.
Niederschlagung des Aufstands durch die Sowjets
Das neuerliche Erstarken der politischen Hardliner in Moskau führte aber schließlich zur Entscheidung, den Aufstand niederzuschlagen.
Am 4. November 1956 überrollten völlig unerwartet mehrere Panzerdivisionen Ungarn. Durchhalteparolen der Radiosender "Radio Freies Europa" und "Die Stimme Amerikas" nährten die Hoffnung, dass der Westen oder zumindest die Vereinten Nationen den Ungarn zu Hilfe kommen würden.
Vergeltung unter Kádár, 200.000 Ungarn nach Österreich
Gegen Ende des Jahres 1956 wurde den letzten Widerstandskämpfern klar, dass sie der Westen nicht unterstützen würde. Die kommunistische Führung unter János Kádár ergriff die Macht und übte gnadenlose Vergeltung.
In der Folge flüchteten an die 200.000 Ungarn, von denen ein Teil in Österreich eine neue Heimat gefunden hat.
Hör-Tipps
Radiokolleg, "Ungarn 1956 - Der Aufstand", Montag 16. bis Donnerstag, 19. Oktober 2006, jeweils 9:05 Uhr
Salzburger Nachtstudio, "Oktober 1956 - Keine Chance für die Freiheit", Mittwoch, 18. Oktober 2006, 21:00 Uhr
Diagonal, "Stadtporträt Budapest", Samstag, 21. Oktober 2006, 17:05 Uhr
Erfüllte Zeit, Sonntag, 22. Oktober 2006, 7:05 Uhr
gehört.gewusst, Sonntag, 22. Oktober 2006, 13:10 Uhr
Motive, Sonntag, 22. Oktober 2006, 19:05 Uhr
Betrifft: Geschichte, Montag, 23. Oktober bis Freitag, 27. Oktober 2006, jeweils 17:55 Uhr
Journal-Panorama, "Das Haus des Terrors in Budapest", Montag, 23. Oktober 2006, 18:25 Uhr
Praxis, "Die Rolle der Kirche im Ungarn-Aufstand", Montag, 23. Oktober 2006, 21:30 Uhr
Dimensionen, Dienstag, 24. Oktober 2006, 19:05 Uhr
Jazztime, 24. Oktober 2006, 21:30 Uhr
Hörbilder Spezial, "Das Loch in der Fahne", Donnerstag, 26. Oktober 2006, 10:05 Uhr
Hörspiel-Galerie, "Bilanz" von Árpád Göncz, Samstag, 28. Oktober 2006, 14:00 Uhr
Buch-Tipp
Marta S. Halpert, "Gegangen und geblieben. Ungarn 1956", Molden Verlag 2006, ISBN 3854851766
Mehr dazu in oe1.ORF.at
Veranstaltungs-Tipps
Ausstellung "Flucht nach Wien - Ungarn 1956", Donnerstag, 7. September 2006 bis Sonntag, 26. November 2006, Wien Museum Karlsplatz,
Ö1 Club-Mitglieder erhalten ermäßigten Eintritt (25 Prozent)
Mehr dazu in Ö1 Inforadio
Ausstellung "Budapest 1956 - Die ungarische Revolution. Fotografien von Erich Lessing", Freitag, 13. Oktober bis Samstag, 13. Jänner 2007, Leopoldmuseum,
Ö1 Club-Mitglieder erhalten ermäßigten Eintritt (10 Prozent).
Mehr dazu in Ö1 Inforadio
Links
Wien Museum - Flucht nach Wien
Leopoldmuseum