Aller Anfang ist leicht

Andreas Vitáseks "Generation"

Für sein neues Solo legt Andreas Vitásek sich und seine Generation auf die Couch. "Was ist das für eine Generation zwischen Post-68 und Postbörsengang?", fragt er. Auf der Suche nach richtigen Antworten kreuzt er philosophische Pfade.

Anfangen ist leicht, Beenden ist schwer!

Die Feststellung, dass aller Anfang durchaus leicht sein kann, ist für Andreas Vitásek mehr als ein bloßer Gag. Ganz beiläufig, ohne große Ouvertüre, ohne dramatischen Auftakt, lockte er am 3. Oktober 2006 sein Premierenpublikum im Wiener Rabenhof auf die Spur seiner Generation, der so genannten Post-68er, die für Woodstock zu jung war und für die Bewegung der "Young Urban Professionals" zu alt. "My Generation" ist folgerichtig der Titel des Programms, das Andreas Vitásek anlässlich seines 25-jährigen Bühnenjubiläums und seines 50. Geburtstags zusammenstellte, eine Bestandsaufnahme eigener Befindlichkeiten und Werte entlang der Bruchstelle von Erinnerungen und Gegenwartsbewältigung.

"Ab dem 49. Geburtstag hatte ich Panik vor dem 50er. Ich habe auch ab meinem 49. Geburtstag immer gesagt, ich bin 50, damit ich mich daran gewöhne. Und es war schrecklich. Meine kleine Tochter hat gesagt 'Schade, dass ich schon so einen alten Vater habe. Die anderen Väter von meinen Freundinnen sind viel jünger als Du.' Da denkt man sich dann auch, verdammt, ich bin schon so alt. Und dann kommt der 50. Geburtstag und es ist ein nettes, völlig unaufgeregtes Fest, und am nächsten Tag bin ich wirklich 50. Und das ist so wie die Angst vor dem Zahnarzt: Zuerst fürchtet man sich und nach dem ersten Mal sagt man: War eh nicht so schlimm. Übrigens: Am 21. September 1981 bin ich das erste Mal mit einem Solo auf der Bühne gestanden. Das war vor einem Vierteljahrhundert, und wenn ich das sage, fühle ich mich gleich wieder alt."

Zappa oder Abba?

Was ist los mit dieser Generation, mit den 78ern, deren Identität irgendwo zwischen Frank Zappa und Abba zu reifen suchte? Was hat sie geprägt, was hat sie aufgeregt, wohin hat sie sich entwickelt? Mit derlei Fragen beginnt Andreas Vitásek seine Spurensuche in einer Zeit, in einem Milieu, das dem Publikum mehrheitlich vertraut zu sein scheint.

Für sein neues Solo hat sich der Kabarettist ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Bei seinem Blick zurück auf die eigene Generation, die eigene Vergangenheit, tritt er in gleichem Maße als Chronist wie als Akteur in Erscheinung. Er skizziert für seine Generation relevante historische Daten und Fakten, er beschreibt Alltägliches aus der Distanz des Erzählers und befindet sich gleich darauf - ohne große dramaturgische Kunstgriffe zu bemühen - selbst mitten im Geschehen. Vehikel für seine Geschichten ist die emotionale Wiedererkennbarkeit von Situationen, von Bildern und Szenen, mit der Andreas Vitásek kunstvoll zu spielen versteht.

Zwischen Hippie und Yuppie

"Ob es meine Generation gibt, war ich mir gar nicht so sicher, darum habe ich auch das Programm geschrieben. Die Frage war: Bin ich eine Einzelerscheinung oder gibt es eine Generation nach der 68er-Bewegung, aber vor den Yuppies. Irgendwas zwischen Hippie und Yuppie. Und nach den ersten Rückmeldungen von Menschen, die gesagt haben 'Ja, genau, das habe ich auch so erlebt' dürfte es diese Post-68er-Generation wohl geben. Eine Generation, die 1968 nicht mehr miterlebt hat, die das nur aus zweiter Hand kennt, aus Filmen und Büchern. Und wie immer wird alles aus zweiter Hand ein bisschen verklärt: Steine werfen in Paris im Mai 1968, mit Sartre diskutieren - das klingt alles sehr gut, aber selber erleben ist doch besser."

Andreas Vitásek hat sich in seinem neuen Solo "My Generation" keine stringente Erzählform auferlegt. Mühelos und ohne den Pfad der Logik zu weit zu verlassen, mischt der Kabarettist auf der Bühne Vergangenes und Gegenwärtiges, lässt Erinnerungen Revue passieren ohne dabei den Blick auf heute existierende Bilder, Realitäten und Anekdoten zu verstellen. Er erzählt vom Überfall auf die OPEC, über das "Gewisse Etwas", das für ihn beispielsweise durch Audrey Hepburn im Pepita-Kostüm Gestalt angenommen hat, er legt sich für Sigmund Freud auf die Couch, und stellt fest, dass der Zeitpunkt seiner Premieren und der österreichischen Nationalratswahlen verdächtig oft nahezu deckungsgleich ist.

Tabu und Träume

"Früher war der Zeitgeist ein anderer. Ich glaube, dass es heute dazu gehört, politisch nicht korrekt zu sein. Es gibt ja immer Tabubereiche, auch in meinem Programm. Der interessante Bereich im Kabarett und in der Satire ist der Grenzgang, wo man sagen kann 'Geht das eigentlich noch?" - sonst ist ein Programm ja langweilig. Aber nur das Tabu verletzen, da bin ich nicht der Typ dazu. Das ist mir zu anstrengend. Ich kenne Leute aus der ferneren Kabarettvergangenheit, die immer auf Konfrontation waren, nicht nur politisch, auch in der Darstellung und im Umgang mit dem Publikum. Die haben sich dabei aufgerieben. Prinzipiell ist es schon angenehm, einen netten Abend zu verbringen."

Andreas Vitásek bietet in seinem Programm auch Träume im Ausverkauf an, im Sonderangebot für nur einen Euro. Er hat sie in einer Schachtel verstaut: Es gibt Träume im Angebot, aber auch das Angebot, eigene Träume wahr werden zu lassen, zu leben. Auch das gehört für den Kabarettisten zum Generationsprogramm, zu "My Generation".

Andreas Vitásek hat für sein neues Solo eine sehr persönliche Form gefunden, um aus dem Leben einer Generation zu erzählen, die auch gleichzeitig die seine ist. Und am Ende seines Programms über die 78er hat der Kabarettist auch eine sehr persönliche Würdigung an einen Künstler gestellt, der ihm in Sachen Humor stets Seelenverwandter war: der 2006 verstorbene Humorist und Autor Robert Gernhardt.

Hör-Tipp
Contra, Sonntag, 8. Oktober 2006, 22:05 Uhr

Veranstaltungs-Tipp
Andreas Vitásek, "My Generation", seit 4. Oktober 2006 im Rabenhof Theater,
Ö1 Club-Mitglieder erhalten ermäßigten Eintritt (20 Prozent)

Links
Agentur Hoanzl - Andreas Vitásek
kabarett.at
kabarett.cc