Doktor und Magister - zu wenig für eine Karriere?

Patentrezepte gegen Arbeitslosigkeit

Immer wieder werden Bildung und Ausbildung als Patentrezepte gegen Jugendarbeitslosigkeit genannt. Aber auch ein Hochschulstudium ist keine Jobgarantie. Zusatzqualifikationen sind gefragt, denn nicht alle Studien führen direkt zum Traumjob.

Thomas Stummer zu Berufsplanung und Erwartungsprofilen

Dass Bildung und Ausbildung wichtig ist, um im Berufsleben Fuß zu fassen, weiß man nicht erst seit dem Wahlkampf. Aber auch ein Hochschulstudium ist kein Garant für einen Job. Fast 8.000 Akademiker sind arbeitslos, doppelt so viele wie im Jahr 2000. Zusatzqualifikationen werden daher auch bei Akademikern und Studenten immer wichtiger.

Richtige Studienwahl enorm wichtig

Für Personalberater Thomas Stummer beginnt der Weg zum erfolgreichen Berufseinstieg mit der richtigen Studienwahl: "Es ist unverantwortlich, etwas zu studieren, weil es gerade modern ist oder weil jemand sagt, da wird es in zehn Jahren gute Jobchancen geben. In den 1990er Jahren wollten viele Webdesigner werden. Heute sind sie arbeitslos."

Die Entscheidung soll man nicht übereilt treffen, sagt der Personalberater und rät, vertraute Menschen nach den eigenen Stärken und Schwächen zu fragen: "Gute Freunde und Eltern können Berater sein, aber die Entscheidung muss man selbst treffen. Dafür sollte man sich Zeit nehmen und dann zu seiner Entscheidung stehen." Auch die Finanzierung sollte vorher geklärt sein. Eventuelle Teilzeitjobs könnten dabei auch für den späteren Berufseinstieg helfen.

Maturantenwünsche und nackte Fakten

Das Arbeitsmarktservice hat 6.000 Maturanten nach ihrer Wunschausbildung gefragt. Die beliebtesten Studienrichtungen sind demnach Jus und Medizin, gefolgt von Wirtschaftsfächern. Auch die meisten arbeitslosen Akademiker kommen aus diesen Fachbereichen: Im vergangenen Mai waren 825 Juristen und genauso viele Betriebswirte arbeitslos gemeldet, gefolgt von fast 300 Ärzten und mehr als 200 Pädagogen. Die Dunkelziffer sei aber groß, vermutet Martha Eckl von der Arbeiterkammer, denn "nicht alle Akademiker melden sich beim AMS, weil sie unmittelbar nach Studienabschluss meist keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben."

Seit dem Jahr 2000 ist die Akademiker-Arbeitslosigkeit fast um das Doppelte gestiegen. Als Gründe dafür nennt die AK-Expertin Aufnahmestopps und Einsparungen im öffentlichen Dienst sowie im Gesundheits- und Bildungswesen. Auch die längere Erwerbstätigkeit nach der Pensionsreform führe dazu, dass es weniger Stellen für Junge gebe.

Berufsorientierung schon in den Schulen

Mehr als die Hälfte der Studienanfänger entscheidet sich erst nach der Matura für eine akademische Ausbildung. Das hat eine Studie des österreichischen Institutes für Berufsbildungsforschung ergeben. Nur rund 60 Prozent der Studenten schließen ihr Studium ab, fast ein Drittel wechselt die Studienrichtung und ebenso viele brechen ihr Studium ab, die so genannten Drop-outs - das zeigt, wie wichtig eine fundierte Beruforientierung schon an den Schulen wäre. Mehr als 40 Prozent der Erstsemestrigen fühlten sich vor Studienantritt schlecht beraten:

"Berufs- und Studienwahl sollte ein Prozess sein, wenn man das sehr kurzfristig zu Semesterbeginn entscheidet, ist die Gefahr eines Studienwechsels und eines Studienabbruchs groß. Mehr Berufsorientierung in der Oberstufe wäre wichtig", sagt die AK-Expertin und fordert Berufsorientierung als eigenes Fach in den Schulen.

Zusätzliche Kurse

Marlene Voglmayr wusste schon in der Oberstufe, dass sie später Pressearbeit machen will. Heute ist die zweifache Mutter Magistra der Publizistik, Kunstgeschichte und Theaterwissenschaft und auf Jobsuche. Über das Arbeitsmarktservice hat sie einen Kurs für Public Relation und Marketing am Berufsförderungsinstitut BFI gefunden. Den Unterricht an zwei Abenden in der Woche beurteilt Voglmayr als sehr praxisnah:

"Jede Woche steht ein anderes PR-Schwerpunktthema auf dem Programm, wo Menschen aus der Praxis vortragen." Die Kosten von 1.900 Euro pro Semester sieht Voglmayr als Investition in ihre berufliche Zukunft. 300 Euro bekommt sie vom WAFF, dem Wiener Arbeitnehmerinnen-Förderungs-Fonds.

Das WU-Zentrum für Berufsplanung

An fast allen Universitäten gibt es Berufsplanungszentren, die Studierende und Absolventen bei der Jobsuche unterstützen. Das Zentrum für Berufsplanung an der Wirtschaftsuniversität Wien hat damit schon seit mehr als 20 Jahren Erfahrung. Geschäftsführerin Andrea Tschirf erklärt, wie die Vermittlung funktioniert: "Sie können sich online in unserem Bewerberpool eintragen, dann folgt ein Gespräch mit einem Berater. Wenn wir ein Stellenangebot von einem passenden Unternehmen bekommen, bringen wir Firma und Absolvent zusammen."

Bis zu Dreiviertel aller WU-Absolventen werden jährlich auf diesem Weg vermittelt, sagt Tschirf. Das Zentrum ist als gemeinnütziger Verein organisiert und finanziert sich in erster Linie aus Mitgliedsbeiträgen der etwa 800 Firmen, mit denen die WU zusammenarbeitet. Diese Firmen bieten auch Praktikumsplätze für Studenten an. Diese Angebote seien jedem Studenten während des Studiums zu empfehlen, meint Tschirk. Der Verdienst sollte dabei nicht im Vordergrund stehen. Die Erfahrung vieler ehemaliger Praktikanten zeigt, dass man den Unternehmen bei entsprechender Leistung in guter Erinnerung bleibt und dann dort sogar später ins Berufsleben einsteigen kann.

Realitätssinn und Mobilität gefragt

Wenn es bei der Jobsuche Probleme gebe, sei meist schlechte Vorbereitung der Hauptgrund, sagt Berufsplanerin Tschirf: "Man sollte sich realistische Vorstellungen über Berufe und Branchen verschaffen." Personalberater Stummer wünscht sich von den Jugendlichen und Maturanten mehr Selbstbewusstsein und eine gesunde Mischung aus Realitätssinn und Idealismus. Viele Firmen klagen auch über zu wenig Mobilität der künftigen Mitarbeiter:

"Manchmal sind Menschen lieber arbeitslos, als von Favoriten nach Floridsdorf zu fahren. Dieses Problem gibt es vor allem in Wien", sagt Stummer. Andrea Tschirf hat mit WU-Absolventen ähnliche Erfahrungen gemacht: "Absolventen gehen lieber nach Kairo, als täglich von Wien nach Baden zu pendeln." Und Stummer ergänzt: Der Weg kann das Ziel sein, aber man sollte nicht ohne Ziel in den Tag hinein leben."

Hör-Tipp
Saldo, Freitag, 6. Oktober 2006, 9:45 Uhr

Download-Tipp
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Links
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Thomas Stummer