Beulen und Dellen im Raum

Reisen durch die Zeit

Immer wieder beschäftigen sich Wissenschaftler und andere Neugierige mit der Frage, ob Reisen in die Vergangenheit durch die Konstruktion einer entsprechenden Maschine möglich sind. Künstlerische Modelle und Zeitreisekonzepte gibt es genug.

Das philosophische Argument gegen Zeitmaschinen lautet Zeitreisen führen zu Zeitparadoxa, wie zum Beispiel das Großvaterparadoxon. Es besagt: Wenn der Enkel in die Vergangenheit reist und dort seinen noch kinderlosen Großvater tötet, kann niemand den Vater und Enkel gezeugt haben. Wenn es also keine Nachkommen gibt, wird auch der spätere Mörder nicht geboren und der Großvater auch nicht umgebracht. Wenn der Großvater jedoch sein normales Leben lebt, zeugt er seinen späteren Mörder. Der bringt ihn dann um und die Tatsachen drehen sich im Kreis. Das Paradoxon scheint unauflösbar.

Zeit - die vierte Dimension

Trotzdem glauben viele ernstzunehmende Physiker, dass Zeitreisen möglich sind. So ist die Zeit ist laut dem Physiker Michio Kaku, Professor an der City University of New York, nichts anderes als eine zusätzliche Dimension des Raumes. "Einstein gab uns eine Vorstellung von der Zeit. Wenn sie jemanden in New York treffen wollen, wo ich lebe, sagen sie: 'Triff mich an der 42. Straße, Ecke 5. Avenue im 10. Stock um Mittag.' Vier Zahlen legen also das Ereignis fest."

Wie man den Fluss der Zeit stauen und umlenken kann, sagt die allgemeine Relativitätstheorie. Durch Geschwindigkeit und Gravitation. Es gilt: Je größer die Anziehungskraft, desto langsamer vergeht die Zeit. Je schneller man sich bewegt, desto langsamer vergeht die Zeit und desto langsamer altert man.

Raumverzerrungen als Vorrausetzung für Zeitreisen

Auch der große Mathematiker Kurt Gödel ging in seinem Aufsatz "Einige Bemerkungen über die Beziehungen zwischen der Relativitätstheorie und der idealistischen Philosophie“ konsequent davon aus, dass die Zeit eine zusätzliche Dimension des Raumes ist. Und dass sich der Raum und die Zeit unter Einfluss der universalen Anziehungskraft von Sternen, Galaxien und schwarzen Löchern, Gravitation genannt, verzerren kann. Dieser Raum schlägt Beulen und Dellen.

Doch Gödels Überlegungen haben einen kleinen Fehler. Er nahm an, das ganze Universum sehe aus wie eine Tasse Kaffee, während er umgerührt wird. Wie ein Zylinder, der sich um seine Längsachse dreht. Was der 1978 Verstorbene nicht wissen konnte, ist: Das Universum ist vermutlich kugelförmig und dreht sich überhaupt nicht.

Schwarze Löcher und Cosmic Strings

Nicht das Universum dreht sich, sondern einzelne Himmelskörper. Sterne und Galaxien, aber auch solch exotische wie Schwarze Löcher. Ausgebrannte Sterne, die in sich selbst zusammengefallen ihre Schwerkraft bis ins Unendliche verstärken, dass ihnen nicht einmal Licht entweichen kann.

Oder die bislang nur theoretisch vorhergesagten Cosmic Strings: Universale Gummibänder, Millimeter dünn und unendlich lang gespannt, die dem Raum, laut den Theorien des Physikers Richard Gott zur Folge, zu einem Zuckerhut verformen. Während das Licht den langen Weg über die Kegel-Spitze nimmt könnte der Zeitreisende die Strecke auf der Rundung abkürzen.

Ein künstlicher Zeitwirbel

Derzeit sind Zeitreisen rund um Cosmic Strings nichts als Science Fiktion. Trotzdem stellt sich die Frage: Kann man die von ihnen und anderen Himmelskörpern verursachten Raum-Zeitwirbel nicht auch künstlich herstellen?

Der Physiker Ronald Mallett will mit starken Ringlasern die Zeitlinie zu einer Spirale verdrillen. Der zirkulierende Lichtstrahl soll den Raum drehen wie der Löffel den Kaffee. "Wenn der Raum verdrillt wird, schlingt sich die Zeitlinie zu einer Schleife", sagt Mallett, "das bedeutet, ich kann von Morgen ins Gestern reisen."

Die ersten Chrononauten

Wenn Licht aus Ringlasern Raum und Zeit verwirbelt, muss man die entstehenden Strudel nachweisen können. Mallett möchte zunächst die Raumverwerfungen nachweisen. Ein kleiner Kreiselkompass, nach Norden ausgerichtet, wird auf dem Weg durch den Laser-Ring abgelenkt und zeigt in die Wolken. Für sein Experiment will er die kleinsten Kreiselkompasse der Welt verwenden: Rotierende Neutronen.

Sollte in fünf Jahren das Experiment klappen, will Ronald Mallett spätestens im Jahr 2016 kleine Chrononauten auf Zeitreise schicken. Wenige kleine, radioaktive Atome, die laut Statistik in einer bestimmten Zeit zerfallen sein müssen. Dehnt sich die Zerfallszeit charakteristisch aus, verlängert sich so zusagen das Leben dieser Atome, und Mallett hat deren eigene Zeitlinie gedehnt.

Hör-Tipp
Dimensionen, Dienstag, 3. Oktober 2006, 19:05 Uhr

Download-Tipp
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Buch-Tipp
Falko Blask und Ariane Windhorst, "Zeitmaschinen. Mythos und Technologie eines Menschheitstraums", Atmosphären Verlag, ISBN 3865330207

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