Schwarze Rhetorik

Die Kunst der Manipulation

Die tollen Jobs bekommen, die begehrten Partner erlangen, Geld, Macht, Einfluss mehren und behalten, all das gelingt mit Manipulation. Wer manipuliert, wird aber auch manipuliert, zum Beispiel von der Werbung, erläutert Lothar Kolmer in seinem Buch.

Sie müssen, heißt es am Beginn von Lothar Kolmers Buch "Die Kunst der Manipulation", nur das Buch lesen und Sie werden umgehend erleben, wie Sie gegnerische Aussagen vernichten, wie Sie in Diskussionen triumphieren und Bewunderung erringen, vor allem die Ihrer Vorgesetzten. Sie kommen ans Ziel und es macht auch noch teuflisch Spaß. Aber:

Sie haben dabei nur eines vergessen: Auch Sie sind ein wunderbares und gut geeignetes Zielobjekt für Manipulation - und deshalb meilenweit davon entfernt, irgendeine dieser Absichten verwirklichen zu können. Denn wenn auf Sie ein derartiger "Triebappell" wirkt, dann auch andere - und es gibt unzählige Techniken, um Sie zu manipulieren, ohne dass es Ihnen bewusst wäre oder Sie sich dagegen wehren könnten.

Vom Geltungswunsch verführt

In diesen ersten Absätzen wird ein Grundgedanke des Buchs bereits praktisch angewandt: Manipulation braucht nicht nur jemand, der manipulieren will, sondern auch jemand, der mehr oder weniger bereitwillig in die Falle geht. Dieses Zusammenspiel zeigt Kolmer an zahlreichen Beispielen, von Manipulation in der Arbeitswelt, in Medien und Politik, und natürlich erst recht in Marketing, Werbung und Verkauf.

Das Dazugehören-Wollen, der Wunsch, etwas zu gelten, mehr zu gelten sind Motive, die stark genug sind, Menschen in die Verschuldung zu treiben. Je mehr am Spiel steht, desto weniger scheinen wir uns rational zu verhalten. Beim Kauf eines Autos zum Beispiel fällt die eigentliche Entscheidung innerhalb von 40 Sekunden, haben psychologische Studien ergeben - zumindest bei Männern, während Frauen da kühler bleiben, länger überlegen und nachrechnen. Die Autowerbung dient eigentlich nur dazu, ein schlechtes Gewissen zu beruhigen.

"Schafe werden geschoren"

Entscheidungen hinterher gerechtfertigt erscheinen zu lassen, dieses Problem stellt sich genauso in der Politik - und das wird dann so richtig deutlich, wenn es dabei zu Pannen kommt. Aktueller Beleg für Kolmer: die jüngsten Ereignisse in Ungarn. Doch allzu überheblich, meint Kolmer, sollten wir nicht auf die Nachbarn im Osten blicken.

Das Grundproblem stellt sich in fast allen Ländern gleich: Die Staaten sind verschuldet, Wahlgeschenke bei nüchterner Betrachtung nicht drin. Die Politiker wissen aber sehr gut, dass Versprechen vor der Wahl nach der Wahl bald vergessen sind. "In einem gewissen Sinn sind die Österreicher da wie die Schafe, und das Problem ist, dass Schafe dann eben geschoren werden, wenn sie sich's ohne Widerstand gefallen lassen", meint Kolmer.

Skrupellose Anwendung psychologischer Erkenntnisse

Der Bayer Lothar Kolmer, der seit mehreren Jahren einen Lehrstuhl an der Universität Salzburg hat, betrachtet seine Wahlheimat Österreich mit dem manchmal bekanntlich schärferen Blick eines Zugereisten. Als Historiker beschäftigt sich Lothar Kolmer seit langem mit Rhetorik und ihrer siamesischen Zwillingsschwester, der schwarzen Rhetorik oder Manipulation. Dass beide Künste in den USA am weitesten entwickelt sind, ist Folge einer langen Vorgeschichte.

Die Rhetorik entstand vor allem in demokratischen Gesellschaften, überall dort, wo in Volksversammlungen oder Parlamenten überzeugt werden musste, mit sauberen und auch unsauberen Mitteln. In den USA hatte die Kriegspropaganda schon im Ersten Weltkrieg mehr als anderswo Überzeugungsarbeit leisten, um die skeptische Bevölkerung zum Kriegseintritt zu bewegen. Zu der dabei gewonnenen Erfahrung kamen bald Erkenntnisse aus der Psychoanalyse und aus der intensiven Forschung in der Psychologie. Die Ergebnisse sind bekannt: immer raffiniertere Werbung, aber auch skrupellose Manipulation im Dienst von Wirtschaft und Politik. Man erinnere sich an die von einer Werbeagentur gefälschten Filme, auf denen irakische Soldaten Babys aus Brutkästen rissen, oder an die verzerrt wiedergegebenen Geheimdienstberichte über Saddam Husseins Waffen.

Aktuelle Beispiele

Die Studie über "Die Kunst der Manipulation" ist aber keine historische Abhandlung, auch wenn Bezüge auf Antike, Mittelalter oder das 19. Jahrhundert nicht fehlen. Kolmer stellt Kommunikations- bzw. Manipulationsmuster dar, vor allem anhand aktueller Beispiele aus USA, England, Deutschland und Österreich - manche skurril, manche haarsträubend, manche nachdenklich machend.

Frage an den Historiker Lothar Kolmer: Bei so vielen Jahrhunderten Erfahrung mit Manipulation, wie sie schon aus den lateinischen Namen vieler Techniken hervorgeht, sollten wir uns nicht inzwischen auch ganz gut dagegen schützen können?

"Sollte man meinen, aber dem ist nicht so", meint Kolmer. "Die meisten Menschen reflektieren zu wenig über ihr Konsumverhalten, ihr Freizeitverhalten, vielleicht auch ihre Wählerentscheidungen, und da passiert es."

Hör-Tipp
Kontext, jeden Freitag, 9:05 Uhr

Download-Tipp
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Buch-Tipp
Lothar Kolmer, "Die Kunst der Manipulation", Ecowin Verlag 2006, ISBN 3902404299