Suketu Mehta in Mumbais Unterwelt

Einen Mord hast du frei

Nach 21 Jahren kehrt Suketu Mehta in seine Heimatstadt zurück, um ein Buch über die Metropole zu schreiben. In der Unterwelt Mumbais - vormals Bombay - trifft er Hindu-Demagogen, die schönste Bartänzerin und den berüchtigtsten Verbrecher Indiens.

Suketu Mehta hat Mut. Er erkundet die Unterwelt Bombays. In den Bars und Rotlichtvierteln lernt er Prostituierte, Tänzerinnen und Transvestiten kennen. Tagelang mietet er Hotelzimmer, um sich mit Auftragskillern der wichtigsten indischen Verbrechersyndikate zu treffen. Einmal telefoniert er mit dem Chef einer der Banden.

Am Ende fragt er mich: "Aber sagen Sie mir doch, was halten Sie von mir?" Während ich mit ihrem Chef rede, beugen sich die Jungs über meinen Laptop, um zu sehen, was ich schreibe. Ich muss vorsichtig sein.
"Sie sprechen wie ein Dichter", antworte ich, denn ich kenne meine Landsleute.
Dem Boss gefällt die Antwort. Er bietet mir ein Geschenk an. "Wenn Sie irgendetwas vom mir brauchen, irgendeine Arbeit, die erledigt werden müsste, Sie können mich jederzeit anrufen."
Der Unterweltboss schenkt mir den Tod eines Feindes. Eine kleine Aufmerksamkeit der Company.

Bombay - New York und retour

Suketu Mehta wird 1963 als Sohn eines Diamantenhändlers in Kalkutta geboren. Seine Kindheit verbringt er in Bombay. Als er 14 ist, zieht er mit seinen Eltern nach New York.

1998, nach 21 Jahren in den USA, entschließt sich der Journalist und Drehbuchautor, für einige Jahre in die Stadt seiner Kindheit zurückzukehren, um ein Buch über Bombay zu schreiben.

Der Großraum Bombay ist mit gegenwärtig rund 19 Millionen Einwohnern bevölkerungsreicher als 173 Staaten der Erde. Bald werden in der Stadt Bombay mehr Menschen leben als auf dem gesamten australischen Kontinent.
In Singapur leben 6.500 Menschen auf einem Quadratkilometer, in der Inselstadt Bombay dagegen 29.000. In einigen Stadtteilen im Zentrum drängen sich gar 400.000 Menschen auf einem Quadratkilometer. Das ist die registrierte Wohndichte.

"Wie sieht das aus, wenn ein Mensch brennt?"

Suketu Mehta schließt Freundschaft mit dem berühmtesten Terroristenjäger der Bombayer Polizei und mit den Filmstars von Bollywood. In den riesigen Slums trifft Suketu Mehta Menschen, die an den Unruhen 1992/93 beteiligt waren. Nach der Zerstörung der Babri-Moschee im nordindischen Ayodhya, war es in Bombay zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen Hindus und Muslimen gekommen. "Wie sieht das aus, wenn ein Mensch brennt?" fragt er die Männer, die damals, aufgestachelt von der nationalistischen Hindu-Partei Shiv Sena, morgens mit Muslimen Geschäfte gemacht und sie nachmittags verbrannt haben.

Ich habe den Brotmann angezündet. Wir übergossen ihn mit Benzin und steckten ihn in Brand. Er zitterte. Er schrie. "Ich habe Kinder! Ich habe Kinder!" Ich dachte nur, das ist ein Muslim.

Mit Preisen überhäuft

Über eine Million Wörter umfassen Suketu Mehtas Aufzeichnungen, als er nach zweieinhalb Jahren in die USA zurückkehrt. Vier Jahre lang ist er damit beschäftigt, auf 800 Seiten das facettenreiche Porträt der indischen Megametropole zu zeichnen.

Als das Buch "Maximum City. Bombay lost and found" im Jahr 2004 erscheint, sind die Kritiker sofort begeistert. Suketu Mehta wird mit Preisen überhäuft, das Buch in zahlreiche Sprachen übersetzt. Die im September 2006 veröffentlichte deutsche Fassung trägt den Titel "Maximum City".

Mehr zu Mumbai in oe1.ORF.at

Hör-Tipps
Terra incognitag, Donnerstag, 29. Jänner 2009, 11:40 Uhr

Tonspuren, jeden Freitag, 22:15 Uhr

Buch-Tipp
Suketu Mehta, "Maximum City", aus dem Englischen übersetzt von Anne Emmert, Heike Schlatterer und Hans Freundl, Suhrkamp Verlag

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Links
Suketu Mehta
Suhrkamp Verlag - Bombay, Maximum City