Roland Alton-Scheidl über Lizenzbaukästen
Kopieren - aber richtig
Spätestens seitdem die Musikindustrie Kampagnen gegen Familienväter als inhaftierte Raubkopierer auf Kinoleinwänden lanciert hat, ist die Balance zwischen den Interessen der Kreativen, der Verleger und den Mediennutzern aus dem Lot geraten.
8. April 2017, 21:58
Das Recht auf Privatkopien oder der öffentliche Zugang zu Information und Wissen muss erhalten bleiben und kann auch ohne DRM (Digital Rights Management) organisiert werden. Mit Creative Commons und Registered Commons stehen adäquate Lizenzwerkzeuge zur Verfügung: DRE (Digital Rights Enabling) ermöglicht es, die Nutzungsregeln transparent zu gestalten.
Verlage stellen auf offene Lizenzen um
So geschehen: Meine Freude über den Sendestart von okto.tv im November 2005 brachte ich in einem Blogeintrag zum Ausdruck. Auch die Fachzeitschrift "mediabiz" widmete den TV-Alternativen im März 2006 eine Doppelseite. Beim Durchlesen kam mir die Textpassage über okto.tv jedoch bekannt vor: Sie war nahezu identisch aus meinem Blog abgeschrieben worden.
Dies hätte mir ziemlich egal sein können, jedoch habe ich mit Creative Commons einige Regeln formuliert, unter welchen Bedingungen meine Werke weiterverwendet werden dürfen. Ich überlegte eine zeitlang, wie ich "mediabiz" das Regelwerk einer Remix-Kultur vermitteln könnte und schrieb eine Abmahnung. Nach einigen Telefonaten einigten wir uns schließlich darauf, dass künftige Ausgaben des "mediabiz" unter eine Creative Commons Lizenz gestellt werden und in der Sommernummer darüber berichtet wird. Denn schließlich entspricht die Idee der Weitergabe auch dem Grundkonzept dieser Zeitschrift.
Suche nach Lizenztyp nun möglich
Creative Commons ist ein Werkzeug für Autoren, ihre Werke so zu veröffentlichen, dass damit weitere Nutzer gleich die Bedingungen kennen, unter der eine weitere Nutzung zulässig ist. Weltweit ist die Lizenz mittlerweile mehr als 140 Millionen Mal im Einsatz und erleichtert so wesentlich den Austausch von Inhalten, unter Berücksichtigung etwa des Prinzips, dass alle Autoren stets genannt werden müssen.
Als Mitinitiator von Creative Commons Österreich war es mir ein besonderes Anliegen, dass diese Bestimmungen auch respektiert werden. Bislang sind diese Lizenzen vor allem im privaten Bereich im Einsatz, auch bieten etwa Google oder Yahoo in ihren Suchabfragen oder das MS-Office Suite beim Abspeichern von Dokumenten mittlerweile die Lizenzmodule von Creative Commons an.
Open Source unterstützt Open Content
Open Source hat sich längst aus der Bastelecke in die professionelle Umgebung der Rechenzentren hinentwickelt, wobei Einnahmen aus dem Supportgeschäft etwa in die Weiterentwicklung von Linux fließen, das wiederum allen zugute kommt. Genauso sind für Kreativschaffende offene Lizenzen der Katalysator, mit dem mehr Aufmerksamkeit aufgrund der rechtlich unkomplizierten Verbreitung der Werke erreicht werden kann.
Magnatune oder Jamendo sind zwei Netlabels, die wunderbare Musik anbieten und zu Auftritten verhelfen. Denn die CD-Herstellungs- und Vertriebskosten rechnen sich für die meisten Bands ohnehin nicht und werden oftmals nur als Marketingmaßnahme gesehen - und das geht über das Netz schneller, einfacher und weitreichender.
Netlabels veredeln die Nutzung durch Vorschläge aufgrund von Nutzerprofilen und erzielen Einnahmen durch Werbung, direkte Lizensierung und dedizierte Streams. Diese werden etwa für Restaurants extra kompiliert und sind für diese günstiger, da Abgaben an Verwertungsgesellschaften entfallen. Die Werkzeuge hierzu werden mit Open-Source-Komponenten gebaut.
Registrierung erhöht Rechtssicherheit
Bislang ignorieren die Verwertungsgesellschaften den Open-Content-Trend. Dies brachte eine Musikerin und ihren Produzenten in die Bredouille. "Dass ich als akm mitglied gar kein cc machen DARF!!! ist zwar haarsträubend aber ein fact", schrieb sie mir im Juni 2006 und bat um Rat.
Die Wahrnehmungsverträge der Verwertungsgesellschaften gelten für sämtliche bisherige und zukünftige Werke und lassen derzeit keine Publikationen unter Creative Commons zu. Zur Wizards-of-OS Konferenz in Berlin habe ich im Kompetenznetzwerk Mediengestaltung mit einem engagierten Team von Medienproduzenten und Datenbankspezialisten registeredcommons.org gemeinsam mit dem Begründer von Creative Commons, Lawrence Lessig, ins Leben gerufen.
Dieser Service bietet Rechtssicherheit bei Verwertungen Dritter von Creative-Commons-lizenzierten Werken durch digitale Zeitstempel. Der Service wird genossenschaftlich verwaltet, sodass die demokratische Mitbestimmung der Nutzer ohne der Möglichkeit einer Übernahme durch finanzstarke Kapitalgeber gewährleistet ist.
Eine Frage der Zeit
Mit registeredcommons.org lassen sich abseits des konventionellen Weges über Verwertungsgesellschaften und ohne aufwändige DRM-Mechanik Werke verbreiten und für weitere Nutzungen verwerten.
Mal sehen, wie lange es nach dem Start dieses Zusatzdienstes zu Creative Commons noch dauert, bis sich die Verwertungsgesellschaften ernsthaft mit dem Phänomen des Open Content beschäftigen und den üppigen Geldregen von jenen, die vor 40 Jahren einen Hit geschrieben haben (bzw. deren Erben,) umverteilen auf die Remix-Kulturschaffenden der Nullerjahre.
Roland Alton-Scheidl gründete 1995 das Public Voice Lab, das Medien- und Open Source Projekte nun genossenschaftlich als osalliance.com umsetzt. An der Fachhochschule Vorarlberg ist er in der F&E Koordination tätig.
Hör-Tipp
Matrix, Sonntag, 1. Oktober 2006, 22:30 Uhr
Download-Tipp
Ö1 Club-DownloadabonnentInnen können die Sendung nach der Ausstrahlung 30 Tage lang im Download-Bereich herunterladen.
Links
Creative Commons International
Creative Commons Östererich
iCommons Community
RegisteredCommon
Kompetenznetzwerk Mediengestaltung
OSalliance
www.Wizards-of-OS.org
iRights.info - Urheberrecht in der digitalen Welt
Public Voice Lab
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