Ernährung im Wandel der Zeit

Geschichten aus dem Bauch

Seit es Menschen gibt, verbringen sie viel Zeit damit, Nahrung zu beschaffen. Essen war aber immer mehr als das bloße Stillen von Hunger: Es diente der Sinnesfreude, war Bestandteil von Ritualen und immer auch Mittel der sozialen Differenzierung.

Das Essverhalten war in keiner Gesellschaft und in keiner Epoche einheitlich. Dennoch lassen sich große Entwicklungslinien nachzeichnen, die helfen, auch unseren heutigen Umgang mit Nahrung in der westlichen Überflussgesellschaft besser zu verstehen.

Abkehr von der gemischten Kost

Besonders rasch vollzog sich die Entwicklung auf dem Ernährungssektor in den vergangenen vier Jahrzehnten. Noch in den Sechzigerjahren bevorzugten die Europäer das, was man als ausgewogene "gemischte Kost" bezeichnet: Tierische Lebensmittel, Fleisch- und Milchprodukte, kombiniert mit Lebensmitteln pflanzlicher Herkunft, Getreide, Obst, Gemüse und Hülsenfrüchten. Über pflanzliche Lebensmittel wurden zwei Drittel bis drei Viertel der Nahrungsenergie gewonnen.

Das hat sich bis zur letzten Jahrhundertwende drastisch verändert. Die Menschen begannen weniger Getreide und Kartoffeln und mehr Fleisch zu essen. Der Milchkonsum dagegen stagnierte. Die Folge war eine Mangelversorgung von Vitamin D, Folsäure und manchen Mineralstoffen, vor allem Eisen.

Nicht zufällig sind in diesem Zeitraum auch bestimmte Zivilisationskrankheiten wie Fettleibigkeit, Diabetes und Bluthochdruck sowie manche Krebsarten stark angestiegen. Die Nahrungsmittelindustrie reagierte darauf mit so genannten Light-Produkten und Functional Food.

Vom Jäger zum Bauern

Umbruchs- und Übergangssituationen gab es in der Ernährungsgeschichte immer wieder: Zum ersten Mal hat sich die menschliche Ernährungsweise vor etwa 7.500 Jahren, in der Jungsteinzeit, grundlegend verändert. Aus Jägern und Sammlern wurden sesshafte Bauern, die nicht nur Fleisch, sondern auch vermehrt Getreide und Hülsenfrüchte aus eigenem Anbau aßen.

Nachhaltigen Einfluss auf die Ernährungsgeschichte Europas hatte die Christianisierung. Mit dem Aufbau des Klosterwesens wurde im Mittelalter nördlich der Alpen eine Reihe neuer Zivilisationstechniken und Ernährungsverhaltensweisen von Süden nach Norden transferiert.

Die Entdeckung Amerikas

Die Entdeckung Amerikas Ende des 15. Jahrhunderts hat dann die Ernährung Europas grundlegend verändert, wobei dem Mais und der Kartoffel die größte Bedeutung zukommt.

Große Veränderungen brachten auch bessere Transportmöglichkeiten: befestigte Straßen, Eisenbahnen und Kanäle, auf denen Lebensmittel nun viel schneller unterwegs sein konnten.

Luxusnahrungsmittel für alle

Im Lauf des 19. Jahrhunderts wurden auch viele Nahrungsmittel, die sich vorher nur Wohlhabende leisten konnten, von einer breiten Bevölkerung übernommen. Dazu zählten durchaus auch Kaffee, Tee und Reis, vor allem aber Zucker, der nun aus der Zuckerrübe gewonnen wurde und das exotische Zuckerrohr vom europäischen Markt verdrängte.

Nahrung wird nun auch industriell erzeugt und technisch überformt, man stellt vollkommen neue Lebensmittel und Surrogate her. Zu den wichtigsten Innovationen des 19. Jahrhunderts zählen zum Beispiel Backpulver, Kunsthonig, Milchpulver und Margarine.

Neue Kühl- und Konservierungsmöglichkeiten

Mit der Verbesserung der Lagerhaltung, neuen Kühl- und Konservierungstechniken werden die Möglichkeiten der Lebensmittelindustrie sukzessive erweitert und die Nahrungsbasis in bisher ungeahnter Weise vergrößert. Das verändert auch die Einstellung zum Essen.

Nach den Entbehrungen der beiden Weltkriege, begann ab den 50er-Jahren in Europa eine regelrechte Fresswelle. Zehn Jahr später erreichte die Esskultur eine neue Dimension: Der Haushaltskühlschrank setzte sich durch und auch Fertig- und Tiefkühlkost fanden rasche Verbreitung.

Supermarkt und Fast Food

Zudem revolutionierten neue Vertriebsformen wie der Supermarkt, den Einkauf: Die Selbstbedienung wurde eingeführt, die Auswahl wurde größer und Lebensmittel wurden immer mehr zu Markenartikeln.

Neben Kühlschrank und Fernreisen war es auch noch die sich rasch ausbreitende Schnell-Imbisskultur, die das Ernährungsverhalten im 20. Jahrhundert nachhaltig prägte.

Hör-Tipp
Dimensionen, Donnerstag, 28. September 2006, 19:05 Uhr

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