Solist, Liedbegleiter und Kammermusiker

In memoriam Karl Engel

Bescheidenheit und der Ehrlichkeit gegenüber der Komposition waren die Tugenden des Pianisten Karl Engel, der Anfang des Monats in der Schweiz verstarbt. Engel war Liedbegleiter vieler Gesangs-Stars. Seinen Schwerpunkt als Solist legte er auf Mozart.

Am 2. September dieses Jahres ist in der Schweiz der Pianist Karl Engel im Alter von 83 Jahren gestorben. Das waren den Kulturseiten nur ein paar wenige Zeilen wert. Engel, der sich schon lange aus dem aktiven zurückgezogen hat, war nie ein pianistisch Auftrumpfender gewesen. Seine Tugenden waren die der Bescheidenheit und der Ehrlichkeit gegenüber der Komposition.

Damit stellte er einen gewissen Gegenpol dar zu vielen Kollegen, die von weit ausgeprägterer Profilierungssucht getrieben waren als er. Karl Engel, ein unaufdringlicher Musiker. Ein Pianist ohne Allüren.

"Ein musikantischer Pianist"

"Karl Engel ist immer primär musikalischen Dingen auf der Spur. Er hat Freude dran, Melodien singend auszubreiten, Klänge zu modellieren, thematische Zusammenhänge formal klarzustellen. Er ist ein musikantischer Pianist, mit einem Hang zum klaren, Apollinischen. Das Prätentiöse liegt ihm nicht“, porträtierte Wolfram Schwinger im Jahre 1961 in der Musikzeitschrift Fonoforum den Schweizer Pianisten.

Damals war Karl Engel 38 Jahre alt, ein vielbegehrter Solist, Kammermusiker, Partner von Aurèle Nicolet, Paul Tortelier, Yehudi Menuhin oder Pablo Casals, bei dessen Festival in Prades er viele Jahre formend mit dabei war.

Begehrter Liedbegleiter

Karl Engel war ein begehrter Liedbegleiter. Er hat Liederabende und Plattenaufnahmen mit Edith Mathis, Maria Stader, Peter Schreier und Dietrich-Fischer Dieskau gemacht. Zudem hat er sehr intensiv mit Hermann Prey zusammengearbeitet.

Engel, 1923 in Birsfelden bei Basel geboren, hat in Basel bei Paul Baumgartner studiert, war mit Ausnahme seiner Meisterkurse bei Alfred Cortot bis 1956 ebendort, dann ist er dem Ruf einer Professur nach Hannover gefolgt, an der dortigen Musikhochschule hat Engel bis 1986 unterrichtet. Er hat in der ganzen Welt Meisterkurse gegeben.

Schüler von Cortot

Seine Karriere als Solist begann 1952, als er beim belgischen "Reine Elisabeth"-Wettbewerb in Brüssel knapp hinter dem amerikanischen Pianisten und Arthur-Schnabel-Schüler Leon Fleisher den zweiten Platz belegte.

Was hat Karl Engel seinem Meister-Lehrer Alfred Cortot zu verdanken? Den Sinn für tonlich schlankes, klares Musizieren, das feine Klanggefühl und das, was zwischen den Noten steht, nicht über zu bewerten. Die französische Nonchalance auch, die Dinge nicht zu ernst und schwer zu nehmen.

Mozart im Zentrum

Im Zentrum von Karl Engels musikalischem Kosmos stand immer Mozart, Engel hat mit dem Mozarteum-Orchester Salzburg unter der Leitung von Leopold Hager zu Beginn der 1970er Jahre sämtliche Klavierkonzerte sowie alle Sonaten auf Platte eingespielt.

Sich mit Mozart auseinanderzusetzen, ihn Klavier spielend zu deuten, das empfand Karl Engel als seine eigentliche künstlerische Aufgabe. Profilierungssucht war Karl Engels Sache nicht. Sein Spiel war von großer Natürlichkeit und uneitler pianistischer Ernsthaftigkeit getragen. Diese profunde Solidität hat ihm mitunter den Vorwurf mangelnder künstlerischer Ausstrahlung gebracht.

Von Sängern und Sängerinnen bewundert

Engels Bekenntnis zur Objektivität wurde ihm als Manko ausgelegt, einem Werk zu wenig den eigenen persönlichen Stempel aufzudrücken. Die Sänger seiner Generation haben ihn geliebt. Mit seiner feinen Anschlagkultur, seiner agogischen Intuition, seinem hochalerten, nie auftrumpfen wollendem Mitmusizieren.

Schumann, Beethoven, Schubert, Debussy

Karl Engel hat neben Mozart vor allem Schumann, Beethoven, Schubert und Debussy gespielt. In den 1970er Jahren hat Engel das komplette Klavierwerk von Schumann eingespielt, eine noch heute gültige Reverenzaufnahme.

Stravinsky und Bartok gehörten noch zu seinem Repertoire, aber die unmittelbaren Zeitgenossen zogen ihn nicht an. Er hatte da das Gefühl, andere spielten das besser.

Die moderne Klavierliteratur erfordere eine ganz andere Art des Spielens, die nicht von heute auf morgen zu erlernen sei, nur ein wirkliches Hineinwachsen garantiere befriedigende Ergebnisse. Seinen Studenten in Hannover hat er die Auseinandersetzung mit der Moderne allerdings sehr ans Herz gelegt.

Sein kammermusikalisches Engagement, seine intensive Liedbegleitertätigkeit hat er in späteren Jahren zugunsten der solistischen Auftritte eingeschränkt.

Mehr zu Mozart 06 in oe1.ORF.at

Hör-Tipp
Ausgewählt, Mittwoch, 20. September 2006, 10:05 Uhr

Links
Wikipedia - Karl Engel
Mozart 2006
Calling Mozart
Mozart 2006 Salzburg
Wiener Mozartjahr 2006