Schüssel und Plassnik über den Wahlkampf
"Man fragt sich, ob manche noch bei Sinnen sind"
In den letzten Tagen geriet das Niveau der Wahlkampagnen in die Schlagzeilen. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und Außenministerin Ursula Plassnik von der ÖVP sprachen im "Journal-Panorama" über Wahlkampfstil und transportierte Inhalte.
8. April 2017, 21:58
Wolfgang Schüssel zum Kampf gegen Armut
Knapp zwei Wochen bleiben noch bis zur österreichischen Nationalratswahl. In aktuellen Umfragen gilt der amtierende Bundeskanzler Wolfgang Schüssel als Favorit. Gemeinsam mit Außenministerin Ursula Plassnik stellte er sich in "Journal-Panorma" den Fragen von Hannes Aigelsreiter und Ernest Hauer.
Würde und Respekt
Der bisherige Wahlkampf hat Bundeskanzler Schüssel nicht gefallen. Worte wurden gewählt, die jede Form demokratischer Kultur und Fairness überschritten. "In der Sache kann man ruhig hart sein, aber es gibt einen politischen Stil, der dazu führen sollte, dass man sich nach dem Wahltag noch in die Augen schauen kann", meinte er. Denn jede Partei werbe für ihre Ideen und die eigene Sache.
Dazu gehöre es auch, die Fehler des anderen zu thematisieren, ohne von einem gewissen Stil abzuweichen, um so die Würde sowie den Respekt vor dem Mitbewerber zu wahren. Letztendlich bleibe der Stil jedoch jeder Partei selbst überlassen, so Schüssel weiter: "Die Wählerinnen und Wähler müssen sich selbst ein Bild machen."
"Eine sehr bewegte Welt"
Für Außenministerin Ursula Plassnik dürfen im Wahlkampf Themen und Inhalte nicht in den Hintergrund treten. Ein partnerschaftliches Verhältnis in der Partei und vor allem auch mit den Koalitionspartnern sei ihr aber dennoch wichtig, da eine "absolute Mehrheit kein sehr realistischer Ausblick ist". Ihrer Meinung nach haben sich die Wählerinnen und Wähler ihr Bild schon in den letzten Jahren gemacht und der Wahlkampf diene nur dazu, diese Meinung noch stärker zu schärfen.
Ortstafelstreit und Pflegedebatte
Laut Bundeskanzler Schüssel hat die ÖVP mit der Verfassungsgrundlage die Basis zur Schlichtung des Kärntner Ortstafelstreits geschaffen. Nun trage die SPÖ die Alleinschuld für den noch immer andauernden Konflikt in Kärnten, da sie das Verfassungsgesetz nicht unterstützt und somit eine historische Chance vergeben habe. "Wenn es nach mir geht, wäre das Problem längst gelöst", so Schüssel. Er hoffe nach wie vor auf die Zustimmung der SPÖ in dieser Frage.
Stichwort "Pflegenotstand": Die 10.000 bis 30.000 illegalen Pflegehelfer hätten zwar über einen längeren Zeitraum hinweg die Situation gerettet, indem sie fehlende Arbeitskräfte ersetzten, dennoch sei das für den Bundeskanzler nicht akzeptabel gewesen. Doch auch die Legalisierung und der Wegfall der Übergangsfristen sei momentan nur eine kurzfristige Lösung im Pflegenotstand.
Schüssel möchte in dieser Sache erst einmal "Angst nehmen", dann werde weiter überlegt. Die neuen Heime, mobilen Pflegedienste und das neu eingeführte Pflegesparen seien ihm noch zu wenig. Langfristig könne er sich vorstellen, dass ein neues Selbstständigkeitsmodell helfe.
Private Vorsorge
Außerdem solle im Zuge der nächsten Steuerreform die Erbschaftssteuer vollends abgeschafft werden, damit die mittlere Generation das Geld weiterverwenden könne um selbst für die Alterspflege vorsorgen zu können: "Warum soll etwas, das schon versteuert wurde, noch mal versteuert werden?"
Schüssel meinte weiters zur Frage der Erbschaftssteuer: Dadurch, dass viele Betriebe die Erbschaftssteuer aus der Substanz zahlen müssten, würden viele zu Grunde gerichtet. Das würde in der Folge auch nur wieder mehr Arbeitslose bedeuten.
Resümee des EU-Vorsitzes
Verschiedene Medien bilanzierten den EU-Vorsitz Österreichs als Gastgeber sehr gut, als Problemlöser jedoch eher schwach. Diese Meinung kann Plassnik nicht verstehen, denn für sie sei die Ratspräsidentschaft im Rückblick ein "sehr gutes Gefühl der Ausgeglichenheit" gewesen.
Für die Außenministerin stand vor allem die Arbeit im Team im Vordergrund, da gerade im Thema Südosteuropa sämtliche Minister gebraucht wurden. Ihrer Empfindung nach konnte ein internationales Vertrauenskapital geschaffen werden, da alle Mitgliedsstaaten in freier Selbstbestimmung an den Spielregeln arbeiten und ihre Werte zum Ausdruck geben konnten.
Plassnik plädierte zudem für den weiteren Ausbau der Europäischen Union, da die Staaten Südosteuropas ein unabtrennbarer Teil Europas seien. Es gehe ihr vor allem darum, "die Arbeit am europäischem Friedensprojekt voranzutreiben" und einen gemeinsamen europäischen Weg zu gehen. Diesen Weg gehen müssen die betroffenen Staaten jedoch selbst. Die EU könne nur Hilfe zur Selbsthilfe leisten - das treffe vor allem für Serbien zu, so Plassnik. Sie lege Wert auf große Sorgfalt bei der Überprüfung, ob etwa Serbien ein stabiles und demokratisches Land ist, bevor es in die EU aufgenommen werde.
Folgen der BAWAG-Krise
Laut Schüssel ist die BAWAG nach der Affäre dieses Jahres durch die Staatshaftung wieder auf sicherem Grund. Politische Kollateralschäden seien noch da, doch bei der Aufarbeitung dieses Problems verwies er auf die politisch dafür Verantwortlichen. Seiner Meinung nach sei das Risiko gebannt. Dennoch könne er keine Patentrezepte geben und jeder Bürger müsse selbst wissen, welcher Bank er sein Geld anvertraut.
Oft wird Bundeskanzler Schüssel vorgeworfen, Arme ärmer und Reiche noch reicher zu machen. Diesen Vorwurf wies er jedoch entschieden zurück. In den letzten Jahren habe sich die Sozialquote erhöht, wobei die Arbeitsquote um ein Prozent zurückgegangen sei. Außerdem habe die Steuerreform kleine Betriebe entlastet und es sei die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gestärkt worden.
Schüssels persönlicher Grundsatz lautet: "Wir müssen wirtschaftlich erfolgreich sein, aber gleichzeitige den sozialen Zusammenhalt garantieren und Generationen denkend Umweltverantwortung wahrnehmen." Sein Ziel sei es aber auf jeden Fall, gerade in diesem Bereich noch mehr zu erreichen.
Mehr zu allen aktuellen Berichten zur österreichischen Nationalratswahl 2006 in oe1.ORF.at
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Österreichische Volkspartei (ÖVP)