Beschreiben Sie uns Ihre Blitzlichterinnerungen

Wo waren Sie am 11. September 2001?

Vor fünf Jahren schreckte die Welt über der Meldung von den Anschlägen auf das World Trade Center auf. Obwohl man sich oft nicht mehr an nahe Liegendes erinnern kann, haben die meisten Menschen sehr präzise Erinnerungen an diesen 11. September.

Es ist erstaunlich, wie präzise und detailgenau sich Menschen an die Situation erinnern können, in der sie vor fünf Jahren von den Anschlägen auf das World Trade Center (WTC) erfahren haben. Und vielleicht auch gar nicht so erstaunlich, bedenkt man die Außergewöhnlichkeit und "Unerhörtheit" dieses Ereignisses.

Im Zentrum

Die Wiener Psychologin Judith Glück zum Beispiel arbeitete damals gerade in Berlin, da wurde im Radio das Musikprogramm eines Schnulzensenders unterbrochen und es kam die Meldung, dass ein Kleinflugzeug mit dem Südturm des WTC kollidiert wäre.

"Ein Sightseeing Flugzeug mit Touristen hieß es ", erinnert sich die Modedesignerin Karin Oebster vom Label Kayiko, "soll einen der Türme des WTC gestreift haben". Sie war gerade zu einer Bank in unmittelbarer Nähe des WTC unterwegs, als der Verkehr zusammen brach, die Taxis steckten im Stau, die U-Bahn fuhr nicht mehr weiter. Also machten sie und ihre Mitarbeiter sich zu Fuß auf den Weg zu ihrem Ziel. Plötzlich sahen sie den Rauch und blickten mit einer Menge anderer bestürzt in Richtung WTC.

Da kein Weiterkommen mehr möglich war, gingen sie in den Show-Room hinter dem Empire State Building, um zu telefonieren, da hörten sie ein Krachen und sahen weitere Rauchentwicklung und gleichzeitig auf einem Monitor, wie das zweite Flugzeug in den Nordturm einschlug. "Es war mir zu diesem Zeitpunkt völlig unmöglich zu realisieren, dass diese beiden Geschehen, das auf dem Bildschirm und das da draußen ein und das selbe waren", sagt Karin Oebster. Als sie dann einige Tage später in Wien aus dem Flugzeug stieg, fühlte sie sich als steige sie selbst von einer Filmleinwand herab ins reale Leben.

Filmriss

Einen Film drehen wollte der Regisseur Max Gruber, nämlich einen Werbefilm mit Franz Klammer. Dabei sollten 50 italienische Komparsen freudige Überraschung mimen, in dem Augenblick, in dem sie Franz Klammer als berühmten Skistar erkennen. Mitten in die Aufnahmen platzte die Meldung von den Anschlägen in New York. "Man kann sich vorstellen", resümiert Gruber, "dass es danach mit dem Inszenieren freudiger Überraschung vorbei war".

Auch die Malerin Daniela Hantsch kann sich genau erinnern, wie sie von dem Ereignis erfuhr, besser gesagt, dass anscheinend etwas passiert ist, was sie vorerst nicht sehr ernst nahm. Sie war gemeinsam mit einer Freundin auf einer Kinderparty, und alle, die Kinder und die Mütter waren mit ihren Nerven schon ziemlich am Ende.

Da läutete das Mobiltelefon der Freundin, diese hob ab und dann hörte Hantsch Folgendes: "Was? Wieso erzählst du mir jetzt vom World Trade Center, ich hab’ wirklich andere Sorgen, du kannst dir vielleicht nicht vorstellen, was hier bei mir gerade los ist?" Dann unterbrach die Freundin enerviert das Gespräch, wandte sich zu Hantsch und sprach: " Ich weiß wirklich nicht, was der jetzt mit dem WTC will?"

Blitzlichterinnerungen

"Man nennt diese lebhaften und detaillierten Erinnerungen von Weltereignissen in der Fachsprache flashbulb memories", erläutert die Psychologin Judith Glück. Eine Möglichkeit der Erklärung, warum das so ist, beziehe man aus der Evolution. Man vermute, dass spezielle neuronale Mechanismen bei solchen Ereignissen aktiviert werden, zum Schutz vor etwaigen Auswirkungen auf das eigene Leben und diese Mechanismen dienen der dauerhaften Einprägung in unser Gedächtnis.

Wo waren Sie am 11. September 2001? Beschreiben Sie uns bitte Ihre Erinnerungen im unten stehenden Forum.

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Hör-Tipp
Moment , Montag, 11. September 2006, 17:09 Uhr

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Buch-Tipp
Marc Pitzke, "Fünf nach Zero. Der 11. September und die Wiedergeburt New Yorks", Herder Verlag, ISBN 3451056925

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Links
Wikipedia - flashbulb memory
Kayiko