2.600 Mal "Yesterday"

Coverversionen

Seit dem Beginn der 1990er Jahre haben sich Neuinterpretationen von alten Liedern explosionsartig verbreitet. Durchschnittlich ist jeder fünfte neue Titel eine Coverversion. Ein wesentlicher Grund für die Flut an Coverversion liegt in den Veränderungen des Musikmarktes.

"Nothing Compares to You" - Coverversion und Original

Für manche sind sie die Kopie der Kopie der Kopie. Die Reaktion dieser Klientel auf Neueinspielungen altbekannter Nummern reicht von gelangweiltem Gähnen über das fluchtartige Verlassen von Räumen bis hin zum Ausschalten des Radios. Für andere sind Coverversionen geniale Werke von bis dahin (zumeist) unbekannten Popinterpreten. Die Grenze zwischen beiden Sichtweisen bildet meist die Anzahl der Lebensjahre.

Fest steht, dass sich seit dem Beginn der 1990er Jahre Neuinterpretationen von alten Liedern explosionsartig verbreitet haben. Durchschnittlich ist deshalb mittlerweile jeder fünfte neue Titel eine Coverversion. Ein wesentlicher Grund für diese Inflation liegt auch in den Veränderungen des Musikmarktes. Seit Mitte der 1990er Jahre haben neue Distributionsmittel den CD-Absatz einbrechen lassen, deshalb setzten viele Plattenfirmen auf Altbewährtes.

Kein Hit, keine Karriere

Ein Hit ist ein Hit ist ein Hit - aus dieser Logik heraus designen Musikstrategen junge Retortenbands. Im Gegensatz zu Superstars wie Madonna oder U2 (deren Image über Jahrzehnte aufgebaut wurde) haben diese in der Regel nur eine einzige Chance, ihre Sangeskunst zu beweisen. Wird die Produktion ein Flop, bedeutet das nicht selten die Kündigung des Plattenvertrages und damit verbunden meist das Ende der musikalischen Karriere.

Aus diesem Grund setzen viele Musikverlage auf Nummer sicher - sie greifen tief in die Mottenkiste der Popgeschichte und covern ehemalige Superhits. Im Gegensatz zu den 1980er Jahren, als man eher unbekannte Titel reanimierte, werden heute vor allem "Gassenhauer" gecovert. So wurde alleine "Yesterday" von den Beatles bisher rund 2.600 Mal neu eingespielt.

Transformation in andere Genres

Der Reiz für Musiker, sich mit Historischem zu beschäftigen, liegt vor allem in der Neuinterpretation. Eine besondere Herausforderung besteht darin, Musik in andere Genres zu transformieren. Harte Rock-Songs werden in elegische Balladen übersetzt, während Evergreens zu Punk-Nummern mutieren. Mittlerweile geht es aber nicht mehr nur um das Neu- und Andersspielen von Nummern.

Seit den 1980er Jahren gibt es auch die Mode, einzelne Elemente aus Musikstücken herauszuschneiden. Auf dem Computer werden diese "Samples" dann in einen völlig neuen Kontext gestellt. Vor allem im Hip Hop- und Techno-Bereich wird diese Technik häufig angewendet. Ebenfalls eine Neuentwicklung ist der "Bastard-Pop". Dabei werden zwei meist völlig unterschiedliche Stücke "gemixt". Die Kunst der DJs und Soundtüftler besteht dann darin, beide Teile möglichst harmonisch miteinander zu verschmelzen.

Eine Frage des Urheberrechts

Auch wenn Coverversionen heute in Mode sind - ganz neu ist diese Art der musikalischen Bearbeitung freilich nicht. Denn solange es Musik gibt, wurden Stücke interpretiert oder mehr oder weniger kunstfertig nachgespielt. Im Unterschied zu heute gab es in früheren Zeiten aber noch keine Urheberrechte. Um diese geltend zu machen, braucht man nämlich ein "Original".

Im Kontext der Musik gebräuchlich wurde dieser Begriff aber erst an der Wende zum 19. Jahrhundert. Um sich vom Adel abzugrenzen, versuchte das Bürgertum damals, den Topos der Individualität stärker zu betonen. Weil die gesellschaftliche Realität der industriellen Revolution (Massenarbeit in Fabriken) dazu aber kaum die geeigneten Möglichkeiten bot, wurde die Individualität auf Künstler projiziert.

Die ersten Verwertungsgesellschaften

Als geniales Individuum - so die Idee der damaligen Zeit - war es der Künstler, der originär seine Werke schuf. Weil man - so wie heute - von der Genialität alleine nicht leben kann, wurden Ende des 19. Jahrhunderts die ersten Verwertungsgesellschaften gegründet.

Diese vertreten Musiker und Komponisten. Ohne AKM, oder GEMA würden Coverversionen nicht das sein, was sie derzeit sind - ein millionenschwerer Markt.

Hör-Tipp
Radiokolleg, Montag, 4. September bis Donnerstag, 9. September 2006, jeweils 9:45 Uhr

Links
Wikipedia - Coverversion
AKM
GEMA