Raus aus den Slums mit allen Mitteln

Das böse Mädchen

Ein 2006 erschienener Roman des peruanischen Autors Mario Vargas Llosa trägt den Titel "Das böse Mädchen". Er handelt von einem Mädchen aus den Slums, das sich nach oben schläft - und doch nicht weiterkommt.

Ich werde für immer nur bei einem Mann bleiben, der sehr, sehr reich und sehr, sehr mächtig ist. Du wirst es niemals sein, leider.

Solch eine Antwort auf einen romantischen Heiratsantrag zu bekommen ist bitter.

In seinem neuen Roman begleitet Mario Vargas Llosa, den man wohl als einen der "großen Alten" der lateinamerikanischen Literatur bezeichnen darf, eine Liebe auf ihren Wegen und Abwegen - eine Liebe, die 40 Jahre lang andauert und nie an ihr Ziel gelangt. Hier: das "böse Mädchen", die Titel gebende Hauptfigur, ein Slumkind aus allerärmsten Verhältnissen, da ein braver Junge aus dem Mittelstand, ruhig, ein wenig schüchtern, der den Berufsweg eines Literaturmenschen, eines Übersetzers und Dolmetschers einschlagen wird.

Ich verliebte mich wie ein Mondkalb in Lily, in ihren kühnen Hüftschwung, in diesen Kreisel, diese flackernde Flamme, dieses Irrlicht, in das sie sich verwandelte, wenn mit dem Aufsetzen der Nadel auf dem Plattenteller der Mambo explodierte und sie zu tanzen begann.

Hübsch und intelligent

Ricardo ist 15 Jahre alt, als er Lily bei einem Fest kennen lernt. Das Mädchen aus der 12-köpfigen Slum-Familie hat aber anderes vor, und dafür wirft es seine herausstechenden Qualitäten in die Waagschale: Lily ist hübsch, intelligent, und sie setzt auf eine scheinbar simple Formel für den sozialen Aufstieg: reiche Männer.

Die geborene Otilita, spätere Lily, spätere Genossin Arlette, spätere Madame Arnoux, spätere Mrs. Richardson, spätere Frau Somocurcio geht diesen Weg konsequent. Von einem prominenten Kommandanten der gerade siegreichen kubanischen Revolution über einen hohen französischen Staatsbeamten, einen dubiosen, aber steinreichen englischen Geschäftsmann bis zu einem japanischen Yakuza-Boss liebt und schläft sie sich die finanzielle Stufenleiter hoch.

Schlachtfeld Leben

Ich stellte mir ihre Kindheit vor, in diesem Inferno, das Peru für die Armen ist. Die tausend Risiken, Zugeständnisse, Kapitulationen, Opfer, zu denen sie gezwungen war, um nicht unterzugehen. Wie hart und kalt es sie gemacht hatte, sich mit Zähnen und Klauen gegen das Unglück zu verteidigen. All die Betten, durch die sie gegangen war, um nicht zermalmt zu werden in diesem Leben, das für sie ein Schlachtfeld war.

So resümiert der "brave Junge" Ricardo 40 Jahre, respektive 400 Seiten später. Die ganze, lange Zeit hindurch versuchte der seine Angebetete davon zu überzeugen, dass Geld allein nicht glücklich macht.

Glück - ich weiß nicht, was das ist, aber ich weiß, dass Geld dir Sicherheit gibt. Es schützt dich. Es erlaubt dir, das Leben zu genießen. Es ist das Glück, das sich anfassen lässt.

Die Karriere des "bösen Mädchens" scheitert natürlich monströs. Reiche und mächtige Männer sind nicht gratis zu haben. Sie sind Egoisten und Tyrannen - sonst wären sie nicht reich und mächtig. Sie sind pervers, manchmal auch sadistisch, was Llosa Gelegenheit zur Schilderung von manch einschlägigem Detail gibt. Sie haben im Fall des Falles die besseren Anwälte und die besseren Kontakte zu Gerichten und Behörden.

Literarische Regierungserklärung

Es wäre nicht Mario Vargas Llosa, würde er in seinem Buch nicht auch die politische Geschichte Perus in diesen 40 Jahren, etwa von 1950 bis 1990, miterzählen. 1990 kandidierte der Autor selbst für die Staatspräsidentschaft des Andenlandes, und er war seit jeher ein politisch aktiver und demokratisch engagierter Schriftsteller. So ist sein Roman auch eine Art fiktive literarische Regierungserklärung geworden, gleichsam Llosas Programm, hätte man ihn zum Präsidenten gewählt.

Der hoch dekorierte peruanische Autor zeichnet ein breites Panorama seiner Zeit und seines Landes, eingebettet in die spannende, manchmal recht frivole, immer aber ergreifende Geschichte einer unmöglichen Liebe.

Service

Mario Vargas Llosa, "Das böse Mädchen", aus dem Spanischen übersetzt von Elke Wehr, Suhrkamp Verlag, ISBN 3518418327