Einfach Kunst

Ars Electronica Festival in Linz

Das älteste Medienkunstfestival der Welt, die Ars Electronica, sucht heuer nach der Einfachheit hinter komplexer Technologie: "Simplicity, the art of complexity" heißt das diesjährige Motto. Ein Streifzug durch die Ausstellungen des Festivals.

Zurück zu den einfachen Dingen. Dieser Satz könnte das Mantra einer Generation von Fortschrittsverweigerern sein. Doch nein, es ist das Motto des diesjährigen Ars Electronica Festivals in Linz. Das älteste Medienkunstfestival der Welt sucht nach der Einfachheit hinter komplexer Technologie: "Simplicity, the art of complexity".

Einfachheit vs. Komplexität

In unserer hoch technologischen Zeit fühlen sich viele Menschen wie gefangen in einem komplizierten Labyrinthsystem und wünschen sich vor allem eines: ein einfaches Leben. Paradoxerweise lässt sich dieser Traum heute häufig nur sehr schwer verwirklichen.

John Maeda, der berühmte Medienkünstler und Professor am MIT Media Lab in New York, ist einer der Stars des diesjährigen Ars Electronica Festivals. Seit Jahren beschäftigt er sich mit diesem Spannungsverhältnis zwischen Einfachheit und Komplexität in Technologie, Kunst und Forschung. "Ich denke, wir fühlen das Bedürfnis nach Einfachheit nur wegen der modernen Computertechnologie", meint Maeda. "Sobald diese Entwicklung die Dritte Welt erreicht - nächstes oder übernächstes Jahr -, werden diese Länder genauso darunter leiden. Das ist fast so, als würde die westliche Welt Krankheiten verursachen und das ist ein gutes Geschäft."

Zu finden ist John Maeda im Linzer Kunstmuseum Lentos. Zu sehen sind sieben seiner bewegten Gemälde; Bilder, die fünfminütige Sequenzen einer sich ständig ändernden, kaleidoskopartigen Formen- und Farbenpracht zeigen. Stark stehen diese Werke in der Tradition der Landschaftsmalerei und lösen beim Betrachter meditative Ruhe aus.

E-Mail-Kunst

Aufrüttelnd präsentieren sich hingegen viele der preisgekrönten Computerkunstwerke des Prix Ars Electronica - zu sehen im O.K Centrum für Gegenwartskunst. Das Gewinnerprojekt der Kategorie "Interaktive Kunst" stammt von dem amerikanischen Medienkünstler Paul DeMarinis. Jedes E-Mail, das dem Künstler geschickt wird - egal, ob es sich um die intimen Nachrichten seiner Familie oder um sinnlose Werbung handelt - wird hier sichtbar gemacht.

In Einmachgläsern befindet sich jeweils ein Buchstabe des Alphabets. Indem die einzelnen Buchstaben zu tanzen beginnen, erschließt sich dem geduldigen Beobachter der Inhalt der E-Mails. Paul DeMarinis kritisiert mit seiner Installation ein Phänomen unserer Zeit: "Nachrichten im Internet verschwinden häufig im weit reichenden Nirgendwo, sie kommen über lange Distanzen von unsicheren Quellen und enden als tote Briefe. Wenn wir nicht den Kontakt zwischen Menschen am Leben erhalten, dann haben auch diese Nachrichten selbst keine Existenz."

Telefonieren im öffentlichen Raum

Mit der zwischenmenschlichen Kommunikation steht und fällt auch eine Reihe von Projekten im öffentlichen Raum. Rund um den Linzer Hauptplatz dreht sich unter dem Titel "Mobile City" alles um das wohl beliebteste technische Gerät unserer Zeit: das Handy. "Als ob wir alleine wären" heißt beispielsweise ein Projekt des Münchner Künstlerduos "Empfangshalle", das weltweit das Verhalten von Mobiltelefonierern recherchiert hat. "Es gibt so ganz typische Verhaltensweisen von überall, zum Beispiel sich in eine Nische drücken oder Kreise oder Kurven gehen."

Je nach Telefonier-Typ unterstützen engagierte Service-Mitarbeiter die Passanten beim hemmungslosen Plaudern am Handy und machen so darauf aufmerksam, dass man während eines Telefonats im öffentlichen Raum dann doch nicht so alleine ist, wie man sich vielleicht fühlt.

Workshop "Electrolobby"
"Jetzt bin ich 42 Jahre alt und bis ich 28 war, habe ich mich geweigert, ein Handy zu benutzen, weil es als unsozial galt, beispielsweise in einem Café zu telefonieren. Heute hingegen gilt es als unsozial, kein Mobiltelefon zu besitzen." Das sagt David Cuartielles, der diesjährige Kurator der Workshopreihe "Electrolobby" im Linzer Brucknerhaus. "In der Vergangenheit war es also eine ziemliche Leistung, einen Anruf zu tätigen, während es heute eine Leistung ist, keinen Anruf zu tätigen und nicht mir jedermann in ständigem Kontakt zu stehen. Diese Entwicklung betrifft unser tägliches soziales Umfeld", so David Cuartielles weiter.

Die traditionsreiche Workshopreihe "Electrolobby" im Linzer Brucknerhaus versteht sich auch heuer wieder als ein Labor für Experimente. Im Vordergrund steht der Arbeitsprozess, und nicht das fertige Kunstobjekt.

Kreativität zur Schau stellen

Experimentierfreude ist auch in der Linzer Kunstuniversität spürbar. Sowohl die Studierenden der Helsinki Art University als auch die heimischen Studentinnen und Studenten stellen in einer schier unendlichen Anzahl von Projekten ihre Kreativität zur Schau.

Der junge österreichische Student Bernhard Pusch präsentiert eine digitale Drehorgel, denn in Zeiten des technischen Fortschritts muss auch der gute alte Drehorgelspieler umrüsten und kann nicht mehr nur die alte Leier spielen. "Man kann durch blitzschnelles Wechseln der Musik viel mehr Leute ansprechen und jedem die persönliche, individuelle Musik spielen. Der Orgelspieler geht da nach äußerlichen Komponenten - Kleidung, Auftreten, Alter - und versucht anhand von Stereotypen die Musik für die digitale Orgel auszuwählen und diese dann in schönem, digitalen Klang zu servieren."

Schere und Papier

Der japanische Altmeister der Medienkunst, Toshio Iwai, bringt schlussendlich das Thema des heurigen Ars Electronica Festivals, das da lautet "Simplicity, the art of complexity", auf den Punkt. Er liefert die Lösung des Widerspruchs zwischen Einfachheit und Komplexität. Und diese Erleuchtung kam ihm beim Spielen mit seiner sechsjährigen Tochter:

"Nicht nur die Arbeit mit dem Computer, sondern auch das Arbeiten mit Schere und Papier ist ein hoch interessanter Prozess, finde ich. Wir müssen versuchen, zwischen dem analogen und dem digitalen Bereich eine Brücke zu schlagen", meint Iwai. "Ich weiß, es ist sehr, sehr schwer, eine gute Brücke zu bauen zwischen diesen beiden Endpunkten, aber ich denke, genau das ist notwendig in der nahen Zukunft."

Mehr zum Programm der Ars Electronica in oe1.ORF.at und zu allen Ö1 Übertragungen von der Ars Electronica in Ö1 - Der Festspielsender

Veranstaltungs-Tipps
Ars Electronica Festival, Donnerstag, 31. August bis Dienstag, 5. September 2006, 10:00 bis 19:00 Uhr, Linz, mehrere Veranstaltungsorte

Ars Electronica, Forum Digital Communities and Net Vision, Montag, 4. September 2006, 10:30 Uhr bis 17:00 Uhr, Brucknerhaus, Linz

Ö1 Club-Mitglieder erhalten beim Ars Electronica Festival 30 Prozent Ermäßigung auf den Festivalpass und 50 Prozent Ermäßigung auf den Katalog.

Ausstellung "CyberArts 2006", Donnerstag, 31. August bis Sonntag, 8. Oktober 2006, O.K Centrum für Gegenwartskunst, Linz,
Ö1 Club-Mitglieder erhalten ermäßigten Eintritt (40 Prozent).

Ausstellung "John Maeda - Nature, Freitag, 1. September bis Montag, 25. September 2006, Lentos, Linz,
Ö1 Club-Mitglieder erhalten ermäßigten Eintritt (30 Prozent).

Links
Ars Electronica - Festival
Brucknerhaus
O.K Centrum für Gegenwartskunst
Lentos

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