Die Veränderungen einer schönen Stadt

Zeitlose mediterrane Schönheit

Als Kulturstadt von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt, zieht Ragusa - besser bekannt unter dem kroatischen Namen Dubrovnik - jährlich abertausende Touristen an. Die Einwohnerzahl hingegen sinkt seit einigen Jahren ständig. Gründe dafür gibt es mehrere.

Plötzlich steht die alte Stadt Ragusa vor uns. So wunderbar haben sich hier das Land und der Mensch die Hände gereicht. Das gibt dieser einzigen Stadt ihre Hoheit, die doch auf der ganzen Erde keine mehr hat.

Diesen Passus liest man in "Dalmatinische Reisen" von Hermann Bahr. Dieses Buch hat der gebürtige Linzer Schriftsteller im Jahr 1905 geschrieben. Wenn man heute Ragusa - besser bekannt unter dem kroatischen Namen Dubrovnik - nach Saisonende bereist, hat so mancher den Eindruck, er befindet sich in einer Geisterstadt.

Das Wunder von Dubrovnik

... mit ihren Felsen und ihren Wällen in das schäumende Meer tretend; man weiß nicht, was Fels, was Wall ist, was gewachsen und was geschaffen, was von Ewigkeit und was das Werk der Zeiten ist ...

So schreibt Hermann Bahr über Ragusa alias Dubrovnik. Und in der Tat: Die Altstadt bleibt bei all seinen Besuchern lange als eine der schönsten Städte der Welt in Erinnerung. Man fragt sich danach immer, nach welchen menschlichen und ästhetischen Regeln die Menschen lebten, die diese nicht greifbare Schönheit schufen: 1.950 Meter Stadtmauern, die die Altstadt völlig umringen. 23 quadratische und runde Türme, Befestigungen und Schutzwerke schützen die Stadt nicht nur von außen, sie kann sich auch nicht ausdehnen, auch innerhalb der Mauern nicht.

Die strenge, in dem Statut der Republik geregelte Art und Weise ihrer Bauten verhinderten auch wilde Bauten und architektonische Ausrutscher. Die topografische Lage wurde aber sicher nicht zum einzigen Garant für ihre Schönheit. Das reiche Dubrovnik stellte auch nie seinen Reichtum zur Schau und nahm immer das Beste aus der geistlichen Welt des Mittelalters und der Renaissance mit.

Wohlhabenheit und lange Prosperität verdankt die bis zur napoleonischen Besetzung und Gründung der Illyrischen Provinzen freie Republik Dubrovnik ihrer geopolitischen Lage zwischen dem christlichen Westen und dem osmanischen Osten. Diplomatisch geschickt zwischen zwei Welten lavierend, entwickelte sie ihren Handel und ihre bis heute weltbekannte Handelsmarine.

Die zähen Wege des Tourismus

Obwohl das erste Hospiz schon 1347 in Dubrovnik gegründet wurde und Österreicher 1896 das Hotel Imperial eingerichtet haben und immer mehr Gäste die Stadt besuchten und bewunderten, kann man nicht sagen, dass Dubrovnik in jüngster Vergangenheit ein typischer touristischer Zielort war. Die Altstadt lebte ihr tägliches Leben weiter. Touristen kamen und gingen und fanden ihre Unterkunft in unzähligen Hotels in der Umgebung der Altstadt.

Selbst das Angebot an Restaurants und Kaffeehäusern war noch bis vor einigen Jahren so bescheiden, dass man immer wieder fragte, warum die Einwohner von Dubrovnik nicht mehr für den Tourismus unternahmen. So kursierte etwa die Meinung, dass die Dubrovniker von Touristen nur das Geld abkassierten und dafür nichts geben wollten, dass die Stadt nur dann eine wirkliche touristische Perle werden würde, wenn die Einwohner aus der Stadt verschwänden.

Die neuen Zeiten und ihre Folgen

Heute scheint alles anders zu sein. Nach dem Unabhängigkeitskrieg 1991 bis 1995 hat sich Kroatien mehr und mehr dem Tourismus und seinen unerwünschten Folgen verschrieben. Die neu entstandenen wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse haben Geldverkehr und Immobilienmarkt so liberalisiert, dass in der Altstadt ein Quadratmeter nur noch ab EUR 6.000 zu haben ist. Dies hat zur Folge, dass die Menschen jetzt freiwillig ihre Häuser in der Altstadt verlassen und in eine günstigere Umgebung umsiedeln.

Die tausend Jahre konstante Zahl von 4.000 bis 5.000 Einwohnern ist auf heute weniger als 2.500 gesunken. Die ganze Stadt ähnelt einem großen Restaurant und Café, in der jüngst besiedelte Häuser als Theaterkulisse dienen. In der touristischen Nebensaison ist das Bild noch trister, denn die neuen Hausbesitzer kehren nach Saisonschluss in jene Orte zurück, in denen sie ihr Geld verdienen. Die Altstadt hingegen bleibt verlassen und leer zurück.

Unter der Minceta

Antonije Djukic, Professor an der Universität Dubrovnik und Spezialist für die Entwicklung von Einsiedlungen, wohnt noch in der Altstadt, und zwar unter der Minceta - dem schönsten Turm Dubrovniks. Er betont, dass demografische und wirtschaftliche Veränderungen in den historischen Kernen europäischer Mittelmeerstädte nichts Neues sind: "Durch die neue wirtschaftliche Orientierung ändert sich auch die Infrastruktur in den Städten. Neue Arbeitsschichten setzen auch neue Akzente. Die alten Gewerbe sterben aus; nur wenige versuchen sich den neuen Gegebenheiten anzupassen."

Djukic kennt alle 17 Handwerker in der Altstadt beim Namen: "Von diesen 17 arbeiten nur noch vier tatsächlich als Handwerker. Die anderen verkaufen den Touristen in ihren Handwerksläden schon gefertigte und importierte Produkte. Auch in der Hauptschule der Stadt, wo noch vor 20 Jahren jährlich bis zu 130 Schüler inskribierten, gibt es heute nur noch eine Schulklasse - mit ständig fallender Tendenz", sagt er traurig.

In welcher Republik bin ich hier?

Dubrovnik ist kürzlich als Kulturstadt von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt worden. "Um als Stadt den Status Kulturdenkmal zu haben, muss eine Stadt aber ihre wichtigste Funktion bewahren; und das ist das Leben ihrer Einwohner", betont Antonije Djukic. Er will jedenfalls nicht seine Wohnung verkaufen und hofft künftig auf eine bessere Politik. Seinen Beitrag zur mit Touristen übervollen Altstadt leistet er, indem er dort lebt und arbeitet und nicht sein Haus als Theaterkulisse preisgibt.

Von Dubrovnik-Ragusa 1905 begeistert, schrieb Hermann Bahr einst diese prophezeienden Worte:

Und der Fremde, hier aus einem verschlagenen Ballon gefallen, fragte sicher: In welcher Republik, bitte, bin ich hier?

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Buch-Tipp
Hermann Bahr, "Dalmatinische Reise", Fischer-Verlag

Links
Wikipedia - Dubrovnik
UNESCO - Welterbe
Kroatische Zentrale für Tourismus