219 Jahre Josefstadt-Direktoren

Die Unheil bringende Zauberkrone?

Das Theater in der Josefstadt, früher eine Vorstadtbühne, hat in seiner 219 Jahre langen Geschichte Turbulentes erlebt. Nicht alle seine Direktoren kamen aus der Theater-Branche - einer war Zahnarzt - und auch der Zirkus hatte schon Einzug gehalten.

Herbert Föttinger und seine Vorgänger

Das Theater in der Josefstadt hat seit einem Jahr einen neuen Direktor: Herbert Föttinger. Die ehemalige Vorstadtbühne hat in seiner 218 Jahre langen Geschichte Turbulentes erlebt. Föttinger aber hat keine Angst vor der Zukunft: "Was soll passieren? Man kann nur nach bestem Gewissen Theater machen."

Im Zentrum des gewissenhaften Theatermachens steht die Programmgestaltung, die in der Josefstadt ein Quäntchen mehr Fingerspitzengefühl verlangt. Risikoreiche Inszenierungen müssen durch zugkräftige Stücke abgesichert werden, da die Josefstadt einen Eigendeckungsgrad von rund 40 Prozent hat. Durchschnittlich decken Theater im deutschen Sprachraum nur rund 20 Prozent der Ausgaben selbst.

Sänger und Athleten

Föttingers Vorgänger gestalteten ihre Programme höchst unterschiedlich. So war die Josefstadt nicht immer ein reines Sprechtheater: Im 19. Jahrhundert wurden auch Opern und Operetten aufgeführt. Direktor Franz Prokorny holte darüber hinaus Athletinnen, Äquilibristen und Tänzer an die Josefstadt.

Einige Direktoren griffen selbst zur Feder. So auch Alois Fuchs, der seine eigenen Märchenstücke aufführte. Allerdings schrieb er nicht so einprägend, wie seine Schwester Anna backte: Ihre Sachertorte sollte auch noch im 21. Jahrhundert einen großen Namen haben.

Auch die Gattin des Direktors Georg Johann Wilhelm Megerle, der im Brotberuf Zahnarzt und Chirurg war, schrieb Theaterstücke selbst - aber nur mäßig erfolgreich, sodass Megerle nach wenigen Jahren die Bühne aufgeben musste. Er war allerdings weder der erste, noch der letzte Direktor, der in der Josefstadt scheiterte.

"Dös ewige Anerlei"

Stellte sich Erfolg ein, konnten nicht alle Direktoren mit ihm umgehen: Als der Kassenschlager "Abraham a Sancta Clara" zum 40. Mal aufgeführt wurde, ließ Direktor Johann Fürst die Vorstellung abbrechen: Warum? "Weil mir dös ewige Anerlei z'wider ist! Allerweil dasselbe am Zettel! Ich will wieder amal was Neug's les'n und nit mei Leben lang den faden, öden Titel!"

Herbert Föttingers erster Spielplan macht für Wolfgang Kralicek, Theaterkritiker der Stadtzeitung "Falter", einen vernünftigen Eindruck. Allerdings könne man, so die Theaterkritikerin Karin Kathrein, von einem Spielplan am Papier nie voraussagen, wie erfolgreich er tatsächlich sein wird. So hätten sich schon viele Erfolg versprechende Spielpläne später als Flops herausgestellt.

Hereinspaziert!

Um die Besucherzahlen zu steigern, setzten die Direktoren in der Geschichte der Josefstadt unterschiedliche Maßnahmen. War der Zuschauerraum zu Vorstellungsbeginn noch leer, trat - laut den "Kleinen Wiener Memoiren" - der Theatergründer Karl Mayer "düster und doch freundlich hinaus auf die Straße, invitierend, gratis einzutreten, die nächstbesten Vorübergehenden, häufig Mägde, wasserholende, abendlich feueranmachende, oder Lehrjungen, so alle auf derlei Gelegenheiten schon lauerten".

Um auch Bewohner der Inneren Stadt für die Vorstadtbühne in der Josefstadt als Zuschauer zu gewinnen, ließ Direktor Hensler im 19. Jahrhundert die heutige Josefstädterstraße mit Laternen beleuchten. Heute ist die Josefstadt mit dem J-Wagen und der Autobuslinie 13A auch abends gut erreichbar.

50 Prozent ist Glück

Föttingers fehlende Erfahrung ist ein Risikofaktor, so Kralicek: "Man weiß eigentlich nicht, ob er das kann". Ronald Pohl, Kulturredakteur der Tageszeitung "Der Standard" erkennt aber bei Föttinger ein Gespür für pragmatische Lösungen, sollte sein Spielplan nicht funktionieren. Außerdem, weiß Otto Schenk, ist 50 Prozent jeder Direktion das Glück.

Was aber, wenn sich Göttin Fortuna doch nicht gnädig erweist? Föttingers Vorgänger hatten es im 19. Jahrhundert leichter: Sie lebten in keiner vernetzten Informationsgesellschaft. Wenn der Schuldenberg nicht mehr abzubauen war, blieb ihnen die Flucht als letzter Ausweg, den die hoch verschuldeten Direktoren Joseph Huber 1818 und Matthäus Fischer rund zwei Jahrzehnte später auch wählten.

Herbert Föttinger hat die Weichen gestellt, die erste Aufführung naht. Dann erst wird sich weisen, ob die Zauberkrone des Direktors der Josefstadt für Herbert Föttinger Erfolg oder Unheil bringt.

Hör-Tipp
Hörbilder, Samstag, 20. Oktober 2007, 9:05 Uhr

Ö 1 Club-Tipp
Ö1 Club-Mitglieder erhalten im Theater in der Josefstadt ermäßigten Eintritt (10 Prozent an der Abenkasse)

Link
Theater in der Josefstadt