Freie Fahrt für freie Unternehmer
Neoliberale kritisieren Sicherheitsdenken
Das Spannungsfeld zwischen wirtschaftlicher Freiheit und sozialer und Sicherheit hat am Montag die Eröffnungsveranstaltung der Alpbacher Reformgespräche bestimmt.
8. April 2017, 21:58
Der Tenor der ersten drei Hauptreferenten, allesamt Ökonomen der liberalen Schule: In Westeuropa wird den Sicherheitsbedürfnissen der Menschen ein zu hoher Stellenwert eingeräumt, mehr Unsicherheit ("unternehmerische Freiheit) bzw. Freiheit des Individuums seien nötig.
Klaus kritisiert freiheitsfeindliche Bürokratie
Ängste um die eigene physische Existenz oder die politische Freiheit seien nicht wirklich begründet, meinte der tschechische Präsident Vaclav Klaus, ein gelernter Ökonom, der früher als Regierungspolitiker für Marktwirtschaft ohne das zusätzliche Attribut "sozial" eingetreten ist. Das Thema der Veranstaltung mute "katastrophisch" an. Was das politische System angehe, werde die existenzielle Gefährdung der westlichen Demokratien durch den islamistischen Terror überschätzt. Eine andere Entwicklung werde dagegen bagatellisiert - nämlich die "Postdemokratie" bzw. der "Europäismus". Letzterer schaffe freiheitsfeindliche bürokratische Strukturen und zerstöre "den Staat, die unersetzliche Basis der Demokratie".
Die Sorge um den Arbeitsplatz ließ Klaus nur als "Angst um den wirtschaftlichen Liberalismus" gelten: sei nämlich dieser bedroht, dann können wir Angst um die Arbeitsplätze haben, sonst nicht, so Klaus. Das "Gespenst" der zu Ende gehenden Rohstoffe sei älter als der Kommunismus und "überzeugend widerlegt".
Vormoderne Heilserwartung
Ins gleiche Horn stieß Thomas Held, Chef des arbeitgebernahen Schweizer Think Tanks Avenir Suisse. Die Idee vollkommener Gewissheit und Sicherheit sei eine letztlich religiöse Vorstellung und gehöre einer vormodernen Welt an, erklärte er. Der in Frankreich im heurigen Frühjahr ausgebrochene Jugendaufstand gegen den so genannten "Erstanstellungsvertrag" zeige, "dass es eine generalisierte Forderung nach einer sicheren Rente gibt", die "Vorstellung von einer Schlaraffenlandökonomie". Mit einer solchen Haltung könne Westeuropa seine ökonomische Zukunft nicht absichern.
Diskussionsmoderator Reinhold Mitterlehner, Spitzenfunktionär der Wirtschaftskammer, bemerkte dazu, dass sich die von den Diskussionsrednern kritisierten Ängste und Zweifel "in jedem einzelnen Wahlkampf in Westeuropa" bemerkbar machten.
Keine Angst
Michael Hüther, Direktor des wirtschaftsnahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW Köln) meinte, politischer Fatalismus angesichts der Globalisierung sei nicht angebracht: "Es gibt keine Zwangsläufigkeit der Entwicklung, dafür zahlreiche Antwortmöglichkeiten, die über das reine Reagieren hinausgehen."
Optimistisch gab sich auch Joachim Wuermeling, Wirtschafts-Staatssekretär der Berliner Bundesregierung: Sozialpsychologisch seien die Voraussetzungen in Deutschland denkbar schlecht, die Herausforderungen der Globalisierung zu bewältigen: Die ökonomischen Fakten stünden aber im krassen Gegensatz dazu: "Wir haben im vergangenen Jahr einen Exportüberschuss von EUR 187 Milliarden erzielt und sind in Sachen Wettbewerbsfähigkeit so gut aufgestellt wie schon lange nicht", sagte er.
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Mehr zu den Alpbacher Technologiegesprächen von Donnerstag, 24. August bis Samstag, 26. August 2006 täglich in science.ORF.at
Hör-Tipps
Dimensionen, Montag, 28. August 2006, 19:05 Uhr
Von Donnerstag, 17. August bis Samstag, 2. September 2006 berichten die Ö1 Journale und "Wissen aktuell" über das Europäische Forum Alpbach.
Download-Tipp
Ö1 Club-DownloadabonnentInnen können die Sendung "Dimensionen" vom Montag, 28. August 2006, 19:05 Uhr nach der Ausstrahlung 30 Tage lang im Download-Bereich herunterladen.
Veranstaltungs-Tipps
Europäische Forum Alpbach 2006, "Suche nach Gewissheit und Sicherheit", Donnerstag 17. August bis Samstag, 2. September 2006, Alpbach
Alpbacher Technologiegespräche, Donnerstag, 24. August bis Samstag, 26. August 2006, Kongress Zentrum Alpbach
Links
Wikipedia - Vaclav Klaus
Institut der deutschen Wirtschaft Köln
Avenier Suisse
Wirtschaftkammer Österreich
Europäisches Forum Alpbach