Die legendäre Musikszene in Los Angeles

Der Laurel-Canyon-Mythos

Dieses Genre hat bis heute überlebt: der Softrock, dessen Vertreter wie Norah Jones und Jack Johnson in den letzten Jahren wieder großen Erfolg hatten. Der Geburtsort dieses Musikstils, der Ende der 1960er entstand, liegt in den Hollywood Hills in L. A.

Laurel Canyon: So heißt eine Straße, die durch das Herz der Hollywood Hills in Los Angeles führt. Laurel Canyon ist auch ein Mythos über eine musikalisch und privat verbandelte Clique von Musikerinnen und Musikern, die Ende der 1960er bis Mitte der 1970er Jahre einen neuartigen Musikstil kreierten - es ist der Geburtsort des Softrock.

Heuer sind gleich zwei Bücher über diese legendäre Musikszene in Los Angeles erschienen: "Laurel Canyon" von Michael Walker und "Hotel California" von Barney Hoskyns. Als eine zentrale Figur und eine Art Katalysator der Szene wird in beiden Publikationen Cass Elliot, alias Mama Cass, Mitglied der Gruppe Mamas and the Papas, genannt.

Treffpunkt Mama Cass

Mama Cass gab in ihrem Haus im Laurel Canyon regelmäßig Partys, bei denen die Gäste auch miteinander musizierten. David Crosby und Stephen Stills, die zusammen eine Band gründen wollten, schlug sie vor, doch noch einen dritten Sänger dazuzunehmen, einen jungen Engländer, der gerade in Hollywood weilte.

Graham Nash, dieser dritte Mann, erzählte später in Interviews, dass alle drei nach ihrer ersten gemeinsamen Performance vor Glück zu lachen anfingen, weil ihre Stimmen so perfekt miteinander harmonierten. Stephen Stills' Lied, das sie zusammenbrachte: "You don't have to cry".

David Geffen und sein Label

Eine andere wichtige Figur neben Cass Elliot war der junge Konzertagent David Geffen. Er verschaffte Crosby, Stills und Nash einen Plattenvertrag und managte Laura Nyro. Und später zusammen mit Elliot Roberts Joni Mitchell. Doch das war ihm nicht genug: Geffen träumte von einem eigenen kleinen Imperium und beschloss, ein Plattenlabel zu gründen.

Er teilte diese Absicht vier Musikern mit, mit denen er sich in seiner Sauna traf und versprach, dass sein Label nie mehr Künstler betreuen würde, als in diese Sauna passten. Mit "Doctor my eyes", seinem Debüt auf Asylum Records, bescherte Jackson Browne Geffens neuem Label den ersten Millionen-Seller.

Verkauf an Warner Brothers

David Geffen hielt sich natürlich nicht an sein Versprechen: Zwei Jahre später verkaufte er sein expandierendes Label an Warner Brothers, die wiederum Asylum mit Elektra fusionierten.

Einer der Stars dieses Labels war Joni Mitchell. Sie widmete Geffen den Song "Free man in Paris". Das Lied beschreibt die Zerrissenheit des cleveren Managers zwischen seinen ursprünglichen Hippie-Idealen und seinem jetzigen Drang nach Macht und Geld.

Songwriterin Carole King

Joni Mitchell ihrerseits ist zusammen mit ihrem damaligen Lebenspartner James Taylor auf einer Aufnahme einer anderen großen Songwriterin zu hören, die ebenfalls zu dieser Zeit im Laurel Canyon wohnte: Carole King.

Sie schrieb ursprünglich nur für andere Interpreten, ihr Debüt-Album "Tapestry" wurde mit über 25 Millionen verkauften Platten zur erfolgreichsten Aufnahme einer weiblichen Solistin.

Charakteristik des Laurel-Canyon-Stils

Wie lässt sich der Musikstil der Laurel-Canyon-Clique beschreiben? Bei allen Protagonisten hört man Country- und Folkeinflüsse, raffinierten mehrstimmigen Gesang und einen entspannten Sound, der meist auf laute, verzerrte Gitarren und krachendes Schlagzeug verzichtet. Die Texte sind meist introspektiv, es gibt kein hymnisches Wir-Gefühl der Hippies der 1960er Jahre mehr.

Die damaligen Songwriter sind desillusioniert durch den Vietnamkrieg und sehnen sich nach einem ländlichen, einfachen Leben. Zumindest eine ländliche und gemeinschaftliche Atmosphäre fanden sie auf diesen Hügeln mitten in Hollywood, ohne auf die Infrastruktur der Plattenfirmen, Studios und Musikclubs einer Großstadt verzichten zu müssen.

Untypischer Canyon-Bewohner Frank Zappa

Frank Zappa, als Musiker und Mensch einer der untypischen Laurel-Canyon-Bewohner, nannte diese Songschreiber etwas verächtlich "navel gazers", Nabelbeschauer. Einer der talentiertesten dieser "navel gazers" war Anfang der 1970er Jahre James Taylor.

Crosby, Stills, Nash and Young

Das Ringelspiel an Gastauftritten geht weiter. Diesmal unterstützt James Taylor Neil Young auf dessen Komposition "Old man". Und noch eine wichtige Figur der Laurel-Canyon-Szene ist zu hören: Die Sängerin Linda Ronstadt.

Neil Young würde sich wohl zu recht gegen die Bezeichnung "Softrocker" verwehren. Mit seiner Band "Crazy Horse" und als Solist hat er oft wesentlich ruppigere Musik gemacht. Doch als ihn Crosby, Still und Nash als vierten gleichberechtigten Partner engagierten, entstand die zusammen mit den Eagles wohl bekannteste Softrock-Band: Crosby, Stills, Nash and Young.

Eagles als erfolgreichster Act Geffens

Die bereits mehrfach erwähnten Eagles waren der erfolgreichste Act auf David Geffens Plattenfirma Asylum. An dieser Band lässt sich wohl exemplarisch der Aufstieg und zumindest künstlerische Fall dieser Musikszene aus Hollywood verdeutlichen.

Nicht nur die Eagles, auch ein Großteil der Laurel-Canyon-Gemeinde verlor mit zunehmendem Reichtum und ausschweifenden Lebensstil die Inspiration.

Einige Jahre von Disco-Welle verdrängt

Ende der 1970er Jahre wurde der Softrock zunächst für ein paar Jahre von der Disco-Welle weggespült. Trotzdem konnte noch 1979 der Laurel-Canyon-Veteran JD Souther einen Top-Ten-Hit in den USA landen.

Judee Sill, mit der Souther eine kurze Affäre hatte, zählte zu den wenigen Künstlern von Geffens Label, der ein größerer Erfolg versagt blieb. 1979 starb sie an Drogensucht. Sill und der Sänger und Gitarrist Gram Parsons waren die tragischen Helden dieser Szene: Großes Talent, sehr wenig Erfolg und ein viel zu früher Tod.

Der Softrock lebt

Das Genre des Softrock ist wohl nicht totzukriegen. Gerade in den letzen Jahren hatten Leute wie Norah Jones und Jack Johnson wieder großen Erfolg mit ihrer entspannten akustischen Singer-Songwriter-Musik, die eindeutig von den Klängen der 1970er Jahre inspiriert ist. Ob das nun entspannt oder spannungsarm ist, entscheidet das Ohr des jeweiligen Zuhörers.

Hör-Tipp
Spielräume Spezial, Sonntag, 20. August 2006, 17:10 Uhr

Buch-Tipps
Michael Walker, "Laurel Canyon: The Inside Story of Rock-And-Roll's Legendary Neighborhood", Faber & Faber, ISBN 0571211496

Barney Hoskyns, "Hotel California", HarperPerennial, ISBN 0007177054

Link
Wikipedia - Laurel Canyon