Im Elendsviertel von Durban
Die Mutter der AIDS-Waisen
40 Millionen Menschen sind weltweit mit dem HI-Virus infiziert, 26 Millionen davon im südlichen Afrika. Übrig bleiben jene, die keine Stimme haben - die AIDS-Waisenkinder. Um sie kümmert sich Regina Bachmann, eine katholische Missionsschwester.
8. April 2017, 21:58
Regina Bachmann über AIDS und Gewalt
Regina Bachmann, katholische Missionsschwester vom "kostbaren Blut", wie ihr Orden heißt, legte 1956 das ewige Gelübde ab und wurde Missionsschwester. Die Vorarlbergerin kam 1960 vom Missionshaus Wernberg in Kärnten nach Durban in Südafrika. Durban liegt im Südosten des Landes am indischen Ozean.
Schwester Regina Bachmann wurde zur Krankenschwester und Hebamme ausgebildet, um in der Missionsstation Mariannhill zu arbeiten. Die Station wurde von ihrem Landsmann Franz Pfanner, einem Vorarlberger Trappistenmönch, gegründet.
AIDS veränderte Arbeit
Das Mariannhill Hospital liegt mitten in den Elendsvierteln von Durban cirka 20 Kilometer vom indischen Ozean entfernt. Schwester Regina Bachmann leitet trotz ihrer 73 Jahre noch immer die Pflegeabteilung des Krankenhauses. Die Arbeit hat sich in der Pflegeabteilung des Krankenhauses in den letzten Jahrzehnten aufgrund von AIDS sehr verändert.
Südafrika ist das zwanzigreichste Land der Welt. Mit fünf Millionen HIV-Infizierten wird Südafrika - laut Prognosen - bis zum Jahr 2050 eines der Länder weltweit mit der geringsten Lebenserwartung sein. Aufgrund von HIV/AIDS wird Südafrikas Bevölkerungswachstum im Jahr 2050 um fast die Hälfte geringer sein, als ohne Epidemie geschätzt. Betroffen sind vor allen jene Menschen, die bereits mit Armut und Arbeitslosigkeit zu kämpfen haben und genau das sind die Menschen, die Schwester Regina Bachmann täglich betreut.
Wirtschaftsproblem AIDS
AIDS ist in Südafrika längst nicht nur ein medizinisches Problem. Bedingt durch die HIV/AIDS Epidemie wird die Entwicklung in Ländern des südlichen Afrika extrem eingeschränkt. Jahre des Wachstums im Bereich der Wirtschaft, des Sozial-, Bildungs- und Gesundheitssystems werden völlig ausradiert, so die Experten der UNO. Ein großes Problem ist für Regina Bachmann, dass über die Krankheit nach wie vor nicht gesprochen wird.
Von der Regierung kämen außerdem die falschen Signale, kritisiert Schwester Regina Bachmann. Anstatt Geld für lebensverlängernde Medikamente zur Verfügung zu stellen, wird - nicht falsch, nur in diesem Fall völlig wirkungslos - auf gesunde Ernährung hingewiesen.
Politiker verleugneten Katastrophe
Der südafrikanische Staatspräsident hat bis vor zwei Jahren verleugnet, dass der HI-Virus AIDS bewirkt. Dadurch fehlte jahrelang der politische Wille, sich mit dieser Katastrophe auseinander zu setzen - nicht nur in Regierungen, sondern auch teilweise in Kirchen und anderen sozialen Institutionen.
Regina Bachmann, der Mutter der AIDS-Waisenkinder, liegen bei der Arbeit im Missionskrankenhaus Mariannhill vor allem die Kinder am Herzen. Für viele dieser Kinder in Afrika ändert sich das Leben bereits durch die Diagnose und Erkrankung der Eltern.
Eine Million AIDS-Waisenkinder
Mehr als eine Million AIDS-Waisenkinder - so weiß es das Kinderhilfswerk UNICEF - gibt es bereits in ganz Südafrika. Diese Kinder liegen der Vorarlberger Missionsschwester ganz besonders am Herzen.
Die Kinder, die unmittelbar von der HIV/AIDS-Erkrankung der Eltern betroffen sind, lernen eine Vielzahl von Ängsten und Unsicherheiten kennen: Angst vor dem Verlust der Eltern, Angst vor eigener Infizierung und Erkrankung, Angst vor Vertreibung und Stigmatisierung, Angst, von den Geschwistern getrennt zu werden, Angst davor, dass das eigene Überleben nicht gesichert ist, Angst vor Ausbeutung, Isolation und vor einer Zukunft, die keine Entwicklungsmöglichkeiten bietet.
Kondome und die Kirche
Wir konfrontieren die katholische Missionsschwester mit dem Thema Kondome als Verhütungsmittel: Schwester Regina Bachmann wünscht sich, dass der Vatikan dieses Thema überdenkt. Aber die alleine Lösung des AIDS-Problems sei die Verwendung des Kondoms nicht. Das große Problem fängt da an, wo es zu strukturellen Ungleichheiten in der Paarbeziehung kommt, wo Gewalt und Alkohol eine Rolle spielen, wo Abhängigkeiten sind und Frauen einfach Ja zum sexuellen Verkehr sagen müssen, weil der Mann das Geld ins Haus bringt, so die Missionsschwester.
Bevor über Kondome gesprochen werden muss, müsse man auch den Mut haben, über die Würde von und den Respekt vor Frauen zu sprechen. Große Kondomkampagnen bringen gar nichts, wenn nicht der verantwortliche und würdevolle Umgang mit der Partnerin und mit den eigenen Wünschen und Bedürfnissen thematisiert wird, so Schwester Regina Bachmann. Auch von diesem Standpunkt her seien Kondome für eine ganz große soziologische ebenso wie eine moralische und theologische Herausforderung.
Den AIDS-Kranken mit Respekt und vor allem Liebe begegnen, das motiviert Schwester Regina Bachmann, in mitten eines Ortes des Sterbens nicht aufzugeben.
Hör-Tipp
Menschenbilder, Sonntag, 20. August 2006, 14:05 Uhr
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St. Mary's Hospital Mariannhill