Als der kubanische Son in die Stadt kam

Der Klang vom Hügel

Son bedeutet nicht nur Klang, sondern ist auch der Terminus für jene kubanische Musik, die aus den östlichen Bergdörfern kam. 1925 entstand das Trio Matamoros, das in den 1920er und 1930ern die populärste Gruppe Kubas war und den Bolero-Son prägte.

Son de la loma. Ein Wortspiel. Mama, woher sind die Musikanten? Sie sind vom Hügel, son de la loma. Aber Son heißt eben auch Klang, der Klang, der Sound vom Hügel. Son ist überhaupt der Fachausdruck für jene kubanische Musik, die ihren Anfang in den ländlichen Dörfern der Berge und Hügelzüge des Oriente, des Ostens von Kuba, nahm, wo sich der Rhythmus der afrikanischen Sklaven in den Zuckerrohr- und Kaffeeplantagen mit den Liedern spanischer Herkunft gegen Ende des 19. Jahrhunderts vermischte.

Dann kam der Son in die Stadt, natürlich zuerst in die Hauptstadt des Oriente, Santiago de Cuba, wo er vor allem im Vergnügungsviertel Tivoli rasch populär wurde, nicht nur im Karneval. Los carnevales del oriente.

1925 Gründung des Trio Matamoros

Im Viertel Tivoli von Santiago de Cuba wurde 1925 das Trio Matamoros gegründet: Miguel Matamoros, Siro Rodriguez und Rafael Cueto. Gespielt wurde auf kleinen, handlichen Instrumenten: auf der Tres, einer kubanischen Gitarre mit drei Doppelseiten, Bongos, Maracas (bei uns sagt man dazu Rumbakugeln) oder Guiro, einem getrockneten Kürbis, der mit einem Holzstab bespielt wird, sowie auf Caves, das sind Klanghölzer.

In 1920ern und 1930ern die populärste Gruppe

Der Son hatte schon um 1910, auch im Zuge der Sklavenbefreiung, seinen Weg in den Westen Kubas gefunden, also in die Hauptstadt Havanna. Um 1922 wurde das kubanische Radio gegründet, womit die Sones für alle hörbar wurden und den ursprünglichen kubanischen Nationaltanz, den Danzón, verdrängten.

In den 1920er und 1930er-Jahren war das Trio Matamoros die populärste und einflussreichste Gruppe Kubas. Sie prägte den sogenannten Bolero-Son, der einen stringenteren Rhythmus in die romantischen Bolero-Balladen brachte, und komplexere Vokal- und Instrumental-Arrangements.

Erweiterung bis zu Orchester

Das Trio Matamoros blieb auch nicht immer ein Trio. Es weitete sich gegebenenfalls zum Sextett, zum Septett oder als Conjunto Matamoros fast schon zum Orchester. Das hatte auch darin seinen Grund, weil die Tanzpaläste immer größer wurden und die kleine Triobesetzung die Räume klanglich nicht ausfüllen konnte.

Kein Boom wie bei Buena Vista Social Club

Es ist etwa neun Jahre her, dass im Gefolge des Buena Vista Social Club mit den alten Herren Ruben Gonzales, Compai Segundo und Co. die kubanische Musik Europa eroberte. Die einschlägigen CDs liegen in unseren Musikgeschäften immer noch gestapelt gleich neben der Kasse, sind also offenbar Longseller.

Das Trio Matamoros wird man auf diesen Stapeln allerdings vergebens suchen, weil es am Kuba-Boom des letzten Jahrzehnts nicht beteiligt war. Denn Miguel Matamoros konnte man nicht wie die anderen Greise noch schnell durch Europas Konzertsäle treiben, er war bereits 1971 gestorben. Matamoros machte von 1925 bis 1969, also 44 Jahre lang, Musik.

Neuer Sonero Bartolome Maximiliano

Im Jahr 1945, nach 20 Jahren Bühnenpräsenz, fand Miguel Matamoros, dass seine Stimme etwas Schonung vertragen könnte. Er engagierte einen jungen Sänger namens Bartolome Maximiliano für die bevorstehende Mexiko-Tournee des Conjunto Matamoros. Viele kubanische Entertainer gingen in den 1940er-Jahren nach Mexiko, in der Hoffnung, in das florierende mexikanische Filmgeschäft einsteigen zu können. Als die Matamoros-Truppe wieder nach Kuba zurückkehrte, entschied sich der junge Sänger, in Mexiko zu bleiben.

Matamoros gab Bartolome Maximiliano zum Abschied den Rat, wenigstens seinen Namen zu ändern, weil "bartolo" im mexikanischen Dialekt Esel heißt. Bartolome entschied sich für den Namen Beny Moré. Und Beny Moré sollte bald zum populärsten kubanischen Sonero, also Son-Sänger, aller Zeiten werden, vergleichbar mit dem Ruhm eines Frank Sinatra oder Nat King Cole in den USA.

Das Havanna der 1950er Jahre

Beny Moré wurde in Mexiko berühmt, kehrte aber 1953 nach Kuba zurück. Havanna war in den 1950er-Jahren eine pulsierende Stadt, die die Nacht zum Tag machte. Amerikanische Touristen ließen hier bündelweise ihre Dollarscheine zurück, denn Havanna war gleichzeitig Spielkasino und Freudenhaus der US-Amerikaner.

Der große kubanische Schriftsteller Guillermo Cabrera Infante, der nach der Revolution ins Exil ging und 2005 in London gestorben ist, beschreibt das damalige Havanna in seinem wunderschönen Roman "Drei traurige Tiger", in dem auch Beny Moré vorkommt.

Moré bleibt auch nach Castros Revolution

Eine Aufnahme mit Morés eigenem Ensemble ist übrigens in Oliver Stones Fidel-Castro-Porträt "Comandante" zu hören. 1959 machte Castro Revolution in Cuba, Morés Frau ging ins Exil nach Venezuela, Moré selbst blieb.

"Wenn ich Kuba verlasse", sagte er, "stirbt die Musik. Und ein Land ohne Musik stirbt auch." Nach nur vier Jahren starb allerdings Beny Moré. Die Todesursache: Leberzirrhose. Manche sagen, aufgrund seines Lampenfiebers. Das sei so stark gewesen, dass er vor jedem Auftritt einen halben Liter Rum habe trinken müssen.

Hör-Tipp
Spielräume Spezial, Sonntag, 13. August 2006, 17:10 Uhr

Buch-Tipps
Guillermo Cabrera Infante, Drei traurige Tiger, Suhrkamp, ISBN 3518399705

Norberto Fuentes, "Die Autobiografie des Fidel Castro", C. H. Beck-Verlag, ISBN 3406542166

Mehr dazu in oe1.ORF.at

Film-Tipp
Comandante
Dokumentation, USA, Spanien, 2003
Mit: Fidel Castro, Oliver Stone, Juanita Vera
Drehbuch und Regie: Oliver Stone

Mehr dazu in oe1.ORF.at

Links
Salsa in Cuba - Trio Matamoros
Wikipedia - Benny Moré
Wikipedia - Buena Vista Social Club