Gouverneur Klaus Liebscher und seine Aufgaben
Der diskrete "Nationalbanker"
Die Oesterreichische Nationalbank ist mit der Euro-Einführung Bestandteil des Europäischen Währungssystems geworden. In Wien fällt die Stabilität des Bankensystems in ihre Verantwortung. Ihr Chef muss daher auch die Sanierung der BAWAG überwachen.
8. April 2017, 21:58
Der OeNB-General im Gespräch mit Herbert Hutar
Sein Ruf für Stabilität und Diskretion eilt im voraus. Regierung und Gewerkschaft vertrauen ihm - dem Gouverneur der OeNB, der Oesterreichischen Nationalbank, die mit der Euro-Einführung nicht nur Bestandteil des Europäischen Währungssystems geworden ist, sondern auch in Wien für die Stabilität des Bankensystems verantwortlich ist. Klaus Liebscher überwacht daher u. a. zwei politisch heiße Eisen: die Sanierung der BAWAG und die Gebarung des ÖGB, dem Eigentümer der BAWAG.
Ob nun nach der BAWAG-Affäre auf Grund der Staatshaftung Steuergelder fließen müssen? Dieser und auch anderen Fragen wie etwa über die Währungsreserven oder über die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank stellte sich Klaus Liebscher im Gespräch mit Herbert Hutar.
Geldwertstabilität im Vordergrund
Die EZB, die Europäische Zentralbank hat vor kurzem die Leitzinsen auf drei Prozent erhöht. Für Klaus Liebscher ist das der richtige Schritt zur richtigen Zeit. Im Vordergrund stehe dabei - so der Gouverneur - die Geldwertstabilität:
"Die Europäische Zentralbank hat sich als Inflationsziel zwei Prozent gesetzt, aber bei einer durchschnittlichen Inflationsrate im Euro-Raum von zweieinhalb Prozent dürfen die Kredite schon ein bisschen teurer sein, um die Nachfrage zu bremsen - eine Nachfrage, die sich zum Teil auf ein Kreditwachstum von bereits elf Prozent gegenüber dem Vorjahr stützt. Das Wachstum von gut zwei Prozent in Europa ist daher gut abgesichert, und die Konjunktur sollte unter den höheren Zinsen nicht leiden".
Angesprochen auf die unterschiedlichen Inflationsraten im Euro-Raum (Österreich 1,5 Prozent, Spanien 4 Prozent) sagt Liebscher, seine Aufgabe in der EZB sei es nicht, die Interessen Österreichs zu vertreten, sondern - gemeinsam mit den anderen Gouverneuren aus dem Euro-Raum - eine europäische Entscheidung zu treffen.
Die Aufgaben der OeNB
Zu den Aufgaben der Oesterreichischen Nationalbank gehört es unter anderem, die Entscheidungen der EZB mit zu beschließen und in Österreich umzusetzen. Dazu kommen das Drucken von Banknoten und das Prägen von Münzen, die optimale Verwaltung der Währungsreserven und die Aufsicht über die Stabilität des Bankensystems. Betreffs Zusammenarbeit mit der FMA, der Finanzmarktaufsicht, funktioniere das laut Liebescher folgendermaßen:
"Die FMA ist eine Aufsichtsbehörde für Banken, Versicherungen Pensionskassen oder andere Finanzdienstleister. Sie erteilt Lizenzen oder widerruft sie oder schreibt im Ernstfall Maßnahmen vor, was eine Bank zu tun oder zu unterlassen hat, oder sie kann auch einen Geschäftsführer abberufen. Die Nationalbank hat hingegen darauf zu schauen, dass das gesamte Bankensystem stabil ist. Das heißt, die Nationalbank muss das Wohlergehen jeder einzelnen Bank im Auge haben".
Überwachung der BAWAG-Sanierung
Bei Unregelmäßigkeiten - wie jüngst im Fall der BAWAG - wird die Oesterreichische Nationalbank von der FMA mit der Prüfung von Banken beauftragt. Daher überwacht die OeNB nun auch die Sanierung der BAWAG. Jetzt überwacht die Nationalbank nicht nur die Sanierung der BAWAG, nachdem die Republik mit einer Haftung von EUR 900 Millionen eingesprungen ist und nachdem die anderen Banken und Versicherungen EUR 450 Millionen als Kapital zugeschossen haben.
Zur derzeitigen Situation der BAWAG meint Liebscher, man solle die Bank in Ruhe arbeiten und ihr auch den Verkaufsprozess in Ruhe über die Runden bringen lassen. Dass die ganze Affäre Österreichs Bankenwesen geschadet habe, liege auf der Hand. Man solle aber auch nicht alles pauschaliert negativ sehen.
Aufsicht über ÖGB-Vermögen
Eine besonders heikle Aufgabe ist die Überwachung des Vermögens des ÖGB als Eigentümer der BAWAG. Der ÖGB muss - so weit er kann - selbst für die Verluste der BAWAG einstehen. Aber unter welchen Umständen kann er nicht mehr, unter welchen Umständen wird die Haftung der Republik schlagend, sodass dann wirklich Steuergeld zur Sanierung der BAWAG fließen muss?
Klaus Liebscher wollte sich über die inhaltlichen Vorgänge oder bereits vorliegenden Ergebnisse nicht detailliert äußern. Seine Funktion sei immer sehr neutral. Er sehe sich auch nicht als Vermittler oder Mittler: "Ich wurde gebeten, das zu übernehmen, und ich habe dieses Mandat auch im Interesse einer gemeinsam zu findenden Lösung übernommen. Mehr interpretiere ich für mich hier sicher nicht hinein".
Währungsreserven notwendig
Zur Frage der Währungsreserven sagt Klaus Liebscher, es sei eine Illusion zu glauben, im Euro-Verbund braucht man keine Reserven mehr. Bekanntlich musste man ja bereits zweimal in der letzten Zeit intervenieren: "Im Jahr 2000 ist der Eurokurs gegenüber dem Dollar auf 0,83 verfallen. da musste die Nationalbank gemeinsam mit anderen Notenbanken Euro aufkaufen, um den Kurs zu stützen. Dieser niedrige Kurs ist nicht mehr realistisch gewesen", argumentiert Liebscher.
Ein Jahr später - so der Gouverneur - sei die Finanzkraft der Euro-Notenbanken bereits wieder gefordert gewesen: "Nach den Anschlägen vom 11.September habe Panik und ein Finanzkollaps gedroht. Aber gemeinsam mit den Amerikanern haben die europäischen Notenbanken Reserven ins internationale Finanzsystem gepumpt und so die Geld- und Devisenmärkte stabil gehalten".
Mehr zu Klaus Liebscher in oe1.ORF.at
Hör-Tipp
Saldo, Freitag, 11. August 2006, 9:45 Uhr
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Links
Finanzministerium - BAWAG-Sicherungsgesetz (PDF)
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BAWAG
ÖGB