Freuds Erbe - Teil 3

Das Symbol in der Psychoanalyse

Carl Gustav Jung begründete sein Konzept des kollektiven Unbewussten mit der Analyse von Märchen und Mythen. Er glaubte strukturelle Übereinstimmungen zu erkennen, die er auf einen allgemeinen Verarbeitungsmodus von Konflikten zurückführte.

Carl Gustav Jung griff das Freud’sche Konzept der Symbolbildung auf, das dieser bereits 1900 in seiner Traumdeutung beschrieb. Freuds Annahme war, dass unliebsame Inhalte: Gefühle und Affekte in ein symbolisches Bild übersetzt werden. Dieses Bild kann in das Bewusstsein, zum Beispiel über einen Traum, vordringen, bewusst gemacht und analysiert werden.

Soweit folgte Jung Freuds Gedankengängen. Doch Jung unterschied zwischen Symbolen, die aus der individuellen Erfahrung gestaltet werden, und kulturell geformten symbolischen Inhalten, die er als Archetypen bezeichnete. Diesen Archetypen entspräche ein universeller, menschlicher Geist, so Carl Gustav Jung.

Streit zwischen Freud und Jung

Der Streit zwischen Freud und Jung entbrannte auch an der Frage, ob der von Freud eingeführte Begriff der Libido ausschließlich die sexuelle Energie bezeichne oder, so Jung, mit Lebensenergie gleich zu setzen sei.

Der Bruch zwischen Freud und Jung hatte viele Gründe. Ursprünglich hatte Freud im Psychiater Carl Gustav Jung als Präsidenten der psychoanalytischen Vereinigung die Chance gesehen, dass die Psychoanalyse als Wissenschaft von den Medizinern akzeptiert worden wäre. Und: Jung war kein Jude. Im antisemitisch gesinnten Wien des fin de siecle war die Psychoanalyse als jüdische Wissenschaft deklassiert worden. Die Person Jung hätte den Gegnern der Psychoanalyse dieses Argument zunichte machen können.

Doch mit seiner Archetypenlehre unterschied Jung ein "arisches" von einem "jüdischen" Unbewussten, wie er es nannte. 20 Jahre nach dem Bruch mit Freud übernahm Carl Gustav Jung 1933 unter den Nationalsozialisten den Vorsitz der "Allgemeinen Ärztlichen Gesellschaft für Psychotherapie". Sigmund Freuds Bücher wurden öffentlich verbrannt.

Das Bildstreifendenken

Die Wirkung des Symbols in der psychotherapeutischen Arbeit griff in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts der Göttinger Arzt und Psychotherapeut Hans Carl Leuner auf. Er hatte als Freudscher Psychoanalytiker auch die Schule von C.G. Jung durchlaufen und entdeckte ein Forschungsgebiet, das bereits in den 30er Jahren beschrieben wurde: Das so genannte Bildstreifendenken.

Beschrieben wird damit das Phänomen, dass kurz vor dem Einschlafen oder Aufwachen Bilder, manchmal Filmsequenzen vor dem inneren Auge des Schläfers auftauchen. Leuner stellte sich nun die Frage, welche Wirkung das Bild auf die Psyche des Menschen habe, und: wie sich die Seele im Bild ausdrücke. Leuner kam zu dem Schluss, dass sich im Zustand zwischen Wachsein und Schlaf die Seele des Menschen in einer Bildersprache artikuliere, die dem Traum verwandt sei.

Die Wiederentdeckung des Tagtraums

Hans Carl Leuner hatte den Tagtraum für die Therapie entdeckt. In der von ihm entwickelten katathym-imaginativen Psychotherapie versetzte er die Patienten in eine leichte Trance. Nun ersuchte er den Patienten, sich ein konkretes Bild vorzustellen: Eine Blume, ein Tier oder eine Wiese, zum Beispiel, und ihm zu erzählen, was er in seiner Imagination erlebt hatte. Dieser Tagtraum wurde zum Material, das der Therapeut mit dem Klienten besprach.

Ähnlich wie im Nachttraum, den schon Freud als Selbstheilungsprozess der Seele erkannte, wurden auch im Tagtraum konflikthafte Prozesse und Erinnerungsspuren bearbeitet. Der therapeutische Prozess setzte dort ein, wo über das Imaginierte gesprochen wurde.

Hör-Tipp
Radiokolleg, Montag, 25. September, bis Donnerstag, 28. September 2006, 9:05 Uhr

Download-Tipp
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Links
Sigmund Freud Museum Wien
Freud-Institut
Wiener Psychoanalytische Vereinigung