Futurismus-Ausstellung in Rovereto

Luigi Russolo

Luigi Russolo war ein malender und komponierender Pionier des Futurismus. Er äußerste seine Begeisterung über die Geräuschkulissen der Industrialisierung auch mit Klangmaschinen. Im italienischen Rovereto ist ihm nun eine Ausstellung gewidmet.

Kuratorin Elisabetta Barisoni

Lange bevor John Cage und andere experimentierfreudige Komponisten den Horizont der Musik um Klänge aus dem Alltagsambiente bereicherten, waren Italiens Futuristen gut hörbar am Werk. Bald nach der Wende zum 20. Jahrhundert äußerten sie ihre Begeisterung über die Geräuschkulissen der Industrialisierung nicht nur malend und schreibend, sondern auch mit Klangmaschinen, die die "musikalische Poesie der Technik" artikulieren sollten - so steht es in einem von vielen futuristischen Manifesten jener Zeit.

Luigi Russolo, einem malenden und komponierenden Pionier dieses Geräuschinstrumentariums ist nun im MART, dem Museum der zeitgenössischen Kunst in Rovereto bei Trient eine eigene Ausstellung gewidmet.

Futuristische Provokateure

Das sonderbare Rumoren im Museum von Rovereto könnte bei Besuchern, die dem postmodernen Getümmel entfliehen wollen, um in stummer Betrachtung vor der heiligen Kunst zu verharren, Irritationen auslösen. Das wäre ganz im Sinne der alten futuristischen Provokateure. Schon im ersten lautstarken Manifest des Jahres 1909 hatte ihr Rudelführer Filippo Tommaso Marinetti beklagt, dass Museen Friedhöfe sind, öffentliche Schlafsäle, in denen man neben verhassten oder unbekannten Wesen schläft.

Die Gefahr also ist bei dieser Ausstellung gebannt, wobei man mit Luigi Russolo allerdings einem weithin noch unbekannten Künstlerwesen gegenübertritt. Wer sein Ohr für das reiche Obertonspektrum dieser Klänge schärft und dann seinen Blick auf die diffizilen Trichter, Membranen und Resonanzkästen richtet, denen sie entspringen, erkennt bald, dass es ihm nicht nur um den futuristischen Knalleffekt geht. Vielmehr darum, die Geräuschkulisse seiner Zeit in Musik zu übersetzen. Das dafür nötige Instrumentarium hat er sich mit seinen Intonarumori selbst gebaut.

Ästhetik der Geräusche

"Intonarumori sind richtige Musikinstrumente, die Russolo konzipierte und auch patentieren ließ", sagt die Kuratorin Elisabetta Barisoni. "Wir haben sie für diese Ausstellung originalgetreu nachgebaut, und sie können nun auch von unseren Gästen gespielt werden. Vielleicht stellt sich dann ja auch jener Geistesblitz ein, der Luigi Russolo damals erfasste. Er wollte mit seiner Ästhetik der Geräusche die Tonkunst entrümpeln, sie modernisieren wie eine futuristische Stadt."

Die futuristische Kunsttheorie, ein aufheulendes Auto sei schöner als die Nike von Samothrake hatte Russolo früh in die Praxis übertragen, zunächst allerdings als Maler. Ein Bild aus dem Jahr 1912 zeigt einen rasenden Rennwagen in einer farblich und perspektivisch dramatisch verzerrten Raumwirkung, so als gelte es, einen Dopplereffekt auf die Leinwand zu bringen. Seine Hinwendung zur Geräuschkunst erfolgte gewissermaßen im Vorbeigehen.

Begeisterung für Dampfturbinen

In Mailand konnte er sich etwa für das Klingeln einer Straßenbahn, für das Hupen eines Automobils, für das Schnauben von Dampfturbinen begeistern. 1913 verfasste er in einem Brief an seinen Gesinnungsgenossen Francesco Pratelli sein Manifest der futuristischen Musik: "Uns wird viel größerer Genuss aus der idealen Kombination der Geräusche von Straßenbahnen, Verbrennungsmotoren, Automobilen und geschäftigen Massen erwachsen als aus dem Wiederhören der Eroica oder Pastorale."

Das italienische Publikum war auf solche Neuerungen überhaupt nicht vorbereitet. Russolo ist damals mit seinen Musikmaschinen in Soireen und Konzerten aufgetreten, das waren verstörende Happenings, die regelrechte Proteststürme auslösten. Doch das war ja auch die Absicht der Futuristen, die Bourgeoisie, das Bildungsbürgertum in Italiens Theatern zu schockieren.

Geräuschharmonium zu Stummfilmen

In den 1920er Jahren hat Luigi Russolo sein Repertoire in Paris noch einmal erweitert. Mit seinem Rumorarmonio, einem olyphonen Geräuschharmonium hat er die ersten Stummfilme des Avantgarderegisseurs Eugen Deslaw begleitet. Drei davon sind in Rovereto zu sehen, und zu hören.

Ein klingender Name der Kunstgeschichte ist Luigi Russolo nicht geworden, obschon er in Fachkreisen heute als Pionier der bruitistischen und konkreten Musik zunehmende Anerkennung findet. Der Eroica übrigens hat er sich doch nicht ganz entfremdet. In einem seiner letztens surrealen Gemälde aus den 1940er Jahren taucht huldigend eine Büste von Beethoven auf, sie schwebt am Himmel über einer ruhigen, geräuschlosen Naturlandschaft. Nicht auszuschließen, dass Luigi Russolo als Futurist das Zeitalter der Lärmbelästigung vorausahnte.

Veranstaltungs-Tipp
Ausstellung "Luigi Russolo", Samstag, 27. Mai bis Sonntag, 17. September 2006, Museo d'Arte Moderna di Trento e Rovereto, Rovereto

Links
Wikipedia - Luigi Russolo
Wikipedia - Samothrake
Mart - Museo d'Arte Moderna di Trento e Rovereto