Zum 200. Todestag Michael Haydns

Der kleine Bruder

Seine Begabung überragte alles in Salzburg und er war die einzige wirkliche Konkurrenz für den jungen Mozart: Michael Haydn, dessen 200. Todestag sich am 10. August jährt. Der jüngere Bruder Joseph Haydns gilt als Begründer des Männerchors.

Das Gitter seiner Taufkirche im Geburtsort Rohrau in Niederösterreich ziert der Anfangstakt jener Melodie, mit welcher Michael Haydn die nachhaltigste Rezeption erfahren hat: "Hier liegt vor Deiner Majestät" - der Beginn des "Deutschen Hochamtes". Daneben findet sich das ebenfalls volkstümlich gewordene "Gott erhalte" des Bruders Joseph.

Beiden eignete die Fähigkeit zum qualitativ hochwertigen Populären ebenso wie zum Hochartifiziellen, beider Karrieren zeigen Gemeinsames: von Rohrau nach Wien zu den Kapellknaben am Stephansdom, dann erste Wirkungszeit, von der man nur ansatzweise Kenntnis hat - was etwa beider Tätigkeit für die Barmherzigen Brüder betrifft.

An den Hof des Salzburger Erzbischofs

Diese wird aber Grundlage einer Bekanntheit, welche weiterempfiehlt: Joseph nach Böhmen zum Grafen Morzin, Michael an den Hof des Bischofs von Großwardein in Siebenbürgen. Die bedeutsame Stellung verlangte vom Inhaber Gewandtheit in allen Sparten der Musik. Michael Haydn schreibt dort Kirchenmusik ebenso wie Unterhaltsames und ein Konzert mit solistischer Orgel, in welchem er vor seinem Dienstgeber gleichermaßen wie vor seinem "Lieben Gott" exzelliert.

Sein Ruf begann sich zu verbreiten - man war informiert darüber, was sich wo an Bedeutsamem tat. So kam der Ruf an den Hof Erzbischof Sigismunds von Schrattenbach in Salzburg. Dort fand Michael die Frau fürs Leben: Maria Magdalena Lipp, als Hofsingerin ebenfalls in des Bischofs Dienst und eine hoch begabte Musikerin. Ihr Mann schrieb ihr prachtvoll-virtuoses Soli in seine Messen. Miteinander erlebten sie den Tod ihres Kindes, einen Schlag, von dem sich die melancholisch veranlagten Eheleute nie mehr erholten.

Konkurrenz für Wolfgang Amadé

Haydns Begabung überragte alles, was es neben ihm in Salzburg gab. Sein Kollege Leopold Mozart erkannte dies - und dass hier für seinen Sohn Wolfgang Amadé die einzige ernsthafte Konkurrenz zu erblicken sei. Zudem hatte Haydn im Gegensatz zum jungen Mozart eine äußerst pflichtbewusste Dienstauffassung. Nie hatte er wie dieser einen Urlaub zum Ärgernis seines Dienstgebers aufs Äußerste überzogen, allein aus dem Grund nicht, weil er nie um einen solchen ansuchte.

Den Erneuerungsbestrebungen Erzbischof Colloredos zeigte er sich wesentlich aufgeschlossener als der junge Mozart. Reife Früchte Salzburger Aufklärung, welche Colloredo in philosophischen und theologischen Schriften auch theoretisch begründet, sind Michael Haydns zukunftsweisende Kirchenwerke, welche den altüberlieferten Gregorianischen Choral neu beleuchten und die Stücke in deutscher Sprache, wie das so tief ins Volk eingedrungene "Deutsche Hochamt".

Schüler Carl Maria von Weber

Joseph hätte seinen Bruder gerne zu seinem Nachfolger im Amt des Esterházy’schen Kapellmeisters gemacht. Michael lehnte ab, blieb in Salzburg - und wurde nochmals bedeutsam für die Musikgeschichte:

Der junge Carl Maria von Weber kam extra dorthin, um bei Michael Haydn Unterricht zu nehmen. So basiert die erste wirklich romantische deutsche Oper vom "Freischützen" auf dem, was der künftige Romantiker beim Klassiker sich an Handwerk erwerben konnte. Mit seinen Quartetten für Männerstimmen kreierte Michael Haydn zudem eine in der Romantik zu voller Bedeutung kommende Musizierform.

Penible Aufzeichnungen

In seiner Hinterlassenschaft befinden sich auch penibelste Aufzeichnungen über das Salzburger Wetter und Briefe in einer von ihm entwickelten Geheimschrift - Zeichen der Skurrilität ebenso wie reger Fantasie.