Die Megakrawatten des Herrn Busic

Über große und kleine Völker

Es gibt nicht viele Kleidungsstücke, die nach Gebieten ihrer Erfindung, ihres Gebrauchs oder irgendwelcher Assoziationen mit einem geografischen Raum benannt worden sind. Neben Bermudas oder Bikinis ist dabei das wohl bekannteste Stück die Krawatte.

Sie verbirgt diskret Knopfleisten und gibt dem Mann eine gewisse Individualität - die Krawatte. Viele glauben, sie wurde in Frankreich erfunden. Doch weit gefehlt! Die Krawatte hat ihren Ursprung in Kroatien. Nach dem Dreißigjährigen Krieg - genauer gesagt im Jahr 1635 - kamen 6.000 Kroaten zur Unterstützung Frankreichs nach Paris - mit einem um den Hals geknoteten Tuch, das Teil ihrer Uniform war.

Toynbees "Study of history“

In seinem bekannten Buch "A study of history“ schrieb Arnold Toynbee im Einführungskapitel, dass man die Historie durch die Geschichte kleiner Völker nicht darstellen könne. Der Historiker griff sich dabei als Beispiel für kleine Länder zwei osteuropäische Völker heraus: die Slowaken und die Kroaten.

Ihre Geschichten - so Toynbee - könne man nicht unabhängig von ihren größeren und mächtigeren Nachbarn bearbeiten. Während man etwa mit Frankreich als großem Land die Weltgeschichte darstellen könne, sei das mit den Slowaken oder Kroaten nicht möglich, weil sie jeweils vom größeren Land stark beeinflusst seien.

Die kleineren Völker

Man könnte nun sagen, dass gerade aus diesem Grunde die kleineren Völker ständig Beweise zu finden versuchen, ihre wichtige Stelle in der Weltgeschichte zu bekunden, als dies Toynbee in seiner Darstellung der Weltgeschichte auch nur andeutungsweise vorauszusehen vermochte.

So haben etwa vor nicht allzu langer Zeit die Serben behauptet, dass - weit bevor in Europa die Menschen mit ihren Fingern gegessen haben - die Serben schon mit "goldenen Löffeln und Gabeln“ dasselbe taten. Dabei blieb allerdings offen, wo das Besteck erfunden wurde. Aber allein aus der Tatsache, dass sie es benutzen konnten, kann man schon viel aus der serbischen Identität schließen.

Die Identität Kroatiens

In dem von Toynbee genannten kleinen Land Kroatien bemüht sich nun schon seit 17 Jahren Marijan Busic - ein Geschäftsmann aus Zagreb -, jene Wahrheit rund um die Welt zu verbreiten, nämlich dass Kroatien die Heimat der Krawatte ist. Um das alles auf ein höheres Niveau zu bringen, gründete er eine nicht profitorientierte Organisation unter dem Titel Academia Cravatica, kurz AC, deren Ziel es ist, mit diversen künstlerischen Installationen die kroatische Identität weltweit bekannt zu machen.

Eine der ersten Aktionen dieser Organisation war es, eine große Krawatte um die Arena von Pula zu binden. Wenn man nun weiß, dass das römische Amphitheater in Pula ein elliptisches Bauwerk in der Größenordung von 132 mal 105 Metern ist, dann ist klar, wie imposant diese "Megakrawatte“ in etwa war. Nicht nur dieser Krawatte und ähnlichen Installationen wegen ist Marijan Busic auch zum besten Geschäftsmann Kroatiens gekürt worden. Seine Firma Potomac produziert auch jene authentischen kroatischen Krawatten: "Die Krawatte", so behauptet er, "ist ein Zeichen der Eleganz und des Selbstbewusstseins ihrers Trägers".

Viele berühmte Krawattenträger

Die Krawatte ist ein Sinnbild der westlichen Kultur, weil sie einige grundlegende Werte unserer Gesellschaft symbolisiert: die Würde einer Person, den zivilisierten Umgang, das Selbstbewusstsein, sowie den Erfolg eines Menschen.

Das schrieb Marijan Busic auch einmal in einem Katalog für eine um die Welt reisende Ausstellung zum Thema Krawatte. Mit der "Busic-Krawatte" bezeugen auch viele bekannte und wichtige Menschen der Welt ihr "Selbstbewusstsein"; darunter - um nur einige zu nennen - der ehemalige kroatische Präsident Tudjman, Bill Clinton, der japanische Kaiser Hirohito, Jacques Chirac, der König Juan Carlos, Otto von Habsburg, Jane Fonda.

Die Firma des Herrn Busic floriert jedenfalls, und er erhielt für seine Schöpfung verdiente Ehren. Seine Auszeichnung wurde unter anderem auch damit begründet, dass er "sich in eine echte Weltgeschichte aus einem kleinen Volk verwickelt hat und sein Vorhaben von unternehmerischer Seite her ein riskantes und abenteuerlicher Unternehmen war“.

Die Megakrawatte des Herrn Busic

Es scheint jedenfalls, dass Herrn Busic im unternehmerischen Sinne auch künftig die Ideen nicht ausgehen. Seine jetzige Installation ist am 7. Juli aus Dubrovnik "abgereist“. Bis zum 10. September möchte er aber ganz Kroatien (etwa 4.000 Kilometer) mit einer Krawatte umziehen. Eigentlich geht es hier - "aus praktischen Gründen“, wie er sagt - nicht um eine echte Krawatte, sondern eine rote Seidennaht, die die Krawatte symbolisch vertreten soll.

Um diese Aktion erfolgreich zu gestalten und die Identität der Kroaten zu bestärken, helfen bei dieser "künstlerischen Installation“ nicht weniger als 10.000 Menschen mit. Fraglich ist nur, wie das alles für einen Außenseiter oder Zuschauer zu begreifen sein wird. Tatsache bleibt aber, dass dies noch immer nicht das Ende der Inspirationen des Herrn Busic sein wird, denn sein nächstes Projekt soll - nach eigenen Worten - "ganz Europa oder sogar die ganze Welt mit einer Krawatte oder einem symbolischen Darsteller der Krawatte umbinden".

Noch einmal Toynbee

Ob nun Erfolg oder Misserfolg dieser geplanten Aktion beschieden ist - eines scheint bereits heute festzustehen: Man wird nie herausbekommen, ob Herr Toynbee sein Denken über die Weltgeschichte und ihre kleineren und größeren Spieler geändert hätte, hätte er die Möglichkeit gehabt, die "Megakrawatte" zu sehen. Sicher ist auch, dass Toynbees Studien die leidenschaftlichen Patrioten und patriotisch bewussten Geschäftsmänner nicht an ihrer Suche nach Beweisen für die eigentliche Größe ihrer Völker hindern können. Der Beweis hiefür - wie folgt:

In einer Zeitung war jüngst zu lesen, dass "ein Kroate von der Insel Brac in Dalmatien der Ehemann der letzten hawaiischen Königin Liliukalani war“. Weiters stand geschrieben, es sei geplant, in Honolulu ein Denkmal für diesen Prinzen, den Kroaten John O. Dominis, aufzustellen.