Eine Sopranistin mit unverkennbarem Timbre

Elisabeth Schwarzkopf (91) ist tot

Sie zählte zu den größten Sopranistinnen ihrer Epoche: Elisabeth Schwarzkopf ist in der Nacht zum Donnerstag 91-jährig gestorben. Mit ihrer unverkennbaren Stimme und ihren Interpretationen von Mozart- und Strauss-Partien setzte sie Maßstäbe.

"Der Triumph meines Lebens"

Ihr Name steht für unübertroffenen Mozart- und Strauss-Gesang, für subtile Liedkunst, aber auch für hoch artifizielles Singen: Elisabeth Schwarzkopf ist nach Angaben des Bestattungsinstituts Marent Peter im österreichischen Schruns in der Nacht zum 3. August im Alter von 91 Jahren gestorben. Sie wird am 11. August im Familiengrab in Zumikon bei Zürich beigesetzt werden.

Die aus Jarotschin bei Posen in Polen gebürtige Sängerin zählte neben Maria Callas und Victoria de los Angeles zu den größten Sopranistinnen ihrer Epoche. Im vergangenen Juni erhielt sie den "Echo-Klassik 2006" der Deutschen Phono-Akademie für Lebenswerk anlässlich ihres 90. Geburtstages, den sie im Vorjahr beging.

Mit "unerbittlichem Perfektionismus"

Es war 1946 in Wien, als Plattenproduzent Walter Legge mit der jungen Sopranistin Elisabeth Schwarzkopf ein Hugo-Wolf-Lied erarbeitete. Eineinhalb Stunden lang feilte er hartnäckig, bis Herbert von Karajan mahnte: "Kreuzige das Mädchen nicht." Doch die Sängerin mit dem "unerbittlichen Perfektionismus" (Legge) bestand den Test - und 1953 Legges Ehefrau.

Maßstabsetzende Interpretationen

Die musikalischen Leistungen der Sängerin, seit 1992 "Dame of the British Empire", erregen bis heute Bewunderung.

Und ihre Interpretation der Fiordiligi, Donna Elvira und Gräfin Almaviva in Mozarts "Cosí fan tutte", "Don Giovanni" und "Le nozze di Figaro" sowie der Strauss-Partien der Marschallin im "Rosenkavalier" oder der Gräfin in "Capriccio" setzten Maßstäbe. Außerdem sang sie 1951 in der Uraufführung von Strawinskys "The Rake's Progress".

Später Schatten auf glänzende Karriere

Auf die glänzende Karriere fiel später ein Schatten: Alan Jefferson, ein Vertrauter ihres Ehemanns, veröffentlichte Mitte der 1990er Jahre eine Biografie über die Diva und erhob Nazi-Vorwürfe. Zwar gab die Schwarzkopf zu, 1940 den Beitritt zur NSDAP beantragt zu haben - "auf Verlangen der Intendanz des Opernhauses in Berlin".

Behauptungen britischer Zeitungen, sie sei ein begeistertes Parteimitglied gewesen, wies sie zurück. "Nur das, was für das Singen Bedeutung hatte, habe ich getan", sagte sie in einem filmischen Selbstporträt.

1947 Beginn der Weltkarriere

Die Karriere der 1915 in Jarotschin bei Posen in Polen geborenen Schwarzkopf, die bei der Sopranistin Maria Ivogün studiert hatte, begann 1938 in Berlin und dauerte bis 1979.

1947 machte sie ihre erste England-Tournee mit einem Gastspiel der Wiener Oper in London und debütierte, auf Einladung durch Herbert von Karajan, bei den Salzburger Festspielen als Susanna in Mozarts "Le Nozze di Figaro". Auf Tournee mit der Wiener Staatsoper trat sie an führenden Opernhäusern Europas auf. Seitdem sang sie an der Mailänder Scala, in Bayreuth und an der New Yorker Metropolitan Opera. 1972 beendete sie ihre Bühnenkarriere, 1979 gab sie ihren letzten Liederabend in Zürich, wo sie damals lebte. In Wien erhielt Schwarzkopf den Berufstitel "Kammersängerin" (1961) und wurde Ehrenmitglied der Staatsoper (1983).

Einzigartige Stimme mit unverkennbarem Timbre

Schwarzkopfs Stimme, die zu den führenden Sopranistinnen im klassisch-romantischen Fach zählte, war einzigartig: Neben unbändigem Ausdruckswillen besaß die Schwarzkopf ein sofort wieder erkennbares Timbre und sang mit weichem, sanft geflutetem Ton. In Duetten mit Sängerinnen wie Irmgard Seefried oder Elisabeth Grümmer "ergeben sich Klangmischungen, die zum Schönsten gehören, was man klanglich von Frauenstimmen überhaupt hören kann", schrieb der Musikkritiker Jürgen Kesting.

"Sie hat mit den Wortnuancierungen eines subtilen Schauspielers und den feinen Farben eines großen Malers gesungen." Dies gilt vor allem für die Liedaufnahmen. Ihre Fähigkeit, die Stimme zu färben und kleinste Details des Textes damit zu beleuchten, mache die Sängerin zur "faszinierendsten aller Wolf-Interpretinnen", urteilte Kesting.

Von Kritikern als manieristisch bezeichnet

Doch es gab auch kritische Stimmen. Manieristisch nannten viele Kritiker ihren Stil. Der Theaterwissenschafter Jens Malte Fischer schrieb: "Mehr Kunst als Natur - wer den sängerischen Naturlaut bei Elisabeth Schwarzkopf sucht, der wird ihn schwerlich finden."

Dafür bot sie fesselnde Interpretationen, gerade auch in einem Repertoire, das der Ausdruckssängerin nicht in die Wiege gelegt schien: der Operette. Denn auch in einer Reihe von Operettenaufnahmen der 1950er Jahre mit dem schwedischen Tenor Nicolai Gedda ist sie ohne Konkurrenz.

Zuletzt Gesangspädagogin

Seit den 1980er Jahren trat Elisabeth Schwarzkopf als Gesangspädagogin hervor - und mahnte ihre Schüler, die Zeit zu nutzen:

"Natürlich muss man singen in der Zeit, in der man singen kann. Das Leben des Sängers ist kürzer als jedes andere. Man muss in diesen Jahren enorm viel lernen. Ich habe viel gelernt, aber leider, wie ich jetzt weiß, niemals genug", betonte Schwarzkopf. Zu den Schülern von Elisabeth Schwarzkopf zählt etwa Bariton Thomas Hampson.

Weltweit Würdigungen

"Wir trauern um eine der bedeutendsten Sängerinnen aller Zeiten - und verneigen uns in Dankbarkeit vor ihrer Kunst", schrieb die Leiterin der Salzburger Festspiele, Helga Rabl-Stadler. Schwarzkopf, die bereits 1947 ihr Salzburger Debüt gegeben hatte, habe "die Festspiele in den ersten beiden Nachkriegsjahrzehnten wesentlich geprägt".

Der französische Kulturminister Renaud Donnedieu de Vabres meinte, mit Schwarzkopf habe die Welt eine "ungeheure Künstlerin, eine Interpretin mit eiserner Disziplin und magischem Timbre verloren". Auch der österreichische Bundeskanzler Wolfgang Schüssel sagte, Schwarzkopf habe "mit der Klarheit ihrer Stimme der Musik eine unverwechselbare Seele eingehaucht".

Mit Bedauern hat Staatsopern-Direktor Ioan Holender den Tod von Elisabeth Schwarzkopf zur Kenntnis genommen. Nach dem Tod des Dirigenten Heinrich Hollreiser am 24. Juli sei die Sopranistin innerhalb kürzester Zeit das zweite verstorbene Ehrenmitglied seines Hauses, meinte Holender gegenüber der APA. Schwarzkopf sei "die wohl letzte und gleichzeitig größte der großen Strauß- und Mozart-Interpretinnen des vergangenen Jahrhunderts" gewesen. Zudem sei sie als "erste große Schallplatten-Sängerin" zu Berühmtheit gelangt.

"Sie war eine wichtige und erstklassige Sängerin", ergänzte Holender, der in Bezug auf ihre umstrittene NS-Vergangenheit aber auch darauf verwies, dass dies durchaus "für beide politischen Regime" gegolten habe. Dennoch zeigte sich der Direktor "froh und stolz, dass ich sie im vergangenen Jahr zu einer Matinee in der Staatsoper überreden konnte". Das rund einstündige Gespräch sei "der letzte große öffentliche Auftritt ihrer Karriere" gewesen.

Mehr zu Walter Legge in oe1.ORF.at und zu Mozart 06 in oe1.ORF.at

Hör-Tipp
In memoriam Elisabeth Schwarzkopf, Sonntag, 6. August 2006, 15:06 Uhr

Mehr dazu in Ö1 Programm

TV-Tipps
Streifzug Kultur: Große Vergangenheit: Elisabeth Schwarzkopf im Gespräch mit Karl Löbl, Sonntag, 6. August 2006, 10:00 Uhr, ORF 2

Norbert Beilharz, "Dich hab ich vernommen", Sonntag, 6. August 2006, 11:10 Uhr, 3sat

Treffpunkt Kultur, Montag, 7. August 2006, 22:30 Uhr, ORF 2

Da capo: August Everding im Gespräch mit Elisabeth Schwarzkopf, Sonntag, 22. Oktober 2006, 10:55 Uhr, 3sat

Links
Wikipedia - Elisabeth Schwarzkopf
Wiener Staatsoper
Mozart 2006
Calling Mozart
Mozart 2006 Salzburg
Wiener Mozartjahr 2006
tv.ORF.at
3sat.at