Mit Bewusstsein Geschichten mit Bildern erzählen

Rosana Saavedra Santis, Schnitt

Über Umwege kam sie mit Anfang 30 zum Medium Film: Rosana Saavedra Santis, die seit 1999 an der Filmakademie Wien Schnitt studiert. Mittlerweile hat sie auch Erfahrungen mit Regie gesammelt. Und war bereits bei mehreren Dokumentationen für den ORF tätig.

"Ich habe sehr lange im Marketing-Bereich gearbeitet. Nach fünf Jahren Auslandsaufenthalten in Moskau, Panama und Kolumbien zog es mich 1997 doch wieder nach Österreich zurück. Und dann stellte sich die Frage: arbeite ich weiter in diesem Bereich, denn Job-Angebote hatte ich, oder wage ich einen Neubeginn. Ich war damals 30 und wollte wieder eine Ausbildung machen, in eine andere Richtung gehen. Ich habe zunächst eine Ausbildung bei SAE gemacht, die sich damals aufgrund des Booms auf CD-Rom-Produktion und Webseiten-Gestaltung spezialisierte. Dabei gab es auch etwas Film-Unterricht, wo die Basics vermittelt wurden - und das machte mir am Meisten Spaß. In der Folge versuchte ich die Aufnahmeprüfung an der Filmakademie - und wurde zum Glück aufgenommen. Schnitt ist eine Arbeit, die mich sehr glücklich macht", erzählt Rosana Saavedra Santis, gebürtige Wienerin, Jahrgang 1967, die seit 1999 bei Hannelore Götzinger an der Filmakademie Wien Schnitt studiert.

Nach der Matura hatte die Nachwuchs-Cutterin zunächst mit dem Studium der Geschichte und Ethnologie an der Universität Wien begonnen, entdeckte aber bald, dass ihr die Uni-Atmosphäre zu unpersönlich war. Bevor sie bei einer internationalen Firma im Marketing-Bereich tätig wurde, absolvierte sie Studienreisen nach Chile, Argentinien und Uruguay. Mittlerweile hat die gefragte Cutterin auch Film-Regie gemacht: "Auch Regie interessiert mich, aber sie steht derzeit nicht an erster Stelle. Und ich glaube, dass der Schnitt letztlich ohnehin zur Regie hinführt", so Saavedra Santis, die nun im zehnten Semester ist und voraussichtlich in diesem Oktober mit Diplom abschließen wird.

Mit Bildern erzählen

"Der Regisseur hat eine Idee, dann wird gedreht und schließlich am Schneidetisch zusammengestellt. Und dieses Montieren finde ich spannend. Ich schneide hauptsächlich Dokumentar-Filme. Das war aber keine bewusste Entscheidung, sondern hat sich ergeben. Momentan zieht es mich nicht zum Spielfilm, der Dok-Film ist für mich spannender. Denn sehr vieles entsteht ja erst am Schneidetisch. Beim Spielfilm ist viel mehr vorgegeben. Bei der Dokumentation kann ich mich stärker einbringen. Für mich ist dieses Genre viel sinnlicher und berührt mich mehr", erläutert Saavedra ihren Zugang.

Selbstmotivierung und Einfühlungsvermögen

"Am Wichtigsten ist es, sich selbst motivieren zu können. Denn nicht jeder Film ist das Traumprojekt, und nicht jedes Thema interessiert mich. Der Schnitt an sich ist nicht so schwierig, wenn man weiß, was man erzählen will. Ich arbeite z.B. öfters mit einem Regisseur zusammen, der mir sehr viel Freiheit lässt. Aber das ist eher eine Ausnahme. Und ganz wichtig für einen Cutter ist es, sich psychologisch auf sein Gegenüber einstellen zu können. Denn es ist immer der Cutter, der bei der Filmarbeit Kompromisse eingehen muss. Wenn man das nicht kann, ist die Arbeit sehr schwierig", so Saavedra.

"Ich habe für mich eine Definition des Schnitts gesucht: Wenn ich einen Text vor mir habe und einen Punkt, ein Komma oder einen Absatz sehe, dann sind das Atempausen. Und so sehe ich das auch beim Schnitt."

Vielfältige Schnitt-Erfahrung

In den letzten fünf Jahren hat Rosana Saavedra bereits zahlreiche Erfahrungen gesammelt: So hat sie u.a. die Kurz-Dok- und -Spielfilme "Poetry Slam" und "Nightblindness" (Michael Ramsauer, 2001), "Firn" (Sigi Steiner, 2002), im Jahr 2003 "California" (Sigi Steiner), die 90-Minuten-Doku "In der Fremde daheim" (Hubert Canaval), "Nichts über Tim und Pola" (Barbara Grascher), "Sonnenregenkinder" (Catherine Radam), "Transskript" (Barbara Grascher) sowie die Dokumentation "Völlerei" (Sigi Steiner), die im Dezember 2004 im ORF und im März 2005 in 3sat gezeigt wurde, geschnitten.

Im Vorjahr entstanden u. a. die Dok-Filme "Weihnachten in Neufünfhaus" (Michael Cencig), "Bunica" (Ivanceanu,Groen), "Moving concepts" (Michael Wörgotter) sowie der Kurz-Spielfilm "Harz" (Sigi Steiner).

Co-Regisseurin bei "Valparaiso eterno"

Eine der wichtigsten Arbeiten Rosana Saavedras war "Valparaiso eterno", eine Koproduktion mit ORF-3sat, die in Co-Regie mit Birgit Foerster entstand und wo sie auch den Schnitt machte. Der Film porträtiert das Leben in der chilenischen Hafenstadt Valparaiso und zeigt die Spuren, die die Ära Pinochet in der Stadt und in den Menschen hinterlassen hat. Dabei treffen zwei Kämpfer gegen den Faschismus aufeinander: der letzte politische Gefangene in Valparaiso und ein Wiener Exil-Chilene, der nach 28 Jahren seine Stadt wieder erlebt.

"Es war insofern eine wichtige Arbeit, weil ich dabei merkte, dass es nicht so ideal ist, selber Regie zu führen und dann den Film auch zu schneiden. Es fehlt das frische Auge, und man benötigt viel mehr Zeit - denn man muss sich von den Bildern, die man ja bereits kennt, wieder distanzieren", schildert Saavedra ihre Erfahrung.

Zwei Filme in Fertigstellung

Derzeit arbeitet Saavedra an zwei Projekten, die im kommenden Herbst fertiggestellt sein sollen und im ORF gezeigt werden, wie sie erzählt: "Mit dem jungen Regisseur Martin Nguyen, der im Vorjahr 'Shorts on screen' gewonnen hat, arbeite ich an dem Dok-Film 'Ich muss dir was sagen', der vom ORF-Innovationsfonds unterstützt wird, und der sich mit der Gehörlosen-Problematik befasst. Wie geht man mit plötzlich auftretender Gehörlosigkeit um? Passt man den Gehörlosen an oder versucht man, selber Schritte zu setzen, um ihm das Leben zu erleichtern. Dafür musste ich eine neue Art des Schnitts lernen, weil es um Gebärdensprache geht. Denn hier muss man sehen, was die betreffende Person sagt. Es ist mittlerweile ein Herzensprojekt."

Das zweite Projekt mit dem Arbeitstitel "Der Mann als Hund", wo Saavedra auch Regie geführt hat, handelt von einem Arbeitslosen, der den einzigen Posten, den er bekommen kann, annimmt - und zwar als Wachhund eines Nachtwächters. In er Folge seiner "Tätigkeit" verschlechtert sich allmählich sein körperlicher und geistiger Zustand. Schließlich geht seine geistige Verwirrung so weit, dass sich mit seiner Rolle als Hund identifiziert.

Freude an der Arbeit als Priorität

Kürzlich hat die gefragte Cutterin einen Entschluss gefasst: "In nächster Zeit werde ich vor allem im Low-Budget-Bereich arbeiten. Denn die einzige Möglichkeit in diesem Klima, in dem sich Österreichs derzeit befindet, seine Freiheit zu behalten, ist, wenn man kein Geld hat. Und ich will in den Filmen das zeigen, was ich möchte. Als Newcomer ist das aber schwer. Doch die Situation kann sich ja auch ändern."

Und welche Zukunftswünsche hat die nachdenkliche Filmschaffende? "Das Wichtigste ist für mich, nicht die Freude an der Arbeit zu verlieren. Sollte ich eines Tages spüren, dass das nicht mehr der Fall ist, müsste ich mich zurück ziehen. Nur aus Kompromissfähigkeit weiter zu machen, weil ich jetzt studiert habe, wäre mir zuwenig. Dazu bin ich auch zu risikofreudig - und würde mich wieder neu orientieren", so Rosana Saavedra Santis.