Medizinische Betreuung Obdachloser

8. April 2017, 21:58

Einer breiteren Öffentlichkeit sichtbar wurde das Wirken von Wolfgang Pucher in der Zeit des Balkankrieges. 1991/92 befanden sich unter den Flüchtlingen auch viele ohne Pass oder Asylantenstatus - kurz Illegale oder Deserteure. 70 davon "lebten" am Grazer Bahnhof. Niemand half diesen Menschen und sie wurden darüber hinaus von der Polizei schikaniert.

Pfarrer Wolfgang Pucher besorgte sich einige Zelte, stellte diese am Fußballplatz seiner Pfarre auf und beherbergte dort fortan bis zu 100 Flüchtlinge. Die Widerstände von den eigenen Gemeindemitgliedern und den Behörden waren beträchtlich. Es war dies die Geburtsstunde einer einzigartigen Initiative. Im selben Jahr wurde eine leer stehende Fabrikhalle zum VinziNest für weitere Flüchtlinge adaptiert.

Hilfe, wenn Leben missglückt

1993 errichtete Pfarrer Pucher ein aus Baucontainern bestehendes Dorf, um obdachlosen Menschen die Möglichkeit zu geben, ihre Grundbedürfnisse zu befriedigen - Essen, Schlafen, Waschen und im Krankheitsfall eine medizinische Versorgung.

Was seit jeher für Aufregung sorgte: Im VinziDorf dürfen die Obdachlosen Alkohol konsumieren, rauchen, auch ihre Haustiere mitnehmen - einfach so leben, wie sie das eben können oder wollen. Niemand versucht aus den Bewohnern bessere oder gesellschaftsfähigere Menschen machen. Damals wie heute für manche ein Skandal.

Ein "Konzern der Barmherzigkeit"

Mittlerweile besteht Pfarrer Puchers "Konzern der Barmherzigkeit" aus mehreren Initiativen.

• Das VinziNest ist eine Notschlafstelle für Ausländer.
• Im VinziDorf wird Obdachlosen ein menschenwürdiges Leben ermöglicht.
• Im VinziMed, der medizinischen Betreuungseinheit, werden die kranken und pflegebedürftigen VinziDorf Bewohner umsorgt - Geborgenheit, wenn es sein muss, auch bis zum Tode.
• Im VinziTel, einer hotelartigen Einrichtung, erhalten Personen, die von akuter Wohnungslosigkeit betroffen sind, Unterkunft für eine Nacht.
• Im VinziMarkt können Grazer mit minimalem Einkommen stark verbilligte Waren kaufen.
• VinziHelp führt auch das Haus Rosalie für obdachlose, inländische Frauen.
• Ein Bus, der Essen verteilt und weitere Angebote stehen jenen zur Verfügung, die aus der Mitte der Gesellschaft an deren Rand gelangten. Das kann ja bekanntlich schneller geschehen, als man glauben möchte.

Armut macht krank

Auch das Projekt "neunerHaus" in Wien, es besteht seit 2001, fußt auf liberalen Grundsätzen. Den betreuten Obdachlosen wird weitestgehende Freiheit und Selbstständigkeit ermöglicht. Mittlerweile stehen 100 Wohnplätze zur Verfügung.

Im März 2006 wurde das innovative Gesundheitsprojekt "neunerhausArzt" gestartet. Es ist ja nachvollziehbar, dass Obdachlose erstens mehr gesundheitliche Probleme im Vergleich zur Normalbevölkerung haben und zweitens - aus verschiedenen Gründen - seltener medizinische Hilfe in Anspruch nehmen.

Daher betreut nun ein mobiles Ärzteteam in zehn Obdachloseninstitutionen etwa 1500 Menschen in Wien. Erstes Ziel ist die Linderung der gesundheitlichen Probleme. In Zusammenarbeit mit Sozialarbeitern sollen somit aber auch die Chancen für die Rückkehr in ein selbständiges Leben verbessert werden.

Diskutieren Sie mit

Wenn Sie Fragen haben oder live auf Sendung von Ihren Erfahrungen berichten möchten, so können Sie uns während der Sendung unter der Telefonnummer 0800 22 6979 erreichen. Ihr Anruf ist kostenlos. Sie haben auch die Möglichkeit, hier zu posten.

• Wie kann Ihrer Meinung nach Obdachlosen am Besten geholfen werden?
• Welche Maßnahmen im Kampf gegen die Armut müssten am dringendsten verwirklicht werden?
• Nimmt die Bereitschaft zur Solidarität mit in Not geraten Menschen in unserer Gesellschaft ab?

Offen gebliebene Fragen werden nach der Sendung von Pfarrer Wolfgang Pucher bis 15:20 Uhr in unserem Forum beantwortet.