Gehorsame Visionäre

Geschichte, Theologie und Politik der Jesuiten

Die Jesuiten waren in ihrer Geschichte ein kontroversieller Orden. Bismarck verbot sie, erst nach 1918 waren sie in Deutschland wieder erlaubt. In der Schweiz bestand bis 1973 ein Jesuitenverbot. Vor 450 Jahren wurde der Orden gegründet.

Rupert Klieber über Besonderheiten des Ordens

Die Jesuiten feiern heuer ein Jubiläum: Vor genau 450 Jahren wurde ihr Orden gegründet, und zwei der Jesuiten der ersten Stunde, Petrus Faber und Franscico Xavier, wurden vor 500 Jahren geboren. Der eine arbeitete in Mitteleuropa, der andere, Francisco Xavier, in Japan und China.

Ende des 17. Jahrhunderts gab es rund 20.000 Jesuiten, die in Europa, Asien und Lateinamerika arbeiteten. Die Jesuiten galten als der Eliteorden der katholischen Kirche. Gegründet wurde der Orden 1541 in einer Zeit des allgemeinen ökonomischen, politischen und spirituellen Aufbruchs in Europa. Die Jesuiten haben kein eigenes Ordensgewand, und auch die Regel, die Ignatius dem Orden gibt, die Konstitutionen, machen die Jesuiten zu etwas Besonderem.

Schwerpunkt Missionierung

Es gab zwei Schwerpunkte: die Mission in den neu eroberten überseeischen Kolonien, und die Mission in Europa, in dem die Reformation Fuß gefasst hat. Ein Arbeitsschwerpunkt der Jesuiten war und ist die universitäre Bildung.

Für ihre missionarische Arbeit nutzten die Jesuiten alle Möglichkeiten, die sich ihnen boten - auch das barocke Theater und das Vergnügen an Kunst und Sinnlichkeit.

Die Elite-Truppe des Papstes

Die Jesuiten gewannen den Ruf, die Elite-Truppe des Papstes zu sein. Die angehenden Ordensmitglieder wurden in der Kunst des Disputierens geschult, sodass sie für jedes Pro ein Contra und umgekehrt finden konnten. Das trug den Jesuiten den schlechten Ruf ein, Kasuisten zu sein.

Ihre enorme intellektuelle Bildung ermöglichte den Jesuitenmissionaren im 17. Jahrhundert sogar den Zutritt zum kaiserlichen Hof in Peking.

Erdbeben mit politischen Folgen

1755 zerstörte ein Erdbeben die Stadt Lissabon fast völlig, und es gab mehr als 30.000 Tote. Die alten Erklärungen - etwa, dass dies eine Strafe Gottes sei - überzeugten nicht mehr, und das Erdbeben von Lissabon wurde in der Folge ein Argument gegen die Existenz eines gütigen Gottes. Das hatte auch politische Folgen. In Portugal wurde der Adel entmachtet, und ein aufgeklärter Premierminister übernahm die Regierung.

"Da sind die Jesuiten als in den alten Eliten Portugals verankerte Kräfte in den Blickpunkt geraten", erläutert der Kirchenhistoriker Rupert Klieber. "Die Jesuiten wurden in den Blick genommen als die eigentlichen geistigen Väter dieses Widerstandes gegen die Moderne und aufgeklärte Politik. Portugal hat 1759 als erstes die Jesuiten verboten." In weiterer Folge wurden die Jesuiten auch aus Spanien ausgewiesen. Der Orden wurde schließlich mit zwei Bullen gesamtkirchlich aufgehoben, ohne expliziert verurteilt zu werden.

Der letzte General der Jesuiten starb als Gefangener 1775 auf der Engelsburg in Rom. Ein Formfehler jedoch ließ die Jesuiten überleben - denn die Bulle zur Aufhebung wurde nicht urbi et orbi - gültig für die ganze Welt - verkündet, sondern den Bischöfen einfach zugeschickt.

Jesuiten im Widerstand

1814 wurden die Jesuiten von Papst Pius VII wieder für die ganze Kirche zugelassen. Doch auch im 19. und 20. Jahrhundert blieben die Jesuiten ein kontroverser Orden. Der preußische Kanzler Bismarck verbot während des Kulturkampfes die Jesuiten; sie waren erst nach 1918 wieder in Deutschland erlaubt. In der Schweiz bestand bis 1973 ein Jesuitenverbot, ebenfalls mit kulturkämpferischem Hintergrund. Für das NS-Regime galten die Jesuiten als Volksschädlinge, viele erhielten Predigtverbot oder wurden ins KZ gebracht, und manche zahlten für ihren Widerstand auch mit dem Leben.

Bis heute arbeiten die Jesuiten auf der ganzen Welt. Rund 20.000 Jesuiten engagieren sich nach der Regel des Ignatius von Loyola in der Nachfolge Christi. Es gibt rund 100 Universitäten in 27 Ländern, von denen viele international renommiert sind. Gefragt sind heute auch immer mehr die ignatianischen Exerzitien, auch bei Nicht-Jesuiten.

Hör-Tipp
Logos, Samstag, 29. Juli 2006, 19:05 Uhr

Download-Tipp
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Links
Wikipedia - Jesuiten
Wikipedia - Kasuistik
historicum.net - Jesuitentheater
Jesuiten in Österreich
Kurie der Gesellschaft Jesu