Österreichs Firmen in China und ihr Erfolgsrezept

Wie man auf dem Drachen reitet

Chinas Wirtschaftsboom ist nicht aufzuhalten. Allein in Shanghai produzieren rund 40.000 ausländische Firmen. Österreich ist in der Volksrepublik mit etwa 200 Firmen vertreten. Das Erfolgsrezept: Westliche Technik und Management, gepaart mit niedrigen Löhnen.

Birgit Murr im Gespräch mit Michael Csoklich

Ausländische Investitionen in China machen sich offenbar bezahlt. Allein in der Wirtschaftsmetropole Shanghai produzieren nicht weniger als 40.000 Firmen aus dem Ausland. Das Erfolgsrezept: Westliche Technik, westliches Management, kombiniert mit niedrigen chinesischen Löhnen.

Das österreichische Kontingent von etwa 200 Firmen nimmt sich verglichen damit eher bescheiden aus. Aber Angst ist fehl am Platz, denn Veränderungen sollten als Chancen begriffen werden, heißt es unisono bei Lenzing, Isovolta, AT&S oder Magna Steyr.

Lenzing in Nanjing

In Nanjing, der Hauptstadt der ostchinesischen Provinz Jiangsu mit insgesamt 72 Millionen Einwohnern, befindet sich die Baustelle der neuen Viskosefaser-Fabrik des oberösterreichischen Faserkonzerns Lenzing: eine 60-Millionen-Euro-Investition, gemeinsam mit einem chinesischen Partner. 60.000 Tonnen Viskosefasern jährlich will Lenzing nach der Fertigstellung hier im Zentrum der chinesischen Textilindustrie, direkt beim Abnehmer produzieren. Wächst der Markt weiter so rasant, soll die Produktion in den nächsten Jahren auf 200.000 Tonnen ausgeweitet werden.

Die boomende Textilindustrie in China und die damit verbundene explosionsartig vervielfachte Nachfrage sei der primäre Grund, warum der weltgrößte Faserhersteller nach China kommt, sagt Lenzing-Vorstand Christian Reisinger: "Wir wollen weiter der weltdominante Erzeuger von Viskose-Stapelfasern sein. Mit unserer Wachstumsstrategie glauben wir, langfristig eine stabile nachhaltige Position zu haben". Auch der Kostenfaktor spiele eine Rolle: "Ein Universitätsabsolvent, der im Umfeld der chemischen Industrie hier zu arbeiten beginnt, verdient 2.000 Euro im Jahr. In Österreich verdient er 2.000 Euro im Monat".

Isovolta, Magna Steyr, AT&S

Eineinhalb Autostunden von Nanjing entfernt - in Changzhou - produziert seit 1995 die niederösterreichische Firma Isovolta - weltweit führender Hersteller von Isolierstoffen. Fast ums Eck investiert Magna Powertrain rund 20 Millionen Euro. Ab 2007 werden hier hunderttausende Teile jährlich für den Antriebsstrang von Autos produziert - für alle großen internationalen Autohersteller in China.

So wie Isovolta folgt auch Magna nicht nur seinen Abnehmern, sondern auch den niedrigen Lohnkosten. Thomas Biringer, bei Magna Powertrain für Europa und Asien verantwortlich: "Sie müssen davon ausgehen, dass die Lohnkosten in China ein hoher Wettbewerbsvorteil sind. Je nach dem, wie hoch der Anteil der Wertschöpfung ist, der in China produziert wird, umso größer ist der Kostenvorteil. Es gibt Magna-Betriebe, die bis zu 40 Prozent Kostenvorteil haben."

Weitere eineinhalb Autostunden Richtung Südosten - in Shanghai - ist seit 2001 der steirische Leiterplattenkonzern AT&S ansässig. Derzeit wird mit einer Investition von 150 Millionen Euro Werk 2 errichtet. AT&S-China-Vorstand Thomas Obendrauf rechnet in der Endausbaustufe mit einer Gesamtkapazität von insgesamt 150 Millionen Stück und mit einem Umsatz von etwa 400 Millionen Euro bei 2.500 bis 3.000 Mitarbeitern. Auch für ihn sind die Lohnkosten ein wichtiges Argument: "Wenn man eine Rechnung auf Hundert macht, betragen die Lohnkosten hier etwa acht Prozent; in Österreich muss man etwa 20 Prozent dazu geben".

Ängste fehl am Platz

Nimmt man das Bruttoinlandsprodukt in absoluten Zahlen und nicht pro Kopf, ist China mit 2.250 Milliarden Dollar bereits zur viertgrößten Wirtschaftsmacht der Welt aufgerückt. Das löst in Europa und den USA auch vielfältige Ängste aus - vom Verlust der Arbeitsplätze über Lohndumping bis zum Niedergang und Ausverkauf der eigenen Industrie. Sind das berechtigte Ängste?

"Nein", sagt Shen Guang Yü, Partner von Lenzing in Nanjing: "Ich kann die Angst verstehen, es gibt aber keinen Grund dafür. China ist immer noch ein Entwicklungsland, die Industrie in China entwickelt sich zwar schnell, das Niveau mit anderen Ländern kann man aber noch nicht vergleichen. Kein Land braucht daher zu fürchten, dass die industrielle Entwicklung Chinas ihren Ländern schaden wird".

Thomas Biringer von Magna Power Train meint: "Die Angst kommt daher, dass es zu einer Verschiebung der Arbeitsqualität kommen wird. Wir werden in Europa weniger manuelle Tätigkeiten haben, mehr Dienstleistung, mehr Entwicklung, mehr Innovation".

Georg Karabzcek von der Wirtschaftskammer glaubt, dass jede Situation die Angst hervorruft, auch wieder Chancen birgt: "So wie wir beim Integrationsprozess in Osteuropa gesehen haben, machen solche Prozesse meistens stärker, weil sich die Unternehmer und Menschen umstellen müssen. Wenn wir das positiv angehen, bin ich sicher, dass wir es auch positiv schaffen werden".

Die Zeit drängt

So Birgit Murr, östereichische Handelsdelegierte in Shanghai: "Unser Fokus liegt derzeit sehr stark in den neuen EU-Beitrittsländern. Dadurch sind Kapazitäten gebunden, die man auch in China einsetzen müsste. China ist ein Markt der sich schnell entwickelt, andererseits muss man den Fuß zeitgerecht in der Türe haben. Wenn man in China nicht mit einer Vorlaufzeit von zwei bis drei Jahren rechnet, dann sind die Chancen weg und andere sind hier".

Birgit Murr sieht Österreich im Vergleich mit seinen ausländischen Konkurrenten aber gut gerüstet: "Wir haben viel hochwertige Technologie und auch die nötige Flexibilität. Was wir zu wenig haben, ist Selbstmarketing - und manchmal auch zu wenig Selbstbewusstsein".

Hör-Tipp
Saldo, Freitag, 28. Juli 2006, 9:45 Uhr

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