Sprachenvielfalt - ein organisatorisches Problem
Elf offizielle Landessprachen
Seit Ende der Apartheid verfolgt Südafrika eine Politik zur Unterstützung der Mehrsprachigkeit und sucht nach einer Lösung für eines der Probleme des afrikanischen Kontinents: Die große Sprachenvielfalt auf staatlicher und gesellschaftlicher Ebene.
8. April 2017, 21:58
Verschiedene Sprachen, neben- und durcheinander benützt, das ist in Südafrika nichts Außergewöhnliches. In Südafrika wurden elf Haupt-Sprachen 1993 in der Verfassung anerkannt, neben kleineren Sprachen verschiedener Einwanderergruppen, und zahlreichen Dialektformen.
Elf Sprachen, das ist im afrikanischen Vergleich nicht einmal besonders viel, ungewöhnlich ist aber, dass die Verwendung aller elf Sprachen vom Staat unterstützt wird - anders als zur Zeit der Apartheid, als nur Englisch und Afrikaans, also die zwei wichtigsten Sprachen weißer Einwanderer, offizielle Landessprachen waren.
Sprache als Zeichen der Einheit
In vielen afrikanischen Ländern ist die ehemalige Kolonialsprache Verwaltungssprache geblieben, um keine der regionalen Sprachen zu bevorzugen; oder die Vorherrschaft einer ethnischen Gruppe bringt die Dominanz einer einzelnen Sprache mit sich. In Südafrika sollen die elf in der Verfassung genannten Sprachen gleichberechtigt gefördert werden, in den meist sprachlich gemischten Schulklassen wie in den Medien.
So gibt es im Radio und im Fernsehen Sprachkurse und mehrsprachige Kindersendungen und werden auch Opern, Musicals und Filme in der Umgangsprache produziert - wie "Carmen" auf Xhosa oder zuletzt der Oscar-Preisträger "Tsotsi" im Township-Slang.
Niemand soll bevorzugt werden
Auch Nachrichtenprogramme im südafrikanischen Fernsehen werden regelmäßig in allen elf Sprachen gebracht, es gibt auch Radionachrichten in allen Sprachen.
Für eine Beteiligung an Wahlen oder an Meinungsbildungsprozessen ist dieser Zugang zu Information absolut unerlässlich, meint die Sprachwissenschaftlerin Brigitta Busch von der Universität Klagenfurt, die mit einer Gruppe von Erziehungswissenschaftlern an der Universität Kapstadt zusammen arbeitet. Ohne diese Maßnahmen würden Meinungsbildungsprozesse nicht funktionieren.
Man möchte in Südafrika vermeiden, dass die Vorherrschaft einer ethnischen Gruppe gleichzeitig die dominierende Stellung einer Sprache bedeutet und umgekehrt. Wie es in vielen anderen Staaten Afrikas der Fall ist.
Sprachentelefon für Unklarheiten
Auf dem Weg zum gleichberechtigten Nebeneinander der Sprachen gibt es aber auch in Südafrika zahlreiche Hindernisse: Nachrichtenagenturen liefern ihre Inhalte auf Englisch, Journalisten, die in afrikanischen Sprachen berichten wollen, müssen zugleich als Übersetzer fungieren. In den afrikanischen Sprachen fehlt dafür aber oft das Fachvokabular, das erst entwickelt werden muss.
Aus diesem Mangel heraus hat man in Südafrika ein Sprachentelefon eingerichtet, wo man sich beraten lassen kann, wenn man einen Fachterminus nicht weiß. Warum der große Aufwand? Wäre es nicht einfacher, alle Südafrikaner würden eine gemeinsame Verkehrs- und gleichzeitig Fachsprache lernen, praktischerweise vielleicht Englisch?
Förderung des menschlichen Potentials
Brigitta Busch gibt zu bedenken, dass damit die Mehrheit der Bevölkerung, etwa in den ländlichen Gebieten, von der Entwicklung ausgeschlossen wäre. Damit würde man auch ein menschliches Potential brachlegen.
Denn wenn man einen Beruf ergreifen will, aufsteigen will oder vielleicht gar Wirtschaftsminister wenden will, kann man sich das auf lange Frist gesehen nicht leisten. Die Menschen aus finanzieller Sicht gesehen und der Staat würde auf viele kluge Köpfe verzichten.
Mehr zu südafrikanischem Kino in oe1.ORF.at
"Stickfighter" von Teboho Mahatsis
"U-Carmen" von Mark Dornford-May