Forschen ohne Druck

Exzellenz im Garten Eden

Das israelische Weizmann-Institut gehört zu den besten Forschungseinrichtungen außerhalb der amerikanischen Efeu-Liga. Allein im Jahr 2005 wurden 50 Patente angemeldet. Ein Lokalaugenschein zeigt, was das Zentrum so großartig macht.

Rehovot liegt eine halbe Autostunde südöstlich von Tel Aviv. Was die unauffällige israelische Kleinstadt so besonders macht, ist das Weizmann-Institut. Ein etwa ein Quadratkilometer großer Campus, in dem gerade die Flammenbäume rot blühen.

Würde man außerhalb der Instituts-Mauern nicht dauernd auf Menschen mit halbautomatischen Waffen treffen, die den Eingang zu Bahnhöfen oder Gaststätten bewachen oder mit einem Sturmgewehr im Café sitzen: man würde sich wie im gelobten Land fühlen.

Geld verdienen mit Grundlagenforschung

Mathematiker, Biologen, Chemiker und Physiker betreiben hier Grundlagenforschung und sind trotzdem in der Lage, damit Geld für das Institut aufzutreiben. Zu den großen Erfolgen aus dem Institut gehört das Multiple-Sklerose-Medikament Copaxin. Aber auch Verschlüsselungstechniken, um Signale über Satelliten zu übertragen, wurden am Weizmann-Institut entwickelt.

Jetzt arbeiten Pharmafirmen an einer Impfung gegen Alzheimer, Multiple Sklerose und die Folgen von Schlaganfällen. Die Grundlagen dazu haben Forscher in Rehovot geliefert.

50 Patente und 26 Lizenzen

"Jährlich werden weltweit Produkte im Wert von neun Milliarden Dollar verkauft, die auf Entwicklungen aus dem Weizmann-Institut zurückgehen", rechnet der designierte Präsident Daniel Zaifman vor.

Schon seit 50 Jahren kümmert sich eine eigene Technologie-Transfer-Agentur darum, Patente anzumelden und auch zu vermarkten. Im Vorjahr waren es rund 50 Patente, dazu wurden 26 Lizenzen vergeben.

Derzeit tragen die Patentgelder zu rund einem Drittel zum 150 Millionen-Euro-Institutsbudget bei. Die Regierung sorgt mit einem Anteil von knapp 40 Prozent für die Grundausstattung, der Rest kommt aus Forschungsmitteln, die die Wissenschafter selbst anwerben müssen und aus Spenden.

Private Gönner

2003 wurde Weizmann von der Zeitschrift Science zu den drei führenden Instituten auf dem Gebiet der Systembiologie gerechnet. Die Folge: eine der größten Spenden in der Geschichte des Weizmann Institutes - zehn Millionen Dollar von der israelischen Morris Kahn-Stiftung, 20 Millionen Dollar kamen von Dr. Albert Willner.

Auf fast allen Instituten am Campus prangt der Name eines Spenders in großen Lettern: da gibt es zum Beispiel das "Helen and Martin Kimmel Center for Nanoscale Science" oder das "Arthur and Rochelle Belfer Building for Biomedical Research".

Freiheit in der Forschung

Eines der immer wieder gehörten Grundprinzipien am Weizmann-Institut: die Wissenschafter können ohne Verwertungs-Druck forschen. "Es ist nicht ein einziges Mal passiert, dass jemand zu mir kam, auch nicht der Präsident, und sagte: Wo sind die Ergebnisse für die angewandte Forschung", lobt der Chemiker Joel Sussman das Arbeitsklima. So hat er jüngst, nach langen Jahren, ein Mittel gefunden, um Alzheimer zu bremsen.

Die Freiheit in der Forschung führt den Genomiker Doron Lancet dazu, "dass an ein paar hundert oder ein paar tausend Projekten gearbeitet wird, und ein paar von ihnen bringen mit Sicherheit viel Geld ein."

Von kalten Molekülen zur Massenspektrometrie

Diese These belegt auch die Arbeit des kommenden Weizmann- Präsidenten Zaifman. Um die Chemie des kalten Weltraums nachbilden zu können, hat er eine Ionenfalle entwickelt. Sie bremst die Gase, sodass sie so kalt werden wie im interstellaren Raum. Diese Ionenfalle ist zu einem Renner für die Weiterentwicklung der Massenspektrometrie geworden.

"Die Massenspektrometrie ist ein 1,5 Milliarden-Dollar-Markt weltweit. Man braucht sie zum Beispiel für die Entwicklung von Medikamenten. Wir begannen bei kalten Molekülen. Und was ist daraus geworden? Ein super Werkzeug für die Massenspektrometrie und ein Patent dafür. Wenn jemand gesagt hätte, mach etwas für die Massenspektrometrie - ich wäre niemals auf diese Lösung gekommen", sagt Zaifman.

Fächerübergreifende Zusammenarbeit

Das System funktioniert natürlich nur mit exzellenten Forschern. 250 Wissenschafter sind direkt am Institut angestellt, dazu kommen dann noch einmal rund 800 Nachwuchsforscher, die bereits ein Grundstudium abgeschlossen haben, bevor sie am Weizmann-Campus ihr Doktorat oder Masterstudium absolvieren.

Während in öffentlichen Universitäten meist Stellen für Lehrstühle ausgeschrieben werden, kauft Weizmann keine Themen, sondern Köpfe ein.

"Wir suchen Leute ausschließlich nach ihrer Qualität und nicht nach ihren Forschungsfeldern aus. In welchem Feld diese Menschen arbeiten, ist zweitrangig. Wir glauben, dass exzellente Leute in exzellenten Gebieten tätig sind. Wenn ihr Gebiet einmal uninteressant wird, sind sie intelligent genug, sich eine neue Betätigung zu suchen", so Daniel Zaifman.

Was anderswo nur als Schlagwort existiert, wird am Weizmann-Institut gelebt: die fächerübergreifende Zusammenarbeit. Derzeit arbeiten viele Physiker in der Biologie. Mit großem Erfolg.

Hör-Tipp
Dimensionen, Mittwoch, 26. Juli 2006, 19:05 Uhr

Dimensionen, "Beiträge zu den Alpbacher Technologiegesprächen 2006", Montag, 28. August 2006. 19:05 Uhr

Download-Tipp
Ö1 Club-DownloadabonnentInnen können die Sendung nach der Ausstrahlung 30 Tage lang im Download-Bereich herunterladen.

Veranstaltungs-Tipp
Der designierte Präsident des Weizmann-Instituts, Daniel Zaifmann wird ebenso wie der Genetiker Doron Lancet bei den Alpbacher Technologiegesprächen zu Gast sein. Beide werden dort über Ursprünge referieren.

Alpbacher Technologiegespräche, Donnerstag, 24. August bis Samstag, 26. August 2006, Kongress Zentrum Alpbach

Mehr von den Alpbacher Technologiegesprächen erfahren Sie von Donnerstag, 24. August bis Samstag, 26. August 2006, täglich in science.ORF.at

Europäische Forum Alpbach 2006, "Suche nach Gewissheit und Sicherheit", Donnerstag 17. August bis Samstag, 2. September 2006, Alpbach

Links
Europäisches Forum Alpbach
Weizmann Institute of Science