Mehr als nur eine dekorative Kunst
Nadeshda Dimitrova, Tapisserie
Sie malte bereits als Kind, das sinnliche Element in der Kunst fasziniert sie: Nadeshda Dimitrova, gebürtige Bulgarin, Jahrgang 1979, die ihr Studium an der Angewandten kürzlich mit Auszeichnung beendet hat. Im Zentrum ihrer Arbeit steht die Tapisserie.
27. April 2017, 15:40
"Ich habe schon als Kind gerne gezeichnet und gemalt. Später hatte ich auch Interesse an Musik und spielte Querflöte. Nach der Wende besuchte ich eine künstlerisches Gymnasium. Dort entdeckte ich mit 13, dass es einen Kurs für chinesische Malerei gab und belegte ihn. Das war meine erste ernsthafte Berührung mit Kunst - und damals wurde mir klar, dass ich nichts anderes als Kunst machen will. Während der Schulzeit, in der ich auf die Akademie vorbereitet wurde, stellte sich nun die Frage, welches Fach ich wählen und wo ich studieren sollte. Ursprünglich sollte es London werden. Während einer Reise nach Paris gab es einen Kurz-Aufenthalt in Wien - und es war Liebe auf den ersten Blick. Da ich damals nicht Deutsch konnte, man hier an der Universität aber auch in Englisch beginnen kann, fiel die Wahl schließlich auf Wien", erzählt Nadeshda Dimitrova, gebürtige Bulgarin, Jahrgang 1979, die zunächst an der Akademie für Bildende Kunst begann, im Jahr 2000 dann an die Angewandte wechselte, wo sie bei Christian Ludwig Attersee Malerei, Tapisserie und Animationsfilm studierte und im vergangenen Juni mit Auszeichnung abgeschlossen hat.
An der Bildenden war die junge Künstlerin mit meiner Situation konfrontiert, auf die sie nicht vorbereitet war: "In Bulgarien wird bei der Ausbildung großer Wert auf klassische Techniken gelegt. Hier ist aber alles viel freier. Ich war damals aber in einer Entwicklungsphase, wo ich lieber noch figurativ gearbeitet hätte. Und ich konnte keine großen Tapisserien machen, was ja mein Wunsch war. Dann erfuhr ich von der Klasse Attersee und wechselte an die Angewandte. Das Angebot hier fand ich höchst interessant - die Malerei ist ja ohnehin die Basis für die anderen Bereiche. In dieser Zeit habe ich figurativ gemalt, einen Trickfilm gemacht, sowie einen großformatigen Teppich geknüpft und als Diplomarbeit nun eine Tapisserie in Gobelin-Technik gefertigt", schildert Dimitrova, die seit 1997 in Wien lebt, ihre Entwicklung.
Besondere Affinität zur Tapisserie
Im Zentrum ihres künstlerischen Interesses steht vor allem die Tapisserie, wie die junge Künstlerin erzählt:
"Es ist eine sehr schöne, aber leider eine aussterbende Kunstrichtung. Und ich möchte dazu beitragen, dass dieses Genre weiter lebt. In Bulgarien arbeitet man sehr dekorativ. Ich wollte lernen, wie man die Übergänge, die Farb-Abstufungen feiner macht, wie man die Wolle quasi wie Farbe verwendet. Denn ich möchte das Vorurteil widerlegen, dass Tapisserie nur etwas Dekoratives ist, und zeigen, dass man in diesem Genre auch malerisch gestalten kann."
Works in progress
"Sowohl Malerei als auch Tapisserie sind ein Work in progress - es verändert sich ständig alles. Das Wichtigste ist natürlich die Inspiration. Und es ist oft schwierig zu entscheiden, wann eine Arbeit wirklich fertig ist. So kann es passieren, dass man zuviel an einem Bild arbeitet. Bei der Tapisserie ist das kaum möglich, weil sie während der Arbeit eingerollt ist und man das bisher Geschaffene nicht sieht. Daher sind Änderungen nur schwer möglich", schildert Nadeshda Dimitrova.
Eine zeitaufwendige Kunst
"Es gibt international zwar Künstler, die in dieser Technik arbeiten, aber es werden immer weniger. Denn aufgrund der langen Entstehungszeit sind Tapisserien viel teurer als ein Bild. Und sie kommen auf dem Kunstmarkt kaum mehr vor, weil alles in Richtung Neue Medien und konzeptuelle Kunst geht. Die Tapisserie ist aber eine langsame, zeitaufwendige Technik. In Österreich gibt es nur noch wenige Künstler in diesem Bereich", erläutert Dimitrova, die an ihrer Diplomarbeit ein Jahr lang gearbeitet hat, die Problematik dieses Genres.
Der Preis für eine Tapisserie wird pro Quadratmeter berechnet und hängt u.a. davon ab, ob es sich um einen eigenen Entwurf handelt, wie dicht die Kette, der Stoff ist, sowie von der Anzahl der Farbnuancen.
In über 20 Ausstellungen vertreten
Seit 1995 war die Nachwuchskünstlerin mit ihren Werken in bereits über 20 Ausstellungen vertreten: So u.a. 2001 bei "Moving out", der Abschluss-Schau der Angewandten im Wiener Mumok im Rahmen der Eröffnung des Museumsquartiers. Damals wurde ihr Knüpfteppich "Universum" gezeigt. Ganz große Bedeutung hatte für Nadeshda Dimitrova im Vorjahr die Gruppenausstellung "Wollenkunst" der Klasse Attersee: "Sie war enorm wichtig für mich, weil es eine Tapisserie-Schau der Arbeiten aus den letzten zehn Jahren war".
Ebenfalls 2005 zeigte sie unter dem Motto "Mummenschanz" im Management-Club ihre erste Einzelschau, bei der sie Bilder präsentierte. "Es waren figurative Bilder zum Thema 'Frau'. Wir tragen im Alltag soviele Masken, dass wir mitunter gar nicht wissen, welches unser wahres Gesicht ist, daher der Titel". Und ebenso wichtig war für sie die heurige Abschluss-Ausstellung der Angewandten "The Essence 06": "Gezeigt wurde meine Diplomarbeit 'Spurensuche'. Es war ein Traum, im MAK auszustellen, denn hier ist die textile Kunst ja zu Hause."
Mitglied des "Forum Weltoffen"
Seit 2002 ist die junge Künstlerin Mitglied des "Forum Weltoffen". Ziel des Vereins ist es, internationale Künstler im In- wie im Ausland vorzustellen. So wurde heuer die Schau "Good Morning Balkan" organisiert, die in von Albanien bis Triest zu sehen war.
"Die Künstler werden gut präsentiert und wenn es Verkaufsausstellungen gibt, muss man an niemanden eine Provision zahlen", erzählt Dimitrova.
Gründung des Kunstvereins "artfish"
Im Vorjahr hat Nadeshda Dimitrova gemeinsam mit Vassilka Viagova und Julia Damianova "artfish", einen gemeinnützigen Verein für interkulturelle Zusammenarbeit, gegründet.
Ziel dieses Initiative ist es, durch Zusammenarbeit mit anderen Kulturvereinen innerhalb der EU zur Schaffung eines Netzwerkes beizutragen, das multinationale Kunst- und Kulturprojekte unterstützt. Die Förderung osteuropäischer Kunst steht dabei im Zentrum.
Halbwegs abgesichert arbeiten können
Derzeit plant die zielstrebige Künstlerin die nächsten Ausstellungen. So wird sie in diesem Herbst an der Schau "Don Giovanni" der Klasse Attersee, die im Wiener Donauturm stattfinden wird, teilnehmen. "Das Leben einer freischaffenden Künstlerin ist meist mit finanziellen Sorgen verbunden. Man muss konsequent sein und viel Geduld haben".
Was ihr größter Zukunftswunsch ist? "Vor allem meine Diplom-Tapisserie verkaufen zu können, damit ich finanziell etwas abgesichert bin. Denn das Wichtigste für mich ist, dass ich weiter arbeiten kann", so Nadeshda Dimitrova.
Kontakt
Nadeshda Dimitrova
Links
Universität für angewandte Kunst Wien - Meisterklasse für Malerei, Animationsfilm und Tapisserie Christian Ludwig Attersee
Nadeshda Dimitrova
artfish
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Mumok