Das Schicksal zweier Menschen

Emoticon

Der israelisch-palästinensische Konflikt - verkörpert durch zwei junge Menschen, die das Feuer des politischen Fanatismus verbrannt hat: Davon, aber nicht nur davon, erzählt Jessica Durlachers Roman "Emoticon".

Dem tödlichen Radikalismus der Palästinenserin Aischa steht in Jessica Durlachers Roman "Emoticon" der unversöhnliche Zionismus des naiven 17-jährigen Daniel gegenüber, der freilich nicht wegen seiner politischen Gesinnung, sondern allein wegen seiner Glaubenszugehörigkeit Opfer einer Hinrichtung wurde. Eine Geschichte, die sich die Autorin nicht ausgedacht hat. Jessica Durlacher hat sie in der Zeitung gelesen.

Kein politisches Kalkül

Jessica Durlacher begnügt sich nicht damit, den Mordfall zu rekonstruieren, sie porträtiert auch die Familie, die Umgebung, die Biografien von Täter und Opfer, wobei ihr Daniel eine fiktive Figur ist. Er ist ein Schüler aus dem niederländischen Bloemendaal, der gerade zum ersten Mal mit einem Mädchen schlief, der mit seinem jüdischen Stiefvater nicht gut auskommt, seinen wahren Vater nicht kennt und lange Zeit vom Judentum nichts wissen wollte.

Auch Aischas Handeln - ihr Entschluss, Daniel in einen Hinterhalt zu locken - ist letztlich nicht so sehr von politischem Kalkül geleitet. Aischa ist eine impulsive, burschikose und intellektuelle junge Frau, die unter nichts mehr leidet als unter den Kränkungen und Zurücksetzungen der chauvinistischen Männerwelt.

Jessica Durlachers Roman "Emoticon" handelt nicht nur vom Schicksal von Aischa und Daniel. Ein zweiter - und viel ausführlicherer - Handlungsstrang erzählt die Geschichte von Daniels Mutter Lola und ihrer besten Freundin Ester.

Mit erzählerischem Schwung

"Emoticon" ist nicht nur ein Roman über politischen Fanatismus und mörderischen Terror, es ist auch eine Liebes-, Lügen- und Betrugs-Geschichte, geschrieben von einer Autorin, die sich mehr für Personen interessiert als für Programme.

Jessica Durlacher benutzt keine Emoticons, keine Chiffren, Symbole oder komplizierten Metaphern: Sie bevorzugt ein unprätentiöses, geradliniges Erzählen, verschneidet geschickt die verschiedenen Handlungsstränge und erlaubt es, sich mit jedem ihrer Protagonisten zu identifizieren, kann aber nicht ganz den Eindruck vermeiden, dass "Emoticon" etwas konstruiert wirkt und gelegentlich allzu aufdringlich dem Leser den Gefühlshaushalt seiner Figuren vorbuchstabiert.

Das ändert freilich nichts daran, dass der Roman über erzählerischen Schwung verfügt, er ist über weite Strecken spannend zu lesen, erhebt nicht den moralischen Zeigefinger, denunziert keine Figuren und gibt auch nicht vor, alles verstehen und alles erklären zu können - schon gar nicht den Sinn des Terrors.

Hör-Tipp
Ex libris, jeden Sonntag, 18:15 Uhr

Download-Tipp
Ö1 Club-DownloadabonenntInnen können die Sendung nach der Ausstrahlung 30 Tage lang im Download-Bereich herunterladen.

Buch-Tipp
Jessica Durlacher, "Emoticon", aus dem Niederländischen übersetzt von Hanni Ehlers, Diogenes Verlag, ISBN 3257065159