Helle Räume und viel Stoff
Wie Perser wohnen
Rund 4.000 Iranerinnen und Iraner leben in Österreich, viele von ihnen seit der Khomeini-Revolution. Manche kamen schon vorher, um hier zu studieren, und sind hängen geblieben. Zu Gast bei zwei halbiranischen Haushalten.
8. April 2017, 21:58
Anahita Shoaiyan und Zahra Modarresi
In Österreich leben etwa 4.000 Iranerinnen und Iraner. Wenngleich sie zum Großteil wie die Einheimischen wohnen, haben sie doch einzelne Gegenstände, Bräuche und Erinnerungen aus der Heimat mitgebracht.
Was sie wohl alle haben: mindestens einen Teppich, auch wenn es kein echter "Perser" ist.
Teppiche in jedem Zimmer
Anahita Shoaiyan in ihrem Apartment in einer großen, eckigen Wohnanlage in Wien-Hietzing. So klein können die Zimmer hier nicht sein, dass die Iranerin nicht ein, zwei - zumindest kleine - Teppiche aufgebreitet hat unterm Ess- wie unterm Couchtisch.
"Alle diese Bodenbedeckungen haben mit dem sozialen Status zu tun", erklärt sie. "Je höher der Status desto mehr geknüpfte Teppiche." Das sei heute nicht mehr so, fügt sie hinzu. Weder im Iran noch hierzulande verrät man seinen Status durch die Art, wie die Wolle und Seidengarne der eigenen Teppiche verarbeitet sind, ob sie geknüpft, geflochten, gewalkt oder gewebt sind; selbst die derberen, gewebten Stücke, die Kelime, sind modern geworden und nicht selten teuer.
Nur ein echter "Perser"
Anahita dreht sich. Ganz ehrlich! Diese Teppiche da in ihrem Wohnzimmer, die stammen gar nicht aus ihrer Heimat, sondern, so die viel reisende studierte Ethnologin, aus Nord- und Schwarzafrika und dem Kaukasus. Ihr echter "Perser" liegt im Arbeitszimmer, ein ziegelrot-grau-braun gemusterter Kelim.
Kulturmischmasch und Möbelmix
Anahita Shoaiyan lebt seit 21 Jahren in Österreich. Sie hat hier studiert und arbeitet nun beim Österreichischen Roten Kreuz als Migrations- und Integrationsbeauftragte. Sie fühlt sich wohl in ihrem Kulturmischmasch und Möbelmix: Zierfliesen aus dem Iran, der Holzglastisch aus Indonesien, Figuren aus Afrika, der Teddybär aus Wien.
Wenn sie unruhig und nervös ist, wie gerade jetzt, weil sie für eine Prüfung lernt, geht sie Richtung Bücherwand und zieht Persisches hervor: Hafes, das Buch für ein gutes Omen. Das dürfe in einem iranischen Haushalt nicht fehlen.
Mehrere Jobs
Zahra Modarresi liest auch manchmal im Hafes, im persischen Omenbuch. Und grinst. Passt ja, das Gedicht, das sie gerade aufgeschlagen hat. Mit etwas mehr Plan arbeiten, das wäre wirklich nicht schlecht, findet sie, streng mit sich, die Politologin, Sekretärin in einem wissenschaftlichen Institut und Frauenforscherin. Zwei, drei Jobs hat sie zur Zeit; damit hält sie sich und ihre drei beinahe erwachsenen und teilweise studierenden Kinder über Wasser. Der Ex ist wieder im Iran, und mit ihm die gemeinsamen persischen Möbel.
Den Hafes hat sie noch und andere iranische Bücher, zwei goldfarbene Boxen mit verziertem Besteck, ein paar Polster, aus dicker Wolle gewebt und die Perserteppiche. Die hat sie allerdings in Österreich via eBay gekauft.
Persische Jause
In Momenten, in denen sie die iranische Sonne vermisst, hört sie Musik aus der Heimat und richtet eine Jause wie damals zuhause in Schahroud, an der afghanischen Grenze: einen Teller mit Fladenbrot und einen mit Schafkäse und darunter gelegten Minze- und Korianderblättern sowie iranischem Basilikum, das sie vorher, draußen auf ihrer Terrasse in Wien-Liesing, von den selbst gezogenen Büschen pflückt.
Noch etwas stellt sie auf den Tisch: einen Teller mit picksüßen, öligen Leibchen voller Weizenkeime und Pistazien, der persischen Variante der Florentiner. Suhan, Süßigkeiten aus der heiligen Stadt Ghom.
Hör-Tipp
Ganz Ich, Mittwoch, 19. Juli 2006, 14:45 Uhr
Download-Tipp
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Links
Wikipedia - Isfahan
Wikipedia - Hafes
Wikipedia - Ghom
Wikipedia - Iran
Wikipedia - Perserteppich
Suhan - Rezept