Ist beim Wandern der Weg das Ziel?

Schritt für Schritt auf Reise

Pilger- und Wanderrouten durchziehen ganz Europa, allein durch Österreich verlaufen zehn markierte Weitwanderwege. Wer ein Land durchwandert, lernt viel über dessen Bewohner und über sich selbst kennen: den eigenen Rhythmus und die eigenen Grenzen.

Markus Schlagnitweit über das Gehen

"Oft achte ich auf meinen Wanderungen stundenlang auf nichts anderes als auf den Kontakt von meinen Füßen, meinen Schuhen, mit dem Untergrund - dem Boden", sagt Markus Schlagnitweit.

Der Leiter der katholischen Sozialakademie in Wien geht, im wahrsten Sinne des Wortes, auf Reisen - seit 25 Jahren. Das Gehen sei die ursprünglichste und auch die ehrlichste Form des Reisens, erklärt er.

Ehrliches Reisen

Auf seinen Wanderungen, die den 44-jährigen schon quer durch Skandinavien, über die iberische Halbinsel, durch Griechenland und die östlichen Nachbarländer Österreichs führten, habe er die Länder mit allen Sinnen erfahren, erzählt Markus Schlagnitweit.

Beim Wandern lernt man die Distanzen eines Landes kennen, die Topographie und das Klima - hautnah spürt man die Hitze, schwitzt auf Ansteigungen oder wird nass bis auf die Knochen, wenn es regnet.

Alleine, zu zweit oder in einer Gruppe?

Vor allem das alleine Wandern öffnet Türen zu den Bewohnern eines Landes die sonst verschlossen bleiben, meint Markus Schlagnitweit. Über den Gartenzaun wird man angesprochen, wird gefragt, bekommt Antworten, und öfters wird man gleich zum Essen eingeladen, manchmal gar zum Bleiben.

Wandern alleine ermöglicht auch das Finden des eigenen Tempos, des eigenen Rhythmus. Das bedeutet Freiheit, meint Günther Eigenthaler von der Sektion Weitwanderer des österreichischen Alpenvereines. Wandert man zu zweit oder gar in einer Gruppe, muss man einen gemeinsamen Rhythmus finden, oder sich trennen und später wieder aufeinander warten.

Entdeckung der Langsamkeit

Im eigenen Rhythmus ist das Gehen erst meditativ, meint Astrid Ebenführer, die erst vor wenigen Tagen von ihrer ersten Weitwanderung zurückgekehrt ist. Anders als erwartet bot ihr das tägliche stundenlange Gehen mit schwerem Rucksack nicht die Möglichkeit, über ihren Alltag nachzudenken und Probleme zu lösen.

Vielmehr wirkte ihr Kopf nach zwei Tagen entleert, frei von Gedanken und Problemen, sagt sie, geöffnet für die schönen Details am Wegesrand: die Landschaft, Gerüche, Geräusche und die Menschen, die ihr begegneten.

Der Weg ist nicht das Ziel

Eine Reise zu Fuß ist meistens auch mit Leiden verbunden: Blasen bilden sich an den Füßen, Gelenke schmerzen, die Hitze ist oft unerträglich oder es regnet tagelang in Strömen. Schneller als erwartet stößt so mancher an seine eigenen Grenzen.

Wichtig für das Weitwandern ist es daher umso mehr, sich Ziele zu setzen. Ohne Ziel sei es in schwierigen Situationen leicht aufzugeben, meint Markus Schlagnitweit. Beim Wandern könne daher der Weg niemals auch das Ziel sein.

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Hör-Tipp
Ganz Ich, Donnerstag, 13. Juli 2006, 14:45 Uhr

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